Kolumbien / Politik

Kolumbien: Droht dem Präsidenten ein "Lawfare"?

Sohn von Präsident Petro gestand illegale Bereicherung. Verdacht auf Druck seitens der regierungsfeindlichen Staatsanwaltschaft. Puebla-Gruppe besorgt wegen möglicher Destabilisierung der linken Regierung

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Nicolás Petro hat gestanden, sich illegal bereichert zu haben
Nicolás Petro hat gestanden, sich illegal bereichert zu haben

Bogotá. Die lateinamerikanische Puebla-Gruppe warnt vor Bemühungen "reaktionärer Kräfte" zur Amtsenthebung des Präsidenten Gustavo Petro anlässlich der Korruptionsvorwürfe gegen seinen ältesten Sohn Nicolás Petro Burgos. Dieser hat die Anklage der Staatsanwaltschaft wegen Geldwäsche und unerlaubter Bereicherung akzeptiert.

Der 37-jährige Politiker gab zu, für sich und inoffiziell für den Wahlkampf seines Vaters Geld aus dubiosen Quellen angenommen zu haben. Er betonte jedoch, sein Vater habe davon nichts gewusst. Trotzdem fordern rechte Oppositionelle den Rücktritt des Präsidenten beziehungsweise die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen ihn.

Sie haben Klage bei der Untersuchungskommission des Abgeordnetenhauses erhoben. Die Kommission ist für Ermittlungen und Anklagen gegen hochrangige Richter:innen, den Präsidenten und den Generalstaatsanwalt zuständig.

Seit Monaten sei eine Kampagne im Gange, die jede Krise ausnutze, um die Absetzung des Präsidenten zu fordern, heißt es in dem Kommuniqué der Puebla-Gruppe. Das Bündnis progressiver Politiker:innen fordert, dass Generalstaatsanwalt Franciso Barbosa, "der seine persönliche Feindseligkeit gegenüber Präsident Petro öffentlich gemacht hat, den Fall von Nicolás Petro nicht zu einem medienwirksamen Prozess der politischen Verfolgung macht, der einer Lawfare gleichkäme".

Der Begriff beschreibt eine Art der nicht konventionellen Kriegsführung mittels Nutzung von Rechtssystemen und Institutionen, um einen Gegner zu schädigen oder zu delegitimieren.

Daysuris Vázquez, die frühere Frau von Nicolás Petro, wurde ebenfalls von der Staatsanwaltschaft wegen illegaler Bereicherung angeklagt. Sie hatte im März in einem Interview mit dem rechten Politmagazin Semana erklärt, ihr Ex-Mann habe von zwei Männern mit Verbindungen zum Drogenhandel circa eine Milliarde Pesos (rund 250.000 Euro) erhalten, um sich zu bereichern. Damals wie heute sagte sie, dass ihr Ex-Schwiegervater nichts damit zu tun habe. Laut Nicolás Petro handelt es sich jedoch um nicht mehr als 500 bis 600 Millionen Pesos.

Bei den beiden Spendern handelt es sich um Samuel Santander Lopesierra und Alfonso del Cristo Hilsaca, ersterer auch bekannt als der "Mann von Malboro", letzterer als der "Türke Hilsaca". Lopesierra saß wegen Drogenhandels in den USA im Gefängnis, Hilsaca werden Verbindungen zu Paramilitärs nachgesagt.

Bereits im März hatte Präsident Petro den Generalstaatsanwalt Barbosa aufgefordert, "alle notwendigen Ermittlungen" gegen seinen Sohn einzuleiten (amerika21 berichtete).

Tatsächlich begann die Staatsanwaltschaft sofort zu ermitteln. Drei Monate später, am 29. Juli, verhaftete sie Nicolás Petro und Vázquez. Daraufhin twitterte der Staatschef: "Als Mensch und Vater schmerzt es mich sehr, so viel Selbstzerstörung zu sehen und einen meiner Söhne im Gefängnis zu sehen; als Präsident der Republik versichere ich, dass die Staatsanwaltschaft von mir alle Garantien hat, nach dem Gesetz zu handeln".

Er werde sich nicht einmischen und "keinen Druck" auf die Entscheidungen des Generalstaatsanwalts ausüben, fuhr er fort. Er wünsche seinem Sohn "Glück und Kraft". "Mögen diese Ereignisse seinen Charakter formen und möge er über seine eigenen Fehler nachdenken."

Nachdem Nicolás Petro sich zur Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft bereit erklärt und seine unrechtmäßige Bereicherung zugegeben hatte, beantragte diese beim zuständigen Richter, dass das Ex-Paar die Untersuchungshaft zu Hause verbüßen soll. Der Richter lehnte dies wegen "dürftiger Argumentation" ab und setzte die Angeklagten auf Bewährung frei. Sie können sich nun frei bewegen, dürfen aber das Land nicht verlassen und keinen Kontakt zu den im Verfahren genannten Personen haben.

Laut dem zuständigen Staatsanwalt Mario Burgos, dem gute Beziehungen zum Regierungsgegner und Generalstaatsanwalt Barbosa nachgesagt werden, droht Nicolás Petro eine Haftstrafe von bis zu 14 Jahren. Worin die strafmildernde Kooperation zwischen Nicolás Petro und der Staatsanwaltschaft bestehen wird, bleibt abzuwarten.

Der Nachrichtensender Noticias Caracol berichtete über anonyme Quellen aus der Staatsanwaltschaft, wonach der Präsidentensohn seinen Vater belasten werde. Er werde Beweise vorlegen, dass Gustavo Petro und der Leiter der Präsidentschaftskampagne, Ricardo Roa, von nicht registrierten Wahlkampfspenden des Unternehmers Euclides Torres wussten, die möglicherweise die gesetzlich zulässige Obergrenze für Wahlkampfgelder überschritten. Dies ist seit 2017 strafbar und hätte den Rücktritt des Präsidenten zur Folge.

In dem Interview mit Semana, in dem Nicolás Petro nach seiner Freilassung auf Bewährung deutlich machte, dass weder sein Vater noch Roa von seinen Machenschaften gewusst hätten, erklärte er gleichzeitig, dass das Verhältnis zu seinem Vater aufgrund der Vorkommnisse zerrüttet sei. Er müsse in erster Linie an sein bald zur Welt kommendes Kind denken und werde nicht das Glück seiner Familie aufs Spiel setzen, um seinem Vater zu helfen.

Mitglieder der Bewegung "Menschliches Kolumbien" (Colombia Humana) prangerten indes an, dass die Staatsanwaltschaft Druck auf Nicolás ausübe, damit er seinen Vater belaste. Der Sohn des Staatschefs bestritt dies im Interview.

Vor sechs Tagen erklärte Nicolás Petro seinen Rücktritt als Abgeordneter des Lokalparlaments im Departamento Atlántico.