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Oberster Gerichtshof in Brasilien: Verurteilungen Lulas "einer der größten Justizfehler in der Geschichte des Landes"

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Brasiliens Ex-Präsident mit Anhängern am 7. April 2018, kurz vor seinem Haftantritt
Brasiliens Ex-Präsident mit Anhängern am 7. April 2018, kurz vor seinem Haftantritt

Brasília. Im Korruptionsverfahren Lava Jato um den staatlichen Ölkonzern Petrobras hat der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofs (STF), Dias Toffoli, entschieden, vermeintliche und bereits verwendete Beweise zu annullieren. Gleichzeitig äußerte er scharfe Kritik an den Beteiligten und der Durchführung der Operation – unter anderem die Inhaftierung des aktuellen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva.

Toffoli hob Beweismittel auf, die im Rahmen der Kronzeugenvereinbarung um die Bestechungssysteme des Unternehmens erlangt wurden. Sie sollen in Zukunft in keinem juristischen Verfahren mehr verwendet werden.

Er äußerte sich auch zu Lulas Inhaftierung im Jahre 2018, die im Rahmen der Lava Jato-Operation erfolgte. Dies sei "einer der größten Justizfehler in der Geschichte des Landes" gewesen. "Diese Anschuldigungen zerfallen tatsächlich Tag für Tag. Solche Absprachen und Parteilichkeiten beweisen, dass es eine echte Verschwörung gab, die darauf abzielte, einem unschuldigen Mann Verbrechen vorzuwerfen, die er nie begangen hat."

Die Lava Jato-Ermittlung habe zwar begangene Straftaten untersucht. Die Korruptionsbekämpfung sei jedoch benutzt worden, um "einen politischen Anführer parteiisch und in Absprache vor Gericht zu bringen“. Beweismittel seien gefälscht worden, so Toffoli.

Seit 2014 ermittelten die Staatsanwälte der "Task-Force Lava Jato" gegen ranghohe Politiker, Bauunternehmer und Petrobras-Funktionäre. Über Jahre hatten führende Baukonzerne Schmiergelder an Personen und Parteien gezahlt und im Gegenzug die öffentlichen und überteuerten Aufträge der Petrobras erhalten. Die politisch motivierten Lava Jato-Prozesse brachten eine Reihe von Managern und vor allem linke Politiker ins Gefängnis.

Toffoli kritisierte Verfahrensbeteiligte wie den ehemaligen Lava Jato-Richter Sergio Moro ‒ der später Justizminister des ultrarachten Präsidenten Jair Boldonaro wurde ‒ und Ex-Staatsanwalt Deltan Dallagnol und ihr Handeln. Sie hätten ordnungsgemäße Verfahrensweisen missachtet. Hierbei sei die Rede von psychologischer Folter, um angebliche Beweise gegen unschuldige Menschen zu erlangen.

Moro, aktueller Senator des Bundesstaats Paraná, äußerte sich bei X (vormals Twitter) zu den Vorwürfen. Korruption sei in den Arbeiterpartei-Regierungen unter Lula und Dilma Rousseff real gewesen, betonte er. Das Lava Jato-Verfahren sei im Rahmen der Gesetze und mit jahrelanger Bestätigung der Obersten Gerichte erfolgt.

Auch Dallagnol meldete sich auf X zu Wort. "Der größte Fehler in der Geschichte des Landes war nicht die Verurteilung Lulas, sondern die Nachsicht der STF mit der Korruption Lulas und der mehr als 400 denunzierten Politiker. Mit der Aufhebung der Verurteilung und der Vereinbarung wird die Korruption in Brasilien lohnend“, so der Ex-Staatsanwalt.

Staatsanwaltschaft und Bundespolizei (PF) sollen nun die Beteiligten des Lava Jato-Verfahrens und ihre Handlungen untersuchen. Hierbei soll ein Ermittlungsstab eingerichtet werden, um mögliche Verfehlungen von Staatsbediensteten zu prüfen und die Wiedergutmachung erlittener Schäden zu befördern.

Lula saß von April 2018 bis November 2019 in Haft in Curitiba. Angeordnet wurde die Freiheitsstrafe von Ex-Richter Moro im Rahmen von Lava Jato, einem der größten Korruptionsfälle Brasiliens der vergangenen Jahrzehnte. Nach Beschluss des STF in zweiter Instanz wurde die Festnahme Lulas aufgehoben. Im Jahr 2021 hob das Oberste Gericht in Brasilien alle Korruptionsurteile gegen Lula und weitere Verurteilungen auf, in denen es um seinen Immobilienbesitz ging.