In Venezuela heißt es seit den späten 80er Jahren jedes Mal, wenn uns jemand durch Monotonie oder Wiederholungen auf die Nerven geht: "Mehr davon, Abigail?"
Abigail war eine venezolanische Fernsehserie voller lächerlicher Dramen. Sie lief über 257 einstündige Kapitel und hatte es am Ende geschafft, ein ganzes Land zu nerven.
Das letzte Mal, als ich diesen Ausdruck hörte, war von einem Nachbarn, der den venezolanischen Oppositionspolitiker Antonio Ledezma mit den Worten hörte, dass die einzige Möglichkeit, die Präsidentschaftskandidatur von María Corina Machado voranzutreiben, darin bestehe, "zivilen Ungehorsam zu leisten".
Ledezma, der 2017 auf mysteriöse Weise einem Hausarrest wegen Verschwörung zum Putsch entkam und in Spanien im Exil lebt, erklärte, es sei "normal" und "natürlich", dass María Corina, die derzeit ein 15-jähriges Verbot der Ausübung öffentlicher Ämter verbüßt, mit Militärs in Kontakt stehe, um ihre Pläne für 2024 zu verwirklichen.
In der Zwischenzeit führt Machado, die wahrscheinlich faschistischste Figur in der venezolanischen Politik, ihre Kampagne für die von den USA unterstützten Vorwahlen der Opposition fort. Ihr wichtigster Vorschlag ist es, "Tausende von Investitionen" durch die "Privatisierung staatlicher Unternehmen, einschließlich der (staatlichen Ölgesellschaft) PDVSA", anzuziehen.
Der Ölexperte Evanan Romero, einer ihrer Wirtschaftsberater, erklärte, dass es "eine Reihe von restriktiven Gesetzen gibt, die geändert oder abgeschafft werden müssen", und dass die ultrarechte Fraktion dafür bei den Parlamentswahlen 2025 eine "ideologisch ausgerichtete Legislative" gewinnen müsste.
Eine dieser "Restriktionen" ist natürlich die venezolanische Verfassung, die eindeutig festlegt, dass sich der Staat "aus Gründen der nationalen Notwendigkeit die Erdölindustrie selbst vorbehält" und dass er "alle Anteile an Petroleos de Venezuela, S.A. oder dem zur Verwaltung der Erdölindustrie geschaffenen Organ" behalten soll. Kein Wunder, dass die Opposition die Verfassung während des kurzzeitigen Staatsstreichs von 2002 schnell außer Kraft setzte!
María Corinas radikale Haltung hat einmal mehr die Brüche in den Reihen der Opposition offengelegt. Sogar andere regierungskritische Kandidaten finden sie zu extremistisch. Das ist etwa der Fall bei Henrique Capriles Radonski (der bei den Wahlen 2012 und 2013 unterlag), der sagte, der Vorschlag sei lächerlich und der Ölreichtum müsse allen Venezolanern gehören.
Dennoch haben weder Machado noch Capriles oder ein anderer Oppositionsführer das geringste Interesse daran gezeigt, Verantwortung für den drohenden Verlust des Reichtums zu übernehmen, der durch den gerichtlich angeordneten Verkauf der Aktien von Citgo droht, der in den USA ansässigen PDVSA-Tochter. Das Unternehmen ist unter Kontrolle der Opposition - dank der US-Regierung, die das von der Opposition dominierte Parlament, dessen Amtszeit Anfang 2021 ausgelaufen ist, weiterhin "anerkennt".
Tatsächlich hat der von der Opposition eingesetzte Citgo-Vorstand vor einigen Tagen den Obersten Gerichtshof der USA gebeten, einzuschreiten und den Prozess zu stoppen. Zugleich stellte er jedoch klar, dass die Regierung von Nicolás Maduro "keinerlei Befugnis hat, PDVSA zu kontrollieren".
Niemand ist bereit, öffentlich zuzugeben, dass es eben gerade der von der venezolanischen Opposition inszenierte Zirkus einer "Parallelregierung" unter Führung von Juan Guaidó war, der dazu geführt hat, dass das venezolanische Volk auch schon vor dem drohenden Untergang von Citgo Milliarden US-Dollar aus seinen Vermögenswerten im Ausland verloren hat. Und nicht nur das: Nur sehr wenige Oppositionelle sind bereit, das schrecklichen Leid anzuerkennen, das die US-Wirtschaftsblockade verursacht hat.
Sie erkennen den weit verbreiteten Schaden nicht an und regen sich auf, wenn andere es tun. Ein Paradebeispiel gab es in den letzten Wochen. Eine selbsternannte "Weltweite venezolanische Bürgerbewegung" schrieb einen Brief, in dem sie einen Leitartikel der New York Times mit dem Titel "Die Risiken eines der schärfsten Werkzeuge in Amerikas außenpolitischem Arsenal" zurückwies. Selbst der kultige Vertreter des US-Medienestablishments muss den Schaden eingestehen, den die Sanktionen uns zugefügt haben.
Die Antwort verteidigt die US-Sanktionen, denn "trotz einiger Kollateralschäden zielen sie vor allem auf Beamte ab, die für Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Angriffe auf die Demokratie verantwortlich sind."
Bei diesen "Kollateralschäden" handelt es sich um mehr als 100.000 Venezolaner, die infolge der Blockade gestorben sind, viele davon, weil sie nicht rechtzeitig Medikamente oder medizinische Behandlung erhalten konnten. Hinzu kommen 80.000 HIV-Patienten, die keinen Zugang zu antiretroviraler Behandlung hatten und zahlreiche andere, die an Krebs, Diabetes und anderen chronischen Beschwerden erkrankt sind. Wenn man dieses Leiden auf so kaltschnäuzige Art erwähnt, zeigt das, dass der Elitarismus der Opposition so stark ist wie vor 25 Jahren.
Erwähnenswert ist auch, dass der Anführer dieser "Bürgerbewegung" Humberto Calderón Berti ist, ein ehemaliger Ölminister, der unter Guaidó als "Botschafter" in Kolumbien diente. Später ging er und zeigte mit dem Finger auf die Entourage des ehemaligen "Interimspräsidenten", die mit Geldern, die für humanitäre Hilfe bestimmt waren, Prostituierte und Alkohol bezahlten. Sicherlich war das auch ein "Kollateralschaden"...
Leider sind diese "Abigails" weder Teil eines absurden Seifenoper-Drehbuchs (auch wenn es so aussehen mag) noch verschwinden sie, sobald wir den Fernseher ausschalten (auch wenn wir uns das wünschen würden). Im Gegenteil, sie sind real und gefährlich und niemand weiß, wie viele Folgen in der venezolanischen Politik noch zu erwarten sind. Die Unterstützung der USA sichert uns ein paar weitere Staffeln zu.
Übrigens würde der Spruch "Mehr davon, Abigail?" auch perfekt auf unsere ungewöhnliche Generalstaatsanwaltschaft passen, die nur Haftbefehle für diejenigen ausstellt, die bereits geflohen sind, Auslieferungsanträge stellt, denen sie nicht nachgeht und dutzendweise "Ermittlungen" gegen erklärte Verräter einleitet, ohne sie jemals anzuklagen. Der Kampf geht weiter...
Jessica Dos Santos aus Venezuela ist Universitätsdozentin, Journalistin und Schriftstellerin