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Kolumbien: Ex-Oberst kündigt im Radio den Sturz Petros an

Großdemonstration von Reservist:innen gegen Regierung. Präsident warnt vor möglichem Lawfare: "Staatsstreiche werden durch die Mobilisierung der Bevölkerung widerstanden und besiegt"

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Kundgebung von Angehörigen der Streitkräfte im Ruhestand auf dem Platz Plaza de Bolívar (Screenshot)
Kundgebung von Angehörigen der Streitkräfte im Ruhestand auf dem Platz Plaza de Bolívar (Screenshot)

Bogotá. In Kolumbien wird über einen möglichen Putsch gegen die progressive Regierung von Gustavo Petro diskutiert.

Auslöser sind Äußerungen des Obersts der Armee im Ruhestand, John Marulanda, über die Absicht von Kreisen der aktiven Reserve des Militärs, den Präsidenten zu stürzen. Petro missbilligte die Aussagen Marulandas und führte sie auf rückständige Kräfte zurück, die den Wandel in Kolumbien nicht akzeptieren.

Konkret sagte Marulanda: "Ich glaube, dass Kolumbien in die Fußstapfen Perus tritt, und ich glaube, dass die Reservisten in Peru insofern erfolgreich waren, als es ihnen dort gelang, einen korrupten Präsidenten zu stürzen, während wir hier versuchen werden, unser Bestes zu geben, um einen Mann zu stürzen, der ein Guerillero war". Petro war in den achtzigern Jahren Mitglied der Guerilla M19.

Die Putschankündigung machte Marulanda gegenüber dem Radiosender La W einen Tag nach einer Demonstration von rund 5.000 Angehörigen der Reserve gegen die Regierung Petro auf der Plaza de Bolívar. Die Demonstranten riefen "Wir wollen keine Diktatur in unserem Vaterland" oder auch "Verschwinde, Guerillero, Verbrecher".

Die Mitglieder der Reserve riefen dazu auf, nicht "gleichgültig" zu sein, die Reformen der Regierung Petro könnten "die Freiheit, die Ordnung und die Grundlagen des Staates beschädigen“. Zu den prominenten Teilnehmenden gehörte der Ex-General Eduardo Zapateiro, der unter der Regierung des ultrarechten Iván Duque Oberbefehlshaber der Armee war.

All dies geschieht im Vorfeld der Regionalwahlen im Oktober. So deutete Petro, dass die Drahtzieher:innen eines möglichen Putsches "Freunde der Straflosigkeit" seien, "die Angst vor der Wahrheit haben, nicht an Wahlen denken, sondern an einen Bruch der Institutionen". Sie seien so "eingeschüchtert von der Wahrheit, dass sie verzweifeln". Für die Demonstrierenden auf der Plaza de Bolívar seien "die Korruption und der Genozid die einzige Art zu regieren", beklagte Petro bei einer Rede im Departamento Sucre. Da sie sehen würden, dass diese Regierung Ländereien "nicht an ihre Freunde und Freundinnen verteilt, sondern an die Kleinbauern, denken sie, dass sie gestürzt werden muss". Sie missachteten die Entscheidung von elf Millionen Kolumbianer:innen an den Urnen.

"Staatsstreiche werden durch die Mobilisierung der Bevölkerung widerstanden und besiegt", sagte er. Die "Mafias mit politischer Macht" sollen sich nach der Vergangenheit sehnen, wenn sie wollen. Damit meinte er die Zeiten, "in denen ein Mafioso einen Senator umarmte, während er die Liste derer aufzählte, die er am Abend umbringen lassen würde".

Petro tweetete, dass in Kolumbien nicht dasselbe passieren werde wie mit dem abgesetzten Präsidenten Pedro Castillo in Peru. Er wies jedoch darauf hin, dass die Möglichkeit eines Staatsstreichs nicht nur "die Worte eines Verrückten" seien, sondern dass es eine Verschwörung namens "aufgelöster Stahl" gebe. Er verwies dabei auf Anzeichen für Destabilisierungsversuche und sprach von dem Besuch von Funktionären bei der peruanischen Generalstaatsanwältin Patricia Benavides, die sich laut Petro an dem Putsch in Peru beteiligte. Einer dieser Funktionäre ist Francisco Barbosa, der umstrittene Generalstaatsanwalt Kolumbiens und Freund des Ex-Präsidenten Duque. Barbosa ist Gegner des Regierungsprojekts "Totaler Frieden".

Anfang Mai war es zu einer Konfrontation zwischen Barbosa und Petro gekommen. Petro verlangte Erklärungen von der Generalstaatsanwaltschaft über die mutmaßliche Duldung von 200 Morden der kriminellen Gruppe Clan del Golfo durch einen hochrangigen Staatsanwalt, der Barbosa nahestehen soll.

Laut Barbosa gefährdeten die Anschuldigungen Petros das Leben des hochrangigen Staatsanwalts und sein eigenes. Dreizehn Generalstaatsanwält:innen der Ibero-Amerikanischen Vereinigung der Staatsanwält:innen (AIAMP)  unterzeichneten einen Brief zur Unterstützung Barbosas und gegen die "Einschüchterung und unzulässige Einmischung" der Regierung Petro. Unter den Unterzeichner:innen ist auch Benavides, und ihr argentinischer Kollege Eduardo Casal, der das Lawfare gegen Ex-Präsidentin Cristina Kirchner leitet.

Laut Petro fürchteten Teile der Politik und Wirtschaft die Person, die Barbosa ab Februar nachfolgt, da der Präsident die Kandidat:innen für die Leitung der Generalstaatsanwaltschaft per Gesetz festlegt. Sie hätten Gelder für seine Strafverfolgung bereitgestellt und wollten die Streitkräfte spalten. Die Armee sei jedoch im Kampf gegen die illegale Wirtschaft geeint, so Petro.

Nach dem öffentlichen Skandal tadelte die Generalstaatsanwaltschaft Marulandas Äußerungen. Der ultrarechte Ex-Präsident Álvaro Uribe bezeichnete die Äußerungen seinerseits als "schädlich", nannte aber gleichzeitig die geplante Gesundheitsreform der Regierung einen "Putsch gegen das Gesundheitssystem" und rief zu einer Volksabstimmung über die Gesundheits-, Arbeits- und Rentenreform auf.