Bolivien: Konflikt innerhalb der MAS weitet sich auf das Justizsystem aus

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Der Gewerkschaftsbund der indigenen interkulturellen Gemeinschaften Boliviens lehnt die Mobilisierung gegen die Regierung ab
Der Gewerkschaftsbund der indigenen interkulturellen Gemeinschaften Boliviens lehnt die Mobilisierung gegen die Regierung ab

Sucre/Santa Cruz. Die Spannungen in der Regierungspartei Bewegung zum Sozialismus (MAS) verschärfen sich derzeit im Streit um die Rechtmäßigkeit des Obersten Gerichtshofs von Bolivien (TCP). Teile der dem früheren Präsidenten Evo Morales nahestehenden Basisbewegung Pakt der Einheit protestierten seit Anfang der Woche, um die Richter:innen zum Rücktritt zu bewegen.

Im Zentrum steht die Möglichkeit einer erneuten Kandidatur von Morales zur Präsidentschaft des Landes.

Auf die Spannungen innerhalb der MAS, die fast die gesamte Amtszeit von Präsident Luis Arce geprägt haben, ist auch die Verzögerung der Richter:innenwahlen zurückzuführen. Diese werden alle sechs Jahre auf Vorschlag des Parlaments direkt vom Volk gewählt. Ohne die Stimmen des "radikalen" Lagers der eigenen Partei, das Morales unterstützt, war es für die gegenüber Arce loyalen Parlamentarier:innen unmöglich, die erforderliche Zweidrittelmehrheit der Stimmen zu erreichen und ihre Kandidat:innen aufzustellen.

Der alte TCP erklärte mehrere vom Parlament verabschiedete Gesetze zur Einberufung der Wahlen für verfassungswidrig und verlängerte sein eigenes Mandat sowie das der anderen Gerichte, das am 31. Dezember abgelaufen wäre.

Vor diesem Hintergrund stellen die Anhänger:innen von Morales das wenige Wochen alte Urteil des TCP über die Rechtmäßigkeit der erneuten Kandidatur von Morales im Jahr 2025 in Frage. Das Gericht hatte eine unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten für nicht zulässig erklärt (amerika21 berichtete).

Die aktuellen Proteste, die ein Gesetz zur Durchführung von Justizwahlen fordern, aber auch Morales als Präsidentschaftskandidaten verteidigen, eskalierten am Dienstag vor dem TCP-Gebäude in Sucre. Es kam zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizei, die Tränengas einsetzte. In Santa Cruz wurde der Sitz der Landarbeiter- und Kleinbauerngewerkschaft CSUTCB, die Präsidenten Arce nahesteht, besetzt.

Der Druck gegen die Verlängerung der Mandate der Richter:innen soll durch zeitlich unbefristete landesweite Straßenblockaden erhöht werden, die ursprünglich für Mitte vergangener  Woche angekündigt waren. Die Aktionen wurden indes auf den 22. Januar verschoben, nachdem vier TCP-Richter:innen zurücktraten und die Protestierenden damit rechneten, dass weitere folgen könnten. Der Präsident des TCP, Marco Ernesto Jaimes, lehnte dies jedoch bislang vehement ab und verwies auf das Risiko, "ein Machtvakuum zu hinterlassen". Außerdem sei die Verlängerung der Mandate "legal und verfassungsgemäß".

Die Regierung betrachtet die Proteste als einen direkten Angriff von Morales. Regierungsminister Eduardo del Castillo warf ihm vor, Bauern und Gewerkschaftsmitglieder gezielt nach Sucre zu bringen und damit "den Konflikt auf dem gesamten Staatsgebiet anzuheizen". Justizminister Iván Lima beschuldigte Morales, "sich weder für die Gerechtigkeit noch für die Opfer zu interessieren". Weiter sagt er, "das Einzige, was ihn interessiert, ist seine Wiederwahl".

Die Ankündigung einer Ausweitung der Proteste auf das ganze Land wurde auch von eher Arce-nahen Teilen des Pakts der Einheit kritisiert. Der Gewerkschaftsbund der indigenen interkulturellen Gemeinschaften Boliviens (Csciob) lehnte eine Solidarisierung mit den angekündigten Straßenblockaden ab und verwies auf mögliche schwerwiegende Folgen für die landwirtschaftliche Produktion.

Darüber hinaus kritisierte der Csciob-Sekretär für Produktion und Ende 2020 kurzzeitig Minister für ländliche Entwicklung, Wilson Cáceres, die Urheber der Mobilisierungen, allein "politischen Interessen" zu dienen, die "keiner sozialen Forderung entsprechen".