Brasilien / Militär / Politik

Brasilien: Militär muss Prüfbericht zur Präsidentschaftswahl vorlegen

19.10.2022_brasilien_stf_fordert_von_militars_bericht_zur_wahl.jpg

Das brasilianische Verteidigungsministerium hat 48 Stunden Zeit, die Prüfunterlagen der Stichprobenzählungen der Wahlurnen vom ersten Wahlgang vorzulegen.
Das brasilianische Verteidigungsministerium hat 48 Stunden Zeit, die Prüfunterlagen der Stichprobenzählungen der Wahlurnen vom ersten Wahlgang vorzulegen.

Brasília. Der Präsident des Obersten Wahlgerichts (TSE), Alexandre de Moraes, hat das Verteidigungsministerium angewiesen, die Ergebnisse der Prüfung des ersten Wahlgangs der Präsidentschaftswahlen vom 2. Oktober vorzulegen.

Wie die Onlinezeitung G1 berichtet, kam Moraes damit einer Anfrage der Partei Rede (Red de Sustentabilidad – Nachhaltigkeitsnetzwerk) nach. Diese sieht eindeutige Angriffe auf den Wahlprozess durch den Präsidenten Jair Bolsonaro, der bei der Stichwahl am 30. Oktober eine Wiederwahl anstrebt. Er hatte während einer Live-Sendung im Internet gesagt, dass nicht das TSE eine Überprüfung der Urnen im ersten Wahlgang durchgeführt habe, sondern das Verteidigungsministerium.

Nach der schriftlichen Anordnung von Moraes, der auch Bundesrichter am Obersten Gerichtshof ist, hat das Verteidigungsministerium 48 Stunden Zeit, Kopien der Prüfunterlagen vorzulegen und mitzuteilen, mit welchen Mitteln die Prüfung finanziert wurde.

G1 zufolge hat das Ministerium die Ergebnisse der Urnenprüfungen bereits Bolsonaro zugestellt, aber bisher kein konkretes Datum für die Veröffentlichung bekanntgegeben.

In der Entscheidung schreibt Moraes, es sei zu prüfen, ob das Verhalten des Verteidigungsministeriums einen Missbrauch darstellt: "Die Nachricht von der Überprüfung der Wahlurnen durch die Streitkräfte und die Übergabe des Berichts an den Kandidaten für die Wiederwahl scheint die Absicht zu demonstrieren, den vom Chef der Exekutive zum Ausdruck gebrachten Wählerwillen zu erfüllen, und kann theoretisch als Zweckentfremdung und Machtmissbrauch bezeichnet werden".

Ohne Beweise für Unregelmäßigkeiten vorgelegt zu haben, greifen Bolsonaro und seine Anhänger das Wahlsystem und die elektronischen Wahlurnen wegen "Fehleranfälligkeit" an und wiederholen Falschnachrichten, die bereits von offiziellen Stellen wiederlegt wurden.

Mit dem Versuch, das Wahlsystem zu diskreditieren und die demokratische Rechtsstaatlichkeit zu schwächen, versuche Bolsonaro unter anderem, dem Militär eine "unangemessene Funktion als 'moderierende Kraft' zuzuschreiben", so die Partei Rede. Das Verteidigungsministerium wird derzeit von Paulo Sérgio Nogueira de Oliveira geführt, der zwischen April 2021 und März 2022 Befehlshaber der Armee war.

Die Streitkräfte, die in Bolsonaros Kabinett mit mehreren Generälen vertreten sind, hatten sich entgegen der Verfahren des TSE mit einer eigenen Stichprobenzählung der elektronischen Urnen ermächtigt, über den Wahlausgang mitzuentscheiden (amerika21 berichtete). Sollte das offizielle Ergebnis von ihrer Zählung abweichen, wollen sie die Wahl beanstanden.

"Die direkte Beteiligung der Streitkräfte an der Wahl wurde (vor dem ersten Wahlgang) durch zahlreiche unbegründete Vorschläge beim Obersten Wahlgericht mit dem angeblichen Ziel instrumentalisiert, der Wahl durch eine externe Kontrolle eine größere Zuverlässigkeit zu verleihen, ohne dass eine tatsächliche Fehleranfälligkeit (des Systems) vorliegt", argumentiert die Partei Rede.

Der amtierende Präsident drohte in seiner Kampagne zuletzt, das Oberste Bundesgericht, das auch die Funktion des Verfassungsgerichts ausübt, umzugestalten. Bolsonaro und seine Verbündeten sprachen von einer Erhöhung der Zahl der Bundesrichter und von Amtsenthebungsverfahren für diejenigen, die "aus der Reihe tanzen". Ein Wahlkalkül, das von Juristen und Politikwissenschaftlern als riskant eingestuft wird, aber darauf abzielt, diejenigen anzulocken, die in dem unruhigen politischen Szenario des Landes noch mit der "Antipolitik" liebäugeln.

Mitte Oktober beschuldigte Bolsonaro Moraes, den er bereits als "Penner" und "Schwachkopf" bezeichnet hatte, zugunsten von Lulas Kandidat für die Vizepräsidentschaft, Geraldo Alckmin, zu handeln, da Moraes in seiner Regierung im Bundesstaat São Paulo Minister für öffentliche Sicherheit war.

Die Partei Rede wurde 2013 als Nachhaltigkeitsnetzwerk von der Politikerin Marina Silva gegründet. Die Politikerin, die als Lulas Umweltministerin von 2003 bis 2008 für die drastische Reduzierung der Abholzung des Regenwaldes verantwortlich war, unterstützt nun seine Kandidatur.