Havanna. Der kubanische Außenminister Bruno Rodríguez hat der Europäischen Union (EU) vorgeworfen, bei der Vorbereitung des Gipfeltreffens zwischen der EU und der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac) "intransparent und manipulativ" vorzugehen. Der dritte Gipfel der Staats- und Regierungschefs von Celac und EU wird am 17. und 18. Juli in Brüssel stattfinden, nachdem er acht Jahre lang nicht tagte.
Anlass der Kritik ist offenkundig eine Veranstaltung im Vorfeld des Gipfels, die ab heute als ein hybrides Forum abgehalten wird. Von der EU eingeladen sind die "Jugend, die Zivilgesellschaft und lokale Autoritäten" aus Lateinamerika und Europa. An der Präsenzveranstaltung nehmen nur geladene Gäste teil, für die Online-Teilnahme ist eine Registrierung auf einer Webseite der Europäischen Kommission notwendig.
Den Veranstaltern zufolge soll das Forum "Empfehlungen" für den Celac-EU-Gipfel ausarbeiten und "eine engere Zusammenarbeit zwischen nichtstaatlichen Akteuren und Jugendorganisationen aus beiden Regionen" vorbereiten.
Der kubanische Chefdiplomat warnte in einem Videobeitrag, dass die EU versuche, "restriktive, spaltende Formate durchzusetzen, die direkte und transparente Diskussionen unmöglich machen".
Dabei entscheide die europäische Seite einseitig, "wer unsere Region bei diesen Veranstaltungen vertritt", so Rodríguez. Celac umfasst alle souveränen Staaten Amerikas außer Kanada und den USA und hat eine Gesamtbevölkerung von über 550 Millionen Menschen.
Dies sei nicht nur respektlos, sondern schaffe auch die Voraussetzungen dafür, dass "diese Foren zur Bühne für Angriffe auf und Ausgrenzungen von Celac-Mitgliedsländern" würden und Vereinbarungen auf dem Gipfel gefährden würden. Die Beziehungen zwischen Celac und der EU hätten in der Vergangenheit bereits Rückschritte gemacht. Die EU gebe "Grund zur Sorge", dass der Gipfel die Gelegenheit verpasse, diese Situation zu ändern.
Die Regierung Venezuelas hat sich den Vorwürfen des kubanischen Außenministers angeschlossen. "Die bolivarische Regierung lehnt den Versuch der Europäischen Union ab, die Rolle der souveränen Staaten unserer Region herunterzuspielen". Mit der Einbindung der Zivilgesellschaft wolle die EU eine Reihe "undurchsichtiger" Parallelveranstaltungen ohne angemessene Abstimmung mit den Celac-Mitgliedern durchführen, "deren Schlussfolgerungen dazu dienen könnten, die Agenden politischer Gruppen zu nähren, die sich den Zielen dieses wichtigen Treffens widersetzen".
Die Vorsitzende der Kubanischen Vereinigung der Vereinten Nationen (ACNU), Norma Goicochea, die eine Reihe von zivilen Organisationen in Kuba vertritt, erläuterte auf einer Pressekonferenz in Havanna bestimmte, ihrer Ansicht nach ausschließende Umstände der Foren.
So wie die EU an der "sozialen Artikulation" vorbeigehe, die "auf einem integrativen Ansatz, Solidarität und sozialer Gerechtigkeit für die lateinamerikanische und karibische Region beruht“, würden in der Einladung auch bestimmte Themen gemieden. Die Foren würden sich nicht mit den Problemen befassen wollen, die sich für die Region durch die Covid-19-Pandemie und die folgende tiefe Wirtschaftskrise ergeben haben. Gleichzeitig werde eine Diskussion über die Notwendigkeit einer Reform der derzeitigen Finanzarchitektur und Wirtschaftsordnung vermieden.
Zu den ausschließenden Faktoren gehöre ebenso die Verwendung einer Plattform für Videokonferenzen, die die kubanische Bevölkerung wegen der US-Blockade nicht benutzen könne, erklärte Goicochea.
Das vorgeschlagene Format stimme nicht mit dem Beschluss überein, den die Außenminister der beiden Integrationsblöcke bei einem Treffen in Buenos Aires am 27. Oktober 2022 gefasst haben.
Aus allen diesen Gründen lehnt ACNU die Absicht ab, die Schlussfolgerungen dieses Forums auf dem offiziellen Gipfel der Staatschefs der Celac-EU zu präsentieren.
Die EU sieht sich in den letzten Monaten mit dem zunehmend selbstbewussten Auftreten lateinamerikanischer Regierungen und ihren Regionalorganisationen konfrontiert (amerika21 berichtete). Die Vorstellungen der EU über ein Freihandelsabkommen mit dem Gemeinsamen Markt des Südens (Mercosur) wurden jüngst von den großen Volkswirtschaften des Subkontinents, Argentinien und Brasilien, zurückgewiesen (amerika21 berichtete). Der Gipfel von Brüssel wird über das erzielte Einvernehmen in den künftigen Beziehungen Aufschluss geben.