Kuba / Wirtschaft / Politik

Kubas Wirtschaft nimmt Kurs Richtung Aufschwung

Parlament zieht kritische Bilanz. Konjunkturerholung hat eingesetzt, vier Prozent Wachstum geplant. Bekämpfung von Inflation und Stärkung des Peso wichtigste Ziele

kuba_wirtschaft_parlamento-cubano-plenario.jpg

Kritische Debatte im kubanischen Parlament: Die Regierung legte die Wirtschaftszahlen vor
Kritische Debatte im kubanischen Parlament: Die Regierung legte die Wirtschaftszahlen vor

Havanna. Kubas Wirtschaft beginnt sich langsam zu erholen. Wie Wirtschaftsminister Alejandro Gil auf der jüngsten Parlamentssitzung erklärt hat, befindet sich die Volkswirtschaft der sozialistischen Insel augenblicklich an einem Wendepunkt.

Nach der schweren Rezession 2020, die weit ins vergangene Jahr reichte, konnte Kuba 2021 mit einem leichten Plus von zwei Prozent schließen. Für dieses Jahr wird ein Wachstum von vier Prozent erwartet. Viele der geplanten Reformen seien inzwischen umgesetzt worden, womit die zweite Phase des nationalen Entwicklungsplans bis 2030 eingeleitet wurde.

Die Verschärfung der US-Blockade sowie die Pandemie hätten das Land in den vergangenen Jahren zurückgeworfen, inzwischen habe sich die Konjunktur jedoch wieder belebt. Dazu beigetragen hat neben der Öffnung des Tourismus Mitte November auch ein Aufschwung bei Dienstleistungen und Produktion. Herstellende Industrie, Landwirtschaft, Handel und Baugewerbe verzeichneten erstmals seit Ende 2019 wieder Zuwächse. Die aktuelle Erholung erfolge unter den Bedingungen einer deutlich reduzierten Abhängigkeit von außen. Aufgrund des Devisenmangels haben sich die Importe seit 2018 halbiert, das Außenhandelsdefizit ging in den vergangenen drei Jahren um 50 Prozent zurück. Für jeden Peso des Bruttoinlandsprodukts müssten heute nur noch 16 Centavos an Einfuhren aufgewandt werden. "Das Ziel ist jetzt Wachstum durch mehr Effizienz, ohne eine Steigerung der Importe zu generieren", so Gil.

Trotz der positiven Signale steht Kubas Wirtschaft ein Jahr nach dem Start der Währungsreform vor den größten Herausforderungen der letzten Jahrzehnte. Mehr als 500 Staatsunternehmen verzeichnen Verluste, während die Inflation im Handel bis zum Jahresende auf 70 Prozent angestiegen ist. Die Teil-Dollarisierung der Wirtschaft zählt zu den größten ungelösten Problemen. Viele Güter des täglichen Bedarfs, darunter auch Haushaltsgeräte, sind teilweise nur noch gegen Fremdwährung wie Euro oder US-Dollar erhältlich. Dies stieß auf deutliche Kritik von Seiten der Abgeordneten. Gleichzeitig werden Pesos aktuell nicht umgetauscht, da dem Staat hierfür die Devisen fehlen. Als einzige Option bleibt vielen der illegale, aber geduldete Tausch auf dem Schwarzmarkt zu einem deutlich schlechteren Kurs als den offiziellen 24:1.

Zu den Prioritäten für dieses Jahr nannte Gil unter anderem die makroökonomische Stabilisierung der Wirtschaft, die Bekämpfung der Inflation und die Wiederherstellung der Rolle des Pesos als Mittelpunkt des kubanischen Finanzsystems. Hierzu sollen die strukturellen Transformationen im Zuge der Einführung neuer Wirtschaftsakteure wie den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) weiter vertieft werden. Kernelemente sind die Stärkung der Staatsbetriebe, die Neuausrichtung des Verhältnisses zwischen Staats- und Privatsektor, die Landwirtschaftsreform sowie die Förderung ausländischer Investitionen. Die Verbesserung der Stromversorgung sowie der Ausbau der erneuerbaren Energien zählte Gil zu weiteren Schwerpunkten für 2022.

Wie Außenhandelsminister Rodrigo Malmierca ankündigte, sollen in diesem Jahr zahlreiche Hemmnisse für ausländische Investoren auf Kuba beseitigt werden. "Trotz neuer Initiativen auf dem Gebiet wurden die gewünschten Ergebnisse bislang nicht erreicht", bilanzierte Malmierca. Daran sei nicht nur die US-Blockade schuld, sondern auch nach wie vor bestehende Mängel in der Arbeitsweise seines Ministeriums.

Seit 2014 wurden auf Kuba 285 Projekte mit ausländischem Kapital genehmigt, davon 49 in der Sonderwirtschaftszone von Mariel. Derzeit gibt es 302 Unternehmen mit ausländischer Beteiligung in Kuba: 104 Joint Ventures, 54 Unternehmen, die sich vollständig in ausländischem Besitz befinden, und 144 internationale Wirtschaftspartnerschaftsverträge. Der jährliche Zufluss blieb mit durchschnittlich unter 1,5 Milliarden US-Dollar pro Jahr jedoch deutlich unter den Erwartungen von 2 bis 2,5 Milliarden, die für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum berechnet wurden.

"Fehlende Vorbereitung von Ausschreibungen, wenig zielgerichtete Werbung und bürokratische Verzögerungen" hätten dazu geführt, dass trotz des 2014 verabschiedeten neuen Investitionsgesetzes viel zu wenig Investitionsmittel ins Land gelangt seien, sagte Malmierca, der das Amt seit 2009 innehat. Mit der Öffnung für Investoren aus der Exilgemeinde und der Möglichkeit, Partnerschaften mit KMU einzugehen, will die Insel dieses Jahr neues Kapital für die Entwicklung der Wirtschaft gewinnen. Dafür sei es notwendig, "nach wie vor bestehende Vorurteile gegen ausländische Investoren" bei Unternehmern, Kadern und Funktionären zu überwinden, forderte Malmierca.

2021 sei ein Jahr tiefgreifender wirtschaftlicher Veränderungen gewesen, erklärte Präsident Miguel Díaz-Canel vor den Abgeordneten. Neben der Währungsreform und der Öffnung des Privatsektors ging er dabei auch auf die Reform der Staatsbetriebe ein, die inzwischen über mehr Autonomie und Geschäftsfreiheit verfügen. Viele jahrzehntealte Hemmnisse seien beseitigt worden, um das Ineinandergreifen der neuen Akteure und Mechanismen zu ermöglichen. Die Schritte markieren wichtige Meilensteine des 2011 gestarteten Reformprozesses, die vergangenes Jahr trotz der schwierigen Lage umgesetzt wurden.

Jetzt gehe das darum, die beginnende Dynamik zu konsolideren und das Wachstum mit Blick auf die Ziele des nationalen Entwicklungsplans zu beschleunigen, bekräftigte Wirtschaftsminister Gil. "Auch angesichts widriger Umstände wird Kuba seine Entwicklungsziele nicht aufgeben", so der Minister.