Los Angeles: Ein Gipfel der Kritik an der Sanktionspolitik der USA

Arbeitsthemen des OAS-Treffens blieben unauffällig. Ausgeschlossene Länder sehr präsent. "Gipfel der Völker" mit starker Teilnahme

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OAS-Gipfel und "Gipfel der Völker der Amerikas" in Los Angeles
OAS-Gipfel und "Gipfel der Völker der Amerikas" in Los Angeles

Los Angeles. Die USA haben zum Abschluss des 9. Gipfels der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) die erwartete Erklärung zur Migration vorgestellt. Aus Sicht der US-Regierung soll eine "geteilte Verantwortung" in Hinsicht auf Asyl und Grenzkontrollen festgelegt werden. Die Erklärung ist bisher weder im Wortlaut erschienen noch ist bekannt, wie viele Länder sie unterzeichnen werden.

Ein Regierungsbeamter, der anonym bleiben wollte, sagte über den Text, dass US-Präsident Joe Biden "alle Regierungen entlang der Migrationsroute auffordert, das Asylverfahren in ihren jeweiligen Ländern einzuführen oder zu stärken". Sie sollten auch ihre Grenzen wirksamer kontrollieren und Menschen, die nicht asylberechtigt sind, zurückweisen, so der Beamte ergänzend.

Das Gipfeltreffen blieb trotz einer ehrgeizigen Tagesordnung über Migration, Wirtschaft, saubere Energie, Gesundheitsversorgung, Lebensmittelsicherheit und Klimawandel unter dem Eindruck des Ausschlusses von Kuba, Venezuela und Nicaragua, den der Gastgeber USA im Alleingang durchgesetzt hatte.

Nie zuvor äußerte sich eine so breit getragene Kritik an der sanktionierenden und ausschließenden Politik der USA. Dies wurde noch durch den "Gipfel der Völker der Amerikas" unterstrichen, der zeitgleich von sozialen Bewegungen und politischer und kultureller Prominenz ebenfalls in Los Angeles durchgeführt wurde.

Die Biden-Administration wollte die Erklärung zur Migration mit Vorrang durchbringen, da sie innenpolitisch in dieser Frage besonders unter Druck steht. Unter den gegebenen Vorzeichen sehen Analysten jedoch keine Fortschritte, da die USA Maßnahmen wünschten, die die Rechte von Migranten und die Anforderungen der Länder mit hohen Auswanderungsraten unzureichend berücksichtigten, vielmehr einseitig den Bedürfnissen der Konzerne nachkämen.

Nach der Absage des mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (Amlo) und der honduranischen Präsidentin Xiomara Castro blieben auch die Präsidenten von Guatemala und El Salvador dem Gipfel fern. Da Migranten aus diesen drei zentralamerikanischen Ländern einen großen Teil der Asylbewerber ausmachen, die Mexiko durchqueren, um in die USA zu gelangen, musste jede ergebnisorientierte Diskusion über das Thema auf dem Treffen unrealistisch bleiben.

Die ausgeschlossenen Länder waren durch unterstützende Stellungnahmen seitens der Führungen anderer lateinamerikanischer Länder äußerst präsent. Die kubanische staatliche Nachrichtenagentur Prensa Latina konnte feststellen: "Die US-Regierung mag gedacht haben, dass der Ausschluss des karibischen Landes, die Verweigerung von Visa und die Auferlegung von Hindernissen seine Stimme dämpfen würde, aber das Ergebnis war das Gegenteil."

Der argentinische Präsident Alberto Fernández bekräftigte in Los Angeles, dass der Gastgeber dieses Gipfeltreffens nicht das Recht habe zu entscheiden, wer teilnimmt oder nicht. Argentinien hätte sich einen nicht beschränkten Amerikagipfel gewünscht, erklärte der Staatschef, und forderte die Aufhebung der "Zwangspolitik, die den Völkern der Region Leid zufügt". Kuba leide seit mehr als sechs Jahrzehnten unter der US-Blockade und Venezuela müsse eine Blockade erdulden, während eine Pandemie die ganze Menschheit beeinträchtigt habe.

Der Premierminister von Belize, John Briceño, schloss sich dem Protest an. "Dieser Gipfel gehört allen Amerikanern. Daher ist es unverzeihlich, dass nicht alle Länder Amerikas anwesend sind", erklärte er und stand damit für eine lange Reihe weiterer Stellungnahmen.

Sowohl der chilenische Präsident Gabric Boric, der an dem Gipfel teilnahm, als auch der mexikanische Außenminister Marcelo Ebrard, der anstelle von Präsident López Obrador kam, bezeichneten die Entscheidung des Weißen Hauses als "Fehler".

Der alternative "Gipfel der Völker für Demokratie" verabschiedete zum Abschluss des Treffens ein Dokument, wonach "ein Imperium", das in einer "gefährlichen Illusion" entschlossen sei, "die Hegemonie in der Welt aufrechtzuerhalten, die Menschheit und den Planeten gefährdet". Der Ausschluss von Ländern wie Kuba, Venezuela und Nicaragua vom Gipfeltreffen, an dem die Staatschefs der Länder der Hemisphäre teilnehmen, sei Teil einer "Vision, die die politischen und wirtschaftlichen Interessen der USA und des Großkapitals über die der Völker stellt".

Der US-amerikanische Nachrichtensender CNN schilderte den OAS-Gipfel als für die US-Regierung weitgehend missglückt und illustriert dies mit "einer bizarren Terminverschiebung". Biden traf außerhalb des Gipfel-Rahmens mit dem brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro zusammen, nachdem er monatelang eine Begegnung vermieden hatte.

Bolsonaro hatte nach den letzten Präsidentschaftswahlen in den USA die Position des vorherigen Präsidenten Donald Trump geteilt, dass Biden unrechtmäßig das Amt übernommen habe. "Und so fand sich Biden am Donnerstagnachmittag in einem Konferenzraum neben einem Mann wieder, der zwei Tage zuvor seinen Sieg 2020 als 'verdächtig' bezeichnet hatte". "Doch um ihn nach Los Angeles zu einem Gipfel der regionalen Staats- und Regierungschefs zu locken, der von Boykotten geplagt war, stimmte Biden einem persönlichen Treffen zu", schrieb CNN. Dies zeige, wie weit Biden bereit war zu gehen, um "ein einheitliches Bild der westlichen Hemisphäre" zu vermitteln.