Nach Teilerfolg der Proteste gegen den Bergbau in Panama geht der Aufstand weiter

Parlament stoppt den Bergbau auf Druck der Straße. Umstrittener Vertrag mit kanadischem Bergbaukonzern bleibt trotzdem bestehen. Vier Tote bei den Protesten

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"Es ist wichtig, dass das Volk weiterhin auf die Straßen geht, bis wir das Gesetz 406 gekippt haben", sagt Saúl Méndez, Generalsekretär der Baugewerkschaft Suntracs
"Es ist wichtig, dass das Volk weiterhin auf die Straßen geht, bis wir das Gesetz 406 gekippt haben", sagt Saúl Méndez, Generalsekretär der Baugewerkschaft Suntracs

Panama-Stadt. Die Massenproteste in Panama reißen nicht ab. Verschiedene Medien sprechen von den größten Protesten, die das mittelamerikanische Land in den letzten Jahrzehnten erlebt hat.

Auslöser war das in Windeseile durch das Parlament gepeitschte Gesetz 406 (amerika21 berichtete). Dieses erteilt dem Bergbauunternehmen Minera Panamá, einer Tochtergesellschaft des kanadischen Konzerns First Quantum Minerals, für weitere 20 Jahre die Abbaurechte im größten Kupfertagebau Zentralamerikas. Doch die Forderungen der Protestbewegung haben sich mittlerweile auf ein generelles Ende des Bergbaus ausgeweitet.

Umweltorganisationen, Gewerkschaften und Indigene warnen vor Umweltverschmutzung und Risiken für die Biodiversität und kritisieren einen "Ausverkauf des Vaterlandes". Die Regierung von Präsident Laurentino Cortizo verteidigt das Gesetz 406, weil die Mine Cobre Panamá fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes des Landes ausmacht und fast 10.000 Menschen beschäftigt.

Laut einem Bericht des Mutterkonzerns erzeugte Minera Panamá in den ersten neun Monaten des Jahres 2023 über zwei Milliarden US-Dollar Gewinn, fast die Hälfte ihrer weltweiten Einnahmen, zahlte auf diesen Gewinn jedoch keinerlei Steuern. Das Bergwerk Cobre Panamá liefert 1,5 Prozent der weltweiten Kupferproduktion.

Als Reaktion auf die nicht abreißenden Demonstrationen und Straßenblockaden erklärte Cortizo Ende Oktober, er werde die Wahlbehörde mit der Durchführung einer Volksbefragung zum Bergbau beauftragen. Diese solle am 17. Dezember stattfinden und werde "den Willen des Volkes legitimieren", das Ergebnis "wird bindend sein, das Volk ist der Souverän".

Unter dem anhaltenden Druck der Protestbewegung hat die Nationalversammlung am 3. November die unbefristete Aussetzung des Metallbergbaus beschlossen. Das neue Gesetz 407 stoppt alle laufenden Prozesse zur Vergabe neuer Konzessionen. Außerdem sieht es die Aussetzung von 13 der 15 bestehenden Konzessionen vor. Die von Minera Panamá ist davon jedoch nicht betroffen.

Umweltverbände begrüßen den "wichtigen Schritt" als Resultat der erfolgreichen Kämpfe. "Panama ist mehr wert ohne Bergbau", ein Zusammenschluss von 40 Umweltorganisationen, gratulierte in den sozialen Medien: "Herzlichen Glückwunsch Panama!" Die Umweltorganisationen hoffen nun darauf, dass der Oberste Gerichtshof die Konzessionen für Minera Panamá für verfassungswidrig erklärt. Denn zum 10. November lagen dem Gericht fünf Verfassungsklagen vor.

Ein Flügel der Protestbewegung mobilisiert unterdessen weiter gegen das Abkommen mit First Quantum, das unabhängig vom Gesetz 407 immer noch besteht. Saúl Méndez, der Generalsekretär der Baugewerkschaft Suntracs, erklärte: "Es ist wichtig, dass das Volk weiterhin auf die Straßen geht, bis wir das Gesetz 406 gekippt haben."

Die Lehrer:innen- und Dozent:innengewerkschaften gehören zu diesem Flügel. Sie haben angekündigt, ihren Generalstreik erst zu beenden, wenn der Vertrag mit Minera Panamá aufgekündigt wurde. Das Bildungsministerium rief am 7. November dazu auf, unverzüglich wieder den Lehrbetrieb aufzunehmen. Doch laut Bildungsministerin Maruja Gorday wurde am Folgetag nur in 30 Prozent der öffentlichen Bildungseinrichtungen regulär unterrichtet.

Für internationale Empörung hat der Mord an zwei Demonstrierenden gesorgt. Ein 77-Jähriger hat am vergangenen Dienstag auf der Panamericana-Fernstraße in der Nähe von Charme vor laufenden Kameras zwei Protestierende erschossen. Behörden haben bestätigt, dass zuvor zwei Menschen bei Demonstrationen von Autos überfahren wurden. Damit sind seit ihrem Beginn vier Menschen im Zuge der Proteste getötet worden.

Außerdem kommt es täglich zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und der Polizei, die versucht, Proteste aufzulösen. Die Polizei bestätigte 900 Festnahmen während der ersten zehn Tage der Proteste. Die Ombudsstelle spricht von vier Personen, die nach Auseinandersetzungen ihr Augenlicht verloren haben.

Aufgrund der Proteste und Straßenblockaden sind in weiten Teilen des Landes die Lieferketten zusammengebrochen. Der Aktienkurs von First Quantum ist innerhalb einer Woche um 50 Prozent eingebrochen.

Unterdessen hat Präsident Corizo am 9. November Vertreter:innen der Privatwirtschaft getroffen. Diese forderten Cortizo dazu auf, "das Recht, den Schutz des Eigentums und den sozialen Frieden" zu gewährleisten. "Wir rufen dazu auf, die Straßen zu öffnen, die Gewalteskalation zu beenden und zu verhindern, dass untergeordnete Interessen unsere bürgerschaftliche Übereinkunft beeinflussen", erklärte Rubén Castillo Gil, der Vorsitzende des Unternehmerverbandes Conep.

Panama galt lange Zeit als neoliberales und friedliches Musterland in Lateinamerika. Doch bereits 2022 gab es dort langanhaltende Massenproteste. Diese richteten sich zunächst gegen die massiven Preissteigerungen im Land. Doch bald rückte das von vielen Protestierenden als oligarchisch angesehene neoliberale Wirtschaftsmodell ins Zentrum der Proteste.

Nach Ansicht des Soziologen Enoch Adame erlebt Panama derzeit einen entscheidenden Moment seiner Geschichte: "Wir stehen an einem Wendepunkt. Das Ansehen der politischen Klasse ist so niedrig wie nie zuvor. Es ist ein Labyrinth, das durch die Gier bei der Ausbeutung natürlicher Ressourcen entstanden ist."