Kuba / Wirtschaft

Energiekrise in Kuba: Stromrationierungen erreichen Havanna

Stromabschaltungen sollen gleichmäßiger verteilt werden. Karneval von Havanna abgesagt. Kraftwerkswartungen erst nach Ende des Sommers

strominstallationen-havanna-kuba-wartungen.jpg

Kuba kämpft mit veralteten und schlecht gewarteten Anlagen zur Stromerzeugung
Kuba kämpft mit veralteten und schlecht gewarteten Anlagen zur Stromerzeugung

Havanna. Kuba steht augenblicklich vor der schwierigsten Energiesituation seit der Sonderperiode in den 1990er Jahren. In vielen Provinzen bleibt der Strom bereits seit Wochen für bis zu acht Stunden pro Tag aus. Mittels sogenannten "apagones", angekündigten Abschaltungen, wird die Versorgung rationiert. Jetzt erreichen die Rationierungsmaßnahmen auch die Hauptstadt Havanna.

Wie die Provinzregierung vergangenen Freitag ankündigte, kommt in Havanna ab dieser Woche die Abschaltung täglich von 10 bis 14 Uhr. Um die Belastung möglichst gleichmäßig zu verteilen, soll die Maßnahme zwischen den einzelnen Gemeinden rotieren, so dass der einzelne Haushalt nur alle drei Tage betroffen ist.

Damit soll eine Einsparung von 100 Megawatt erreicht werden, was "die Anzahl der Stromabschaltungen in anderen Provinzen reduzieren wird". Aus einem Bericht des nationalen Stromversorgers "Unión Electrica" geht hervor, dass derzeit nur 2.500 von 6.600 Megawatt an installierter Kraftwerksleistung zur Verfügung steht.

Aufgrund der schwierigen Energie- und Transportsituation wurde der diesjährige Karneval in Havanna abgesagt. Die für Ende August geplante Veranstaltung soll durch kleinere Festivitäten an der Uferpromenade Malecón ersetzt werden. Auf der Sitzung rief Gouverneur Reinaldo García Zapato die Bewohner der Hauptstadt zur Solidarität mit dem Rest des Landes auf.

Dort gestaltet sich die Lage schon seit längerem deutlich komplexer. Aus dem Landesinneren wird von teilweise täglichen "apagones" über sechs bis acht Stunden berichtet. In Santiago de Cuba, der zweitgrößten Stadt des Landes, gab es aufgrund der Stromausfälle zuletzt häufiger Probleme bei Bezahlvorgängen, da Geschäfte und Geldautomaten ebenfalls betroffen sind und letztere ohne Stromzufuhr auch nicht neu bestückt werden können.

Die instabile Stromversorgung war letztes Jahr im Juli einer der unmittelbaren Auslöser für die damaligen Proteste. Eine Wiederholung der Unruhen wird derzeit allgemein als unwahrscheinlich eingeschätzt, doch auch in diesem Jahr bleibt die Spannung auf der Insel erkennbar: In Camagüey versammelten sich im Juni dutzende Studenten nach 15 Stunden ohne Elektrizität auf den Fluren der Universität und skandierten "Stellt den Strom an!". Das Video ging viral.

Am 15. Juli titelte das oppositionelle Nachrichtenportal "Cibercuba" in Anspielung an die Ereignisse des vergangenen Jahres, dass "die Kubaner in Pinar del Río auf die Straße gehen", während einige Personen in der Nacht vor das örtliche Parteibüro zogen. Auslöser war auch hier ein Stromausfall, der sich in Folge eines Blitzschlags ereignete. Wie der lokale Parteisekretär gegenüber kubanischen Medien erklärte, habe man sofort gehandelt und sei mit den Menschen ins Gespräch gekommen.

Präsident Miguel Díaz-Canel nahm während der Parlamentssitzung Ende Juli auf diese Ereignisse Bezug und rief zur Einigkeit auf: "Ich verstehe das logische Unbehagen und die Unzufriedenheit, aber das ist ein Moment, in dem wir angesichts der Härten, die uns durch diese objektive materielle Situation auferlegt werden, geschlossen bleiben müssen". Gewalt und Vandalismus würden nur denjenigen in die Karten spielen, "die uns blockieren und die verhindern, dass wir die nötigen Mittel erwerben, um aus dieser Lage herauszukommen", so Díaz-Canel.

Vom Ernst der Lage zeugt auch eine Anweisung des Arbeitsministeriums vom 1. August, nach der bei staatlichen Arbeitsstellen das Personal auf das "unabdingbare Minimum" reduziert werden soll, um den Stromverbrauch zu senken. Hierzu kommen Maßnahmen wie Homeoffice, Teilzeit und Urlaub zum Einsatz. Als letzte Maßnahme kann sogar das Arbeitsverhältnis aufgelöst werden.

Anders als in den 1990er Jahren zählt zu den Ursachen der aktuellen Energiekrise derzeit nicht primär Mangel an Brennstoff. Vielmehr ist es der Zustand der Kraftwerke, der die Stromerzeugung behindert. Kuba erzeugt mehr als 90 Prozent der elektrischen Energie über Schwerölkraftwerke, welche noch aus sowjetischer Zeit stammen und teilweise über 40 Jahre alt sind. Aufgrund des Devisenmangels der letzten Jahre mussten die Wartungszyklen der "Térmoelectricas" gestreckt werden. 16 der 20 Kraftwerke haben zudem zuletzt nur noch absolut unerlässliche Reparaturen erfahren. Das hat zur Minderung ihrer Kapazität und einer Häufung von Havarien geführt.

Erst vor wenigen Wochen barsten nach Wartungsarbeiten mehrere Rohre der "Termoeléctrica Felton" in Holguín, was einen schweren Brand nach sich zog. Die komplexen Reparaturarbeiten der Anlage sollen laut Schätzungen von UNE rund ein Jahr in Anspruch nehmen. Von den 944 kleineren Dieselgeneratoren, die im Rahmen der "Energierevolution" zwischen 2005 und 2009 angeschafft wurden, sind aufgrund fehlender Ersatzteile aktuell noch 605 einsatzbereit. Durch die hohen Importpreise für Dieselkraftstoff sind diese aber ohnehin kein Ersatz für die Großkraftwerke.

Mittelfristig helfen sollen mehrere schwimmende Kraftwerksschiffe, welche von der Bucht von Havanna aus rund 330 Megawatt ins Netz einspeisen. Sie wurden als temporäre Verstärkung über den türkischen Anbieter "Karpowership" kontraktiert. Wenn der Sommer und damit die Zeit höchsten Stromverbrauchs auf Kuba zu Ende ist, sollen sie für den nötigen Spielraum sorgen, um viele der ausgefallenen Wartungsarbeiten nachzuholen.

"Darüber hinaus gibt es derzeit noch einige vielversprechende Verhandlungen auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien, aber all das benötigt Zeit", erklärte Díaz-Canel vor den Abgeordneten. Vor Ende des Sommers ist keine Erleichterung in Sicht. "Es ist sehr schwierig, dies von einem Volk zu verlangen, das mit Würde und Stoizismus all diesen Entbehrungen widerstanden hat: aber wir müssen so viel wie möglich sparen", schloss der Präsident seinen Bericht.