Haftstrafen für Soldaten nach Massaker in Guatemala, Offizier freigesprochen

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Angehörige der Opfer und Betroffene im Gerichtssaal
Angehörige der Opfer und Betroffene im Gerichtssaal

Guatemala-Stadt/Totonicapán. Im Fall des Massakers von Alaska wurde am vergangenen Mittwoch in Guatemala das Urteil gesprochen. Sieben Soldaten wurden zu Freiheitsstrafen verurteilt, ein Soldat und der beteiligte Offizier, Coronel Juan Chiroy Sal, freigesprochen.

Das Urteil geht zurück auf einen Vorfall vor über elf Jahren. Bei einer Straßenblockade der Indigenen Selbstverwaltungsstruktur "48 Kantone" auf dem Streckenabschnitt der Interamericana "Gipfel von Alaska" hatten Soldaten das Feuer eröffnet. Sechs Menschen starben an jenem 4. Oktober 2012. Nach Angaben von Vertretern der "48 Kantone" wurden 34 verletzt. Allerdings waren nur die Ermordeten und 14 verletzte Personen Gegenstand der Anklage.

Vor rund acht Monaten hatte die Verhandlung begonnen, nach "jahrelanger Verzögerungstaktik", wie Manuel Lacan, Vizepräsident der "48 Kantone", gegenüber amerika 21 erklärte. Im Prozess hatte die Verteidigung versucht, das Vorgehen der Soldaten als Notwehr darzustellen und die Behauptung aufgestellt, lediglich Tränengas und keine Schusswaffen eingesetzt zu haben. In der Urteilsbegründung stellte das Gericht "eindeutig Schussverletzungen als Todesursache" fest. Die sei nicht zu "rechtfertigen", auch nicht, wenn sich "einzelne Demonstranten beim Anrücken der Armee mit Stöcken, Steinen und Flaschen bewaffnet hätten", hieß es in der Urteilsbegründung.

Die vorsitzende Richterin María Eugenia Castellanos sagte weiter, die Menschen "hätten sich von gewalttätigen Anführern mitreißen lassen". Dem widersprach Lacan gegenüber amerika 21: Der "Protest sei friedlich gewesen, wie auch unser Protest während der 106 Tage des Widerstandes um die Amtseinführung von Bernardo Arévalo".

Die Staatsanwaltschaft hatte wegen des Verbrechens der "außergerichtlichen Hinrichtung" Haftstrafen zwischen 20 und 30 Jahren beantragt. Dem folgte das Gericht nicht. Fünf der beteiligten Soldaten, vier Männer und eine Frau, müssen für sieben Jahre und zehn Monate in Haft. Sie wurden des "Schusswaffengebrauchs" und der "Verantwortung für die Verursachung leichter, schwerer und sehr schwerer Verletzungen" schuldig gesprochen. Zwei Soldaten erhielten wegen "versuchten Totschlags" jeweils zwei Jahre Freiheitsstrafe. Allerdings wurde diese um ein Drittel reduziert und können zu einer Geldstrafe umgewandelt werden. Das ist ein bei Haftstrafen unter drei Jahren übliches Vorgehen. Coronel Juan Chiroy und der Soldat Manuel Lima Vázquez wurden freigesprochen. Es gäbe nicht "genug Beweise für ihre Schuld".

Das vergleichsweise milde Urteil und der Freispruch des Coronel stießen auf Kritik. "Keine Gerechtigkeit für die Opfer des Massakers von Alaska", titelte die argentinische Zeitung pagina12. Das Gericht habe "Angst gehabt, den Coronel zu verurteilen", erklärte Edin Zapeta, Präsident der "48 Kantone" nach der Urteilsverkündung bei einer Pressekonferenz.

In der Kritik war dabei auch die Staatsanwaltschaft. Vertreter der "48 Kantone" und Angehörige der Opfer waren als Nebenkläger aufgetreten. Zapeta bedauerte die "schlechte Arbeit der Staatsanwaltschaft", sie habe "die notwendigen Beweise nicht vorgelegt, um ein Urteil zu erreichen". Anwältin Lucía Xiloj, die Angehörige der Opfer vertrat, versicherte sie werde "versuchen, Berufung gegen das Urteil einzulegen".

Rund 150 Unterstützer hatten sich bereits am Morgen vor dem Gericht versammelt, Gerechtigkeit gefordert und der Toten gedacht. Neben Menschenrechtsaktivisten aus der Hauptstadt waren überwiegend indigene Autoritäten aus Totonicapán anwesend. Aus Ixil war eine zehnköpfige Delegation gekommen. Die rund 300 Kilometer von der Hauptstadt entfernte Region im Norden gehört zu den ärmsten des Landes und war am stärksten vom Bürgerkrieg betroffen. Man "solidarisiert sich mit dem Protest der 48 Kantone an jenem 4 Oktober". Die Proteste hatten sich unter anderem gegen Erhöhungen der Energiekosten und gegen eine geplante Verfassungsänderung gerichtet, mit der "indigenen Völkern die im Friedensabkommen verbriefte Anerkennung abgesprochen werden sollte", erklärte ein Mann aus Ixil bei einer Kundgebung vor dem Beginn der Verhandlung.

Im Ixil wurden während des "Bürgerkrieges 114 Massaker verübt", "Gerechtigkeit hat es bisher keine gegeben". Er selbst sei mit neun Jahren Halbwaise geworden: "1976 hat die Armee meinen Vater ermordet, bis heute wissen wir nicht einmal, wo sich seine sterblichen Überreste befinden".