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Streit um Fangrechte in Chile: Polizeigewalt gegen Proteste der Fischereikooperativen

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Protest der Fischer in San Antonio, dem zweitgrößten Hafen Chiles
Protest der Fischer in San Antonio, dem zweitgrößten Hafen Chiles

Valparaíso et al. Landesweit protestieren in Chile die in Kooperativen organisierten Fischer gegen die Blockade eines Gesetzes, das ihnen weitreichendere Fangrechte garantieren soll. Die rechte Mehrheit im Senat versucht den Regierungsentwurf zu Gunsten der industriellen Großfischerei zu ändern.

Es kam zu schweren Zusammenstößen mit der Polizei, als diese die Kundgebungen, Straßensperren und Hafenblockaden gewaltsam auflöste.

Industrielle Fischereiunternehmen und die Kleinfischerei (pescadores artesanales) teilen sich die Fangrechte im Pazifischen Ozean. Die Kleinfischerei ist in Kooperativen (caletas) organisiert, wobei die Fischer Netze und Harpunen zum Fischfang benutzen.

Bisher hatte sich die industrielle Fischerei hohe Fangquoten gesichert, die nicht nur die Fischbestände, sondern auch die Lebensgrundlage der Kooperativen bedrohen. Deshalb hat die Regierung 2024 ein Gesetz auf den Weg gebracht, um die Fischfangquoten zugunsten der Kooperativen zu verändern.

Das Gesetz sieht vor, dass 70 Prozent des Seehechts, 90 Prozent der Tintenfische und 30 Prozent der Makrelen den Kooperativen zugesprochen werden. Die Prozentangaben beziehen sich auf gesetzlich festgesetzte jährliche Quoten, um Überfischung zu verhindern und so die Bestände langfristig zu garantieren.

Die einzelnen Kooperativen sollen entsprechend ihrer Größe einen Anteil erhalten, mit dem die Existenz von vielen tausend Fischerfamilien, von Restaurants und Fischverkäufern gesichert werden kann.

Das Gesetz wurde bereits im letzten Oktober in der Abgeordnetenkammer mit großer Mehrheit verabschiedet und an den Senat zur weiteren Bearbeitung überwiesen. Seitdem verschleppt die dortige rechte Mehrheit die Verabschiedung, weil sie die Quoten zugunsten der Fischfangindustrie verändern will.

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Die protestierenden Fischer verlangen nun vom Senat, den ursprünglichen Gesetzestext zu respektieren und unverzüglich zu verabschieden. Die Proteste begannen vor dem Senatsgebäude, es gab Versuche, die Absperrungen zu überwinden, um in das Gebäude einzudringen. Bei der Auseinandersetzung mit Polizeikräften kam es zu Verletzten auf beiden Seiten.

Als eine Gruppe Fischer die Nord-Süd-Autobahn Panamerikana im Süden Chiles auf der Höhe von San Javier blockierte, versuchte die Polizei unter Einsatz von Wasserwerfern die Straße zu räumen. Die Fischer zwangen die Fahrzeuge zum Stillstand, indem sie Fangnetze in die Räder warfen. Zwei Wasserwerfer und ein Einsatzwagen der Polizei wurden mit Brandsätzen angegriffen und brannten völlig aus.

Den bisher aufsehenerregendsten Widerstand gab es am Donnerstag in Valparaíso, wo der zweitgrößte Hafen Chiles liegt. Eine Flottille von Fischerbooten verstellte die Fahrrinnen und zwang ein Containerschiff zum Rückzug und Ankern außerhalb des Hafengebietes. Die Hafenpolizei griff mit Unterstützung der Schnellbote der Kriegsmarine die Fischerboote mit Wasserkanonen an und feuerte mit Gummigeschossen auf die Besatzungen.

In San Antonio, dem größten Hafen Chiles, verhinderte eine Flottille über Stunden das Ein- und Auslaufen von Schiffen, ohne dass es zu Zusammenstößen mit der Hafenpolizei kam. In einer Stellungnahme erklärten die Fischer, dass sie diese Aktionsform wählten, um die Unternehmen dort zu treffen, wo es ihnen wehtut, am Geldbeutel.

2012 hatte die rechte Regierung von Sebastian Piñera eine Neuregelung der Meeresfischerei vorgenommen. Die Fangrechte an der gesamten Küste Chiles, etwa 6.000 Kilometer, wurde für 30 Jahre an fünf Firmen vergeben und der Fischfang für die Kooperativen auf eine Seemeile beschränkt. Im Parlament gab es keine Mehrheit, um dieses nach dem damaligen Wirtschaftsminister benannte Gesetz Longueira zu annullieren. Von den Fischereikooperativen wird es als ungerecht und umweltschädlich erachtet.

Im Zusammenhang mit der Entstehung des Longueira-Gesetzes war es zur Zahlung von Bestechungsgeldern durch die Firma Corpesca gekommen. Diese befindet sich im Besitz von Roberto Angelini, einem der reichsten Unternehmer Chiles.