Argentiniens Wirtschaftsminister Martín Guzman tritt zurück

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Martín Guzmán, Ökonom und Ex-Wirtschaftsminister von Argentinien
Martín Guzmán, Ökonom und Ex-Wirtschaftsminister von Argentinien

Buenos Aires. Am Samstagabend hat Argentiniens Wirtschaftsminister Martín Guzman per Twitter unerwartet seinen Rücktritt bekannt gegeben. Erst vor wenigen Tagen hatte Präsident Alberto Fernández ihm noch seine Unterstützung versichert, was den Schritt umso überraschender machte.

Die von ihm geführte Politik wurde jedoch bereits seit Langem innerhalb der Regierungskoalition stark kritisiert. Seine Differenzen mit dem Umfeld der Vizepräsidentin Cristina Kirchner waren ein offenes Geheimnis. Aber auch im Lager des Parlamentspräsidenten Sergio Massa (Frente Renovador) war man nicht mit seiner Politik zufrieden.

Der Präsident selbst zeigte sich von der Nachricht überrascht. Ein Nachfolger wurde bisher (Sonntagabend) nicht benannt. In seinem siebenseitigen Rücktrittsschreiben gab Guzman die mangelnde politische Unterstützung von Teilen der Regierung als Grund für seine Entscheidung an und hob die von seinem Ministerium erzielten Erfolge hervor. Er sollte am Montag nach Europa reisen, um mit den Vertretern des Pariser Clubs zu verhandeln.

Guzman ist ein Ökonom aus der Universität von La Plata, promovierte an der Brown University in den USA und arbeitete später an der University of Columbia mit Joseph Stieglitz zusammen. Er gilt als Experte für Staatsverschuldung. Fernández ernannte ihn bei seinem Amtsantritt im Dezember 2019 zum Wirtschaftsminister.

Die wirtschaftliche Lage, die er in dieser Stellung managen musste, war äußerst schwierig. Die scheidende Regierung von Mauricio Macri hinterließ eine Reihe von Rekorden: Eine tiefe Rezession, die höchste Arbeitslosigkeit seit 2006 und die höchste Inflation seit 1989. Im Jahr 2018 wies das Land das schlimmste Handelsdefizit seiner Geschichte auf, was 2019 nur durch den Einbruch der Importe etwas abgemildert wurde.

Die schlimmste Erbschaft war jedoch der gewaltige Kredit, den Macri beim Internationalen Währungsfonds (IWF) aufgenommen hatte und der laut einem späteren internen Bericht des IWF für das Land "untragbar" sei. Zu dieser Lage kamen dann noch die Pandemie und die Auswirkungen des Ukraine-Krieges hinzu.

Seine Fähigkeiten und Erfolge werden von seinen Kritikern auch nicht in Frage gestellt. Dafür jedoch die politische Konzeption dahinter und deren Auswirkungen. Guzman und sein Team führten Verhandlungen mit dem IWF und erzielten eine Stundung und eine Umstrukturierung des Darlehens. Dafür mussten jedoch eine ganze Reihe von kritischen Bedingungen erfüllt werden.

In der Tat gibt es verschiedene positive Daten: Die argentinische Wirtschaft zeigte im letzten Jahr einen starken Wachstumsschub. Die Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen und der Export brummt. Die hohen Preise der Primärexporte bescheren satte Gewinne.

Auf der anderen Seite hält sich jedoch nach wie vor eine hohe Inflation (fünf Prozent im Mai) und die Reallöhne, die während der Regierung Macri im Schnitt um 20 Prozent fielen, haben sich zwar stabilisiert, sind jedoch nicht nennenswert gestiegen und gehören zu den niedrigsten in Lateinamerika (2015 waren sie noch unter den höchsten der Region).

Bei der arbeitenden Bevölkerung kommen also die guten Faktoren nicht an und die Unzufriedenheit in der Bevölkerung ist sehr groß, so dass ein erhebliches Risiko für eine Wiederwahl 2023 besteht.

Wirtschaftsexperten führen an, dass die von Guzman akzeptierten Bedingungen des IWF die Inflation anheizen würden.

Die Ökonomin Delfina Rossi zitiert z.B. einen Text von Brown und Joy aus dem Jahr 1981 ("The Economic Stagnation Model") und vergleicht diesen mit den Bedingungen des aktuellen Abkommens: "Die Abschaffung der Devisenkontrollen und die Schaffung eines einheitlichen Devisenmarktes mit einer frei oszillierenden Rate; die Abschaffung interner Preiskontrollen, Kredit- und Budgetbeschränkungen und schließlich Gewährungsfazilitäten für ausländische Kapitalinvestitionen". Die etwas älteren Argentinier erinnern diese Bedingungen fatal an die Regierung von Raul Alfonsin, die 1989 bis 1990 mit der aktiven Hilfe des IWF in der Hyperinflation endete.

Die stärkste Kritik kommt jedoch von denen, die der Regierung vorwerfen, dass man überhaupt mit dem IWF verhandelt und damit das Darlehen an Macri nachträglich legitimiert habe. Dieser hatte einerseits gegen die Gesetze des Landes verstoßen, als er den Kredit ohne die Zustimmung des Parlaments annahm. Andererseits verstieß das Abkommen auch gegen die internen Richtlinien des IWF selbst.

Nach zähen Verhandlungen zwischen den Koalitionspartnern, wurde am Sonntagabend als seine Nachfolgerin Silvina Batakis ernannt, eine anerkannte Ökonomin, die zwischen 2011 und 2015 Wirtschaftsministerin der Provinz Buenos Aires war.