Ecuador / Politik

"Bürgerrevolution" stärkste Kraft im Parlament von Ecuador, Volksentscheide für Naturschutz

Linke Partei braucht aber Bündnispartner für konkrete Gesetzesvorhaben. Verbot von Bergbau und Ölförderung in Naturschutzgebieten durchgesetzt

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Plenarsaal des Parlaments von Ecuador mit dem "Mural de la Patria" von Oswaldo Guayasamín
Plenarsaal des Parlaments von Ecuador mit dem "Mural de la Patria" von Oswaldo Guayasamín

Quito. Neben der Präsidentschaftswahl haben am vergangenen Sonntag in Ecuador auch die Wahlen zur Nationalversammlung stattgefunden.

Das 137 Abgeordnete zählende Parlament wurde nach dem "Kreuztod" (muerte cruzada) von Noch-Präsident Guillermo Lasso vollständig neu gewählt. Am Dienstag stand das Ergebnis in 21 von 23 Provinzen fest. In den verbliebenen Gemeinden Pastaza und Morona Santiago wurden 90 Prozent der Stimmen ausgezählt. Somit stehen die künftigen Parlamentarier so gut wie fest, auch wenn es noch zu kleineren Veränderungen kommen kann.

Demnach wird die Bürgerrevolution (Revolución Ciudadana, RC) um Ex-Präsident Rafael Correa mit 51 Mandaten stärkste Kraft. Ihre Kandidatin Luisa González hatte die erste Runde der Präsidentschaftswahlen mit einem Abstand von mehr als zehn Prozent für sich entschieden.

Im Vergleich zur letzten Wahl 2021 kann RC damit zwei Sitze hinzugewinnen. Von der absoluten Mehrheit von 71 Sitzen ist die Partei aber weit entfernt, sodass es Bündnispartner für konkrete Gesetzesvorhaben braucht.

Zweitstärkste Fraktion wurde das liberal-konservative Bündnis Construye (Aufbau) des kurz vor der Wahl ermordeten Fernando Villavicencio mit voraussichtlich 30 Abgeordneten. Ihr folgt die christlich-soziale Partei mit aktuell 17 Mandaten sowie das Bündnis Nationaldemokratische Aktion (Acción Democrática Nacional). Deren Spitzenkandidat, der 35-jährige Unternehmer und Erbe eines Bananenimperiums, Daniel Noboa, wird gegen Gonzáles am 15. Oktober in der Stichwahl für die Präsidentschaft antreten.

Am Wahltag wurden auch zwei Volksentscheide durchgeführt. Landesweit konnten die Bürger abstimmen, ob im Nationalpark Yasuní die weitere Ölförderung verboten wird. 59 Prozent der Wähler stimmten dafür. Es ist der späte Sieg einer Initiative, die sich seit knapp zehn Jahren für den Naturschutz im Bioreservat innerhalb des Amazonasgebietes einsetzt.

Im Jahr 2007 unter Präsident Correa hatte Ecuador der internationalen Staatengemeinschaft vorgeschlagen, die circa 850 Millionen Barrel Öl nicht zu fördern und so den internationalen Klimaschutz zu stärken. Im Gegenzug sollte das südamerikanische Land finanzielle Kompensation erhalten.

Sechs Jahre später, nachdem klar war, dass keine ausreichende Kompensation erfolgen würde, begann man mit der Extraktion. Umso glücklicher zeigte sich die Kampagne nach Bekanntgabe des Ergebnisses. Auf dem Twitter-Nachfolger X bezeichnete sie die Abstimmung als "historischen Sieg für Ecuador und den Planeten."

Der Nationalpark gilt als eines der artenreichsten Gebiete der Welt. Nach Schätzungen des Umweltministeriums beherbergt jeder Hektar des Reservats rund 650 Baumarten sowie Hunderte von Säugetieren, Vögeln, Reptilien und Fischen.

In einer zweiten Abstimmung waren die Einwohner von Quito aufgerufen, über das Biosphärenreservat Chocó Andino abzustimmen. Das 40 Kilometer vom Stadtzentrum der Hauptstadt gelegene Waldgebiet verfügt über mehrere Mineralvorkommen, unter anderem Gold und Kupfer. Die Bürgerbewegung "Quito ohne Bergbau" wollte ein Verbot des Abbaus erreichen. Auch sie setzte sich deutlich mit 67 Prozent durch. Das Ergebnis ist allerdings nur für zukünftige Aufträge bindend. Bereits erteilte Konzessionen sind nicht betroffen.

Indes geht der Wahlkampf um die Stichwahl für das Präsidentenamt weiter. Wie diese ausgehen wird, ist völlig offen.

Trotz des deutlichen Vorsprungs ist ein Sieg González‘ keinesfalls sicher. In einem ähnlichen Szenario 2021 erhielt RC-Kandidat Andrés Arauz, heutiger Vizepräsidentenkandidat neben González, fast doppelt so viele Stimmen wie Lasso. In der Stichwahl unterlag er dennoch mit mehr als 400.000 Stimmen (amerika21 berichtete).

Fest steht zumindest eins: es wird in jedem Fall ein historisches Ergebnis sein. Entweder wird Ecuador erstmals eine Frau zur Präsidentin wählen oder das Andenland bekommt den jüngsten Staatschef seiner Geschichte.