Venezuela / Politik

Rückzug und Gerüchte: Venezuela vor der Kandidatenkür der Opposition

Bekannter Oppositionspolitiker zieht Kandidatur zurück. Berichte über Verhandlungen der Regierung Maduro mit den USA und neue Gespräche mit Opposition

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Capriles bei einer Wahlkampfveranstaltung von Primero Justicia im August. Jetzt hat er seine Kandidatur zurückgezogen
Capriles bei einer Wahlkampfveranstaltung von Primero Justicia im August. Jetzt hat er seine Kandidatur zurückgezogen

Caracas. Der Kandidat der Partei Gerechtigkeit zuerst (Primero Justicia), Henrique Capriles Radonski, hat bekannt gegeben, dass er sich von den für den 22. Oktober angesetzten Vorwahlen des rechten Bündnisses Plataforma Unitaria (Einheitliche Plattform) zurückzieht.

Capriles war bereits zweimal als Präsidentschaftskandidat angetreten, unterlag aber Hugo Chávez (2012) und Nicolás Maduro (2013). Mit dem Vorwurf illegitimer Verwaltungsaktivitäten in seiner Zeit als Gouverneur des Bundesstaates Miranda untersagten Venezuelas Rechnungsprüfer 2017 dem damaligen Oppositionsführer, weiter für öffentliche Ämter zu kandidieren.

Am Sonntag verkündete er in den sozialen Netzwerken seine Entscheidung, nicht an den internen Vorwahlen teilzunehmen. Das "Land verlangt Ehrlichkeit und Transparenz", deshalb habe er beschlossen, seine Kandidatur der Basis zur Verfügung zu stellen, die ihn in seiner Partei gewählt habe. Unter Hinweis auf das gegen ihn verhängte Verbot, erklärte er, dass es notwendig sei, "eine Option zu ermöglichen, die sich auch verwirklichen lässt".

Bei einer Pressekonferenz am Dienstag führte Capriles weiter aus: "Ich denke, ich muss für jemand anderen Platz machen, weil ich eindeutig disqualifiziert bin". Die Ausschlüsse von Kandidaten seien seiner Auffassung nach zwar illegal und gegen die Verfassung, es gebe aber derzeit nur zwei Möglichkeiten: "Entweder wir setzen uns mit diesen Regeln auseinander und meistern die Herausforderung, die sie uns auferlegen, oder wir sitzen einfach mit verschränkten Armen zu Hause".

Seine Partei gab inzwischen bekannt, sie werde weder einen neuen Kandidaten für die Vorwahlen aufstellen, noch einen anderen Kandidaten unterstützen.

Ebenfalls Anfang der Woche wurde über eine mögliche Wiederaufnahme der Gespräche zwischen der Regierung Maduro und der Opposition sowie über "Fortschritte" bei Verhandlungen mit den USA berichtet. Laut der Zeitung El Nacional hat ein US-Sprecher am Dienstag die Bereitschaft seiner Regierung bekräftigt, "als Reaktion auf konkrete demokratische Reformen und die Schaffung von Bedingungen für freie und faire Wahlen im Jahr 2024 Änderungen der Sanktionen in Betracht zu ziehen".

Delegierte der Regierung und der Einheitlichen Plattform sollen indes wieder "Kontakte" aufgenommen haben, um ihre Gespräche offiziell fortzusetzen. Diese liegen seit November 2022 auf Eis. Von beiden Seiten gebe es "Annäherungen" zu ihrer Reaktivierung, zitiert die französische Nachrichtenagentur AFP eine namentlich nicht genannte Quelle.

Das Nachrichten- und Medienunternehmen Bloomberg berichtet über Gespräche zwischen den Regierungen Venezuelas und der USA, in denen es um die Lockerung von Sanktionen gehen soll. Laut Bloomberg sei man einer Einigung nahe, sobald "Caracas Maßnahmen ankündigt, um die Wahlen demokratischer durchzuführen". Zu diesen Maßnahmen gehören demnach die Rücknahme der Ausschlüsse von Kandidaten der Opposition, etwa der ultrarechten Politikerin María Corina Machado, und die Zulassung einer internationalen Wahlbeobachtung. Würde dies erfüllt, seien die USA bereit, Sanktionen gegen die Zentralbank und Entwicklungsbank Venezuelas zu lockern. Man erwarte, dass Regierung und Opposition zu einer Übereinkunft bezüglich der Wahlen 2024 kämen. Dies solle noch vor den internen Wahlen am 22. Oktober geschehen, zitiert Bloomberg nicht genannte Quellen.

Machado, die laut Umfragen als Favoritin der Vorwahlen gilt, führte ab Januar 2014 gemeinsam mit Leopoldo López und António Ledezma die Kampagne "La Salida" zum gewaltsamen Sturz der Regierung Maduro an. Im Zuge dessen kam es in Venezuela zu teilweise sehr gewalttätigen Protesten und Ausschreitungen.

Sie war auch eine Unterstützerin der sogenannten "Übergangsregierung" von Juan Guaidó, die im Rahmen der von den USA angeführten Bemühungen eines "Regime change" die Präsidentschaft an sich reißen wollte. Guaidó, der sich im Januar 2019 selbst zum "Interimspräsidenten" erklärt hatte, ist derzeit flüchtig und soll sich in den USA aufhalten.

Vergangene Woche erließ der Generalstaatsanwalt von Venezuela, Tarek William Saab, Haftbefehl gegen Guaidó und beantragte bei Interpol eine "Red Notice". Dadurch kann nach ihm international gefahndet und er zum Zweck einer späteren Auslieferung festgenommen werden. Ihm werden Hochverrat, Amtsanmaßung, Unterschlagung oder Veruntreuung öffentlicher Gelder oder Vermögenswerte, Geldwäsche und Verschwörung vorgeworfen (amerika21 berichtete).

Ledezma erklärte kürzlich gegenüber US-Journalisten, die einzige Möglichkeit, Machados Präsidentschaftskandidatur voranzutreiben, bestehe darin, "zivilen Ungehorsam zu leisten". Laut Ledezma, der 2017 auf nicht geklärte Weise aus einem Hausarrest wegen Verschwörung zum Putsch entkam und in Spanien im Exil lebt, "spricht Machados Gefolge mit dem Militär", um ihre Zulassung zur Wahl zu erreichen. Seiner Meinung nach sei dies "keine Verschwörung", sondern "normal" und "natürlich".

Unterdessen setzt Machado, die von Chavisten als "wahrscheinlich faschistischste Figur in der venezolanischen Politik" bezeichnet wird und auch in Oppositionskreisen aufgrund ihrer extremen Positionen sehr umstritten ist, die Kampagne für die Vorwahlen unbeirrt fort. Am Mittwoch stellte sie ihren "Regierungsplan Venezuela ‒ Land der Gnade" und ihr Mitarbeiterteam im Fall des Wahlsieges vor. Sie hob dabei ihr Vorhaben der Privatisierung der staatlichen Ölgesellschaft PDVSA sowie der Gasindustrie des Landes hervor.

Auf Fragen der anwesenden Journalisten nach ihrem Ausschluss von Wahlen für politische Ämter und dem Rückzug von Capriles, erklärte sie, sie lasse sich "nicht unter Druck setzen" und bekräftigte ihr Wahlkampf-Motto, "bis zum Ende" zu gehen. Sie betonte zudem, dass weder sie noch ihre Partei Vente Venezuela an den Verhandlungen, die die Oppositionsplattform mit der Regierung Maduro führt, teilgenommen hätten oder teilnehmen würden.