Petro zu Demos in Kolumbien: "Mobilisierte Gesellschaft verhindert Sturz der Regierung"

Präsident fordert Eliten zu "nationalem Abkommen" für Sozialreformen auf. Aufruf zur Organisierung der Bevölkerung. Medienhetze gegen indigene Proteste

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Aktivistin: "Heute ist das Volk auf die Straße gegangen, um diese Regierung zu unterstützen, weil sie die Reformen des Wandels durchführt"
Aktivistin: "Heute ist das Volk auf die Straße gegangen, um diese Regierung zu unterstützen, weil sie die Reformen des Wandels durchführt"

Bogotá. Landesweite Großdemonstrationen haben der progressiven Regierung von Gustavo Petro in ihrem Kampf gegen die reformfeindliche Opposition den Rücken gestärkt. Die Strategie der Regierung zur Durchsetzung der Sozialreformen sei die Mobilisierung der Gesellschaft, sagte Präsident Petro vor tausenden Menschen in Bogotá. "Wenn wir eine mobilisierte Bevölkerung haben, wird die Regierung nicht gestürzt" und der Weg für Reformen werde geebnet.

Auf die Straßen gingen Organisationen von Frauen, Indigenen, Kleinbäuer:innen, Agrokolumbianer:innen, Studierenden, Bewohner:innen der armen Viertel sowie Gewerkschaften. Nach Regierungsangaben demonstrierten sie in 100 Städten, Kleinstädten und Gemeinden für die Reformpolitik. Die Zahlen der Teilnehmer:innen schwanken je nach Quelle zwischen 60.000 und 200.000.

Ziel der Mobilisierung war, Druck auf die traditionellen Parteien auszuüben, die im Kongress die Verabschiedung der Sozialreformen behindern oder verzögern. Petro rief "die Oligarchie", jene, "die das Land traditionell regiert haben", "die wirtschaftliche Macht haben" und "manchmal mächtiger als der Präsident selbst sind", zu einem "nationalen Abkommen" über soziale Gerechtigkeit auf.

"Ich bin sicher, dass wir Gewalt haben, weil wir zutiefst ungleich sind", sagte Petro. Er erinnerte daran, dass Kolumbien das Land mit der viertgrößten sozialen Ungleichheit der Welt ist. Die Reformen zielten nun auf soziale Gerechtigkeit ab.

Die Gesundheitsreform solle garantieren, dass die medizinische Versorgung "alle Ecken Kolumbiens" erreiche und nicht nur den reichen Norden Bogotás. Bildung solle ein Recht und kein Privileg sein. Dazu müsse das Bildungssystem reformiert werden.

Die Rentenreform sieht unter anderem eine Sonderrente für Menschen vor, die heute nicht dem Rentensystem angehören. Die Arbeitsreform strebt menschenwürdige Arbeitszeiten und angemessene Freizeit an.

Die Landreform soll die Konzentration von produktivem Land in den Händen von nur 3.000 Personen ändern. Heute verteilt die Regierung Land in einer Größenordnung von 20 bis 30.000 Hektar. Das sei zu wenig, betonte Petro. Mit einem "nationalen Abkommen" könnte die Landverteilung auf 600.000 bis eine Million Hektar steigen. Das wäre wichtig, um die Nahrungsmittelproduktion anzukurbeln.

Petro kündigte auch eine weitere Reform an: die der Wasser-, Strom- und Gasversorgung. Ziel ist es, diese auf Gebiete auszudehnen, die heute weder Wasser noch Strom haben. Außerdem sollen die Nutzer:innen mehr Mitspracherecht bei der Versorgungspolitik bekommen.

Als "historisch" bezeichnete der Präsident die Fortschritte bei den Friedensgesprächen mit der ELN-Guerilla. Erstmals habe sie einem bilateralen Waffenstillstand mit der Regierung zugestimmt. Der Friedensdialog bedeute aber nicht nur, "mit ein paar Leuten mit Gewehren zu sprechen, die in den Bergen herumlaufen". Der Dialog müsse mit allen Teilen der Gesellschaft geführt werden, um das "nationale Abkommen" zu erreichen.

Dabei spiele die "Wahrheit" über die Geschichte der Gewalt in Kolumbien eine zentrale Rolle. Es sei wichtig herauszufinden, wer für den "Horror", den das Land erlebt habe, verantwortlich sei. Es gehe nicht um Rache, sondern darum, dass sich das Schreckliche nicht wiederhole, es gehe um Versöhnung.

Wahrheit und Mobilisierung seien die beiden Strategien, um "diejenigen, die immer an der Macht waren, zum Dialog mit der Bevölkerung zu bringen".

Petro rief dazu auf, "sich in Kooperativen zu organisieren, in der Bürgervertretung der ländlichen Bezirke, in jedem Stadtviertel, in Jugendverbänden". "Wir wollen eine organisierte Bevölkerung", sagte er. Gleichzeitig lud er "Ex-Präsidenten, all die reichsten Männer, all die politischen Parteien" zum Dialog ein.

Rund 20.000 Indigene waren nach Bogotá gereist, um die Demonstrationen zu unterstützen. In Teilen der Medien wurden sie mit rassistischen Kommentaren angegriffen. Sie bezeichneten sie als "Schafsköpfe", die von der Regierung gekauft worden seien, um zu demonstrieren.

"Heute ist das gesamte kolumbianische Volk auf die Straße gegangen, um diese Regierung zu unterstützen. Nicht, wie die hegemonialen Medien sagen, weil sie uns bezahlen und uns zwingen. Nein, es ist, weil diese Regierung die Reformen des Wandels durchführt. Wir fordern, dass der Kongress die Reformen des Wandels verabschiedet", sagte ein Aktivist gegenüber dem Nachrichtenportal Colombia Informa.