Peru / Menschenrechte

2023: Ein schwarzes Jahr für die Pressefreiheit in Peru

Überwachung von Journalisten durch Staatsanwaltschaft. Ausspionieren von Journalisten als Merkmal von Diktaturen angeprangert. Versuchte Mordanschläge und Angriffe auch von Rechtsradikalen

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Fast täglich zählte der ANP im Jahr 2023 Angriffe auf die Pressefreiheit
Fast täglich zählte der ANP im Jahr 2023 Angriffe auf die Pressefreiheit

Lima. Mit 352 Angriffen auf die Pressefreiheit zieht der peruanische Journalistenverband Asociación Nacional de Periodistas (ANP) eine negative Bilanz für das vergangene Jahr 2023. Er zählt damit den höchsten Wert im 21. Jahrhundert.

Versinnbildlicht wird die Situation durch einen Fall um die Überwachung zweier Journalisten durch die Staatsanwaltschaft, der erst Ende des Jahres an die Öffentlichkeit gelangte.

Ein Jahr nach der Absetzung und Inhaftierung von Linkspräsident Pedro Castillo und der Übernahme der Amtsgeschäfte durch Vize-Präsidentin Dina Boluarte ist es um die Pressefreiheit im Land schlecht bestellt: Fast täglich zählte die ANP Angriffe auf die Pressefreiheit.

Nun wurde ein weiterer, besonders brisanter Fall bekannt: Über sechs Monate lang hatte ein Ermittlungsteam den Gerichtsreporter und Redakteur der renommierten Tageszeitung La República, César Romero, sowie den Geschäftsführer des unabhängigen Nachrichtenportals Sudaca.pe, Juan Carlos Tarfur, systematisch observiert. Von April bis November wurden sowohl ihre Privatwohnsitze als auch ihre Arbeitsplätze videoüberwacht. Ihre Bewegungen und Kontakte wurden protokolliert.

Die verdeckten Ermittlungen hatte der Staatsanwalt zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, Andy Rodríguez, eingeleitet. Unter dem Deckmantel von Ermittlungen gegen ein Bestechungsnetzwerk von Richtern und Staatsanwälten im Fall "Weiße Kragen" (cuellos blancos) ließ Rodríguez die Journalisten überwachen.

Diese wiederum sehen in der Überwachung einen Versuch, sie "einzuschüchtern und ihre Stimmen zum Schweigen zu bringen", wie Romero kommentiert. Beide Journalisten hatten kritisch über die Ex-Generalstaatsanwältin Patricia Benavides berichtet. Sie veröffentlichten unter anderem Artikel über Plagiatsvorwürfe gegen ihre Magisterarbeit sowie über die von ihr veranlasste Auflösung der Sonderstaatsanwaltschaft für Menschenrechte. Besonders schwer wogen jedoch die Berichte von Romero und Tafur über die mutmaßliche Verwicklung von Benavides selbst in den "Weiße Kragen"-Skandal.

Erst Ende November, als Staatsanwalt Cristhian Alfaro Cáceres nach einem Personalwechsel die Ermittlungen gegen Romero und Tarfur einstellte, erfuhren diese von ihrer Überwachung. Nach Weihnachten veröffentlichte Romero die Geschichte in La República. Generalstaatsanwältin Benavides war derweil Anfang Dezember nach Antikorruptionsermittlungen gegen sie und dem inoffiziellen Ende ihrer Allianz mit der Regierung Boluarte für sechs Monate suspendiert worden (amerika21 berichtete).

Zuliana Lainez, Vorsitzende des Journalistenverbands ANP, zeigte sich empört über diesen Fall: "Das Ausspionieren von Journalisten ist ein Merkmal von Diktaturen". Romero selbst vermutet, es sei der Staatsanwaltschaft unter Benavides darum gegangen, seine Quellen zu den Korruptionsermittlungen herauszufinden.

Der Fall rief sogar die Aufmerksamkeit der Interamerikanischen Pressegesellschaft (SIP) auf sich. "Ein solches Vorgehen gefährdet die Arbeit der Medien und kompromittiert ihre Informationsquellen", sagte SIP-Präsident Roberto Rock.

Der zuständige Staatsanwalt Andy Rodríguez wurde inzwischen auf öffentlichen Druck hin nach Arequipa versetzt.

Fälle wie dieser, aber auch weitere besorgen ANP-Leiterin Lainez. Im Interview mit dem unabhängigen Nachrichtenmagazin La Encerrona prangerte sie insbesondere zwei versuchte Mordanschläge auf Journalisten im Jahr 2023 an. So etwas habe es die vergangenen fünf Jahre nicht gegeben.

Im Januar waren zwei Journalisten von Radio La Ribereña in der Provinz Bellavista beinahe von einem LKW überrollt worden. Sie hatten kritisch gegen lokale Behörden recherchiert. Ein weiterer Fall ereignete sich im August in Piura, als Unbekannte das Feuer auf den Journalisten Enrique Bayona eröffneten, der über einen Korruptionsfall, in den der Kongressabgeordnete Guillermo Bermejo involviert war, berichtet hatte.

Auch rechtsradikale Gruppierungen wie La Resistencia oder La Insurgencia schüchtern Journalisten ein. So gab es von beiden Gruppen 2023 etwa zehn Attacken auf die Büros des unabhängigen Journalistennetzwerks IDL. Lainez hierzu: "Die lokale Stadtteilpolizei schaut in solchen Fällen systematisch weg".