Chile / Umwelt / Menschenrechte

NGOs in Chile melden der UN Rückschritte bei Umwelt und Rechten

Schattenbericht deckt Missstände auf. Besonders gefährdete "Opferzonen" werden hervorgehoben

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Laut Umweltorganisationen unternimmt Chile nicht genug zum Schutz der Umwelt und der Menschenrechte
Laut Umweltorganisationen unternimmt Chile nicht genug zum Schutz der Umwelt und der Menschenrechte

Santiago de Chile. Fünf Organisationen haben einen Schattenbericht vorgelegt. Er prangert einen besorgniserregenden Rückschritt bei der Gewährleistung der Menschenrechte in Chile sowie eine Vertiefung des extraktivistischen Modells an. Die staatliche Politik fördere Straflosigkeit, kriminalisiere sozialen Protest und schwäche den Schutz von Umwelt- und Menschenrechtsverteidiger:innen. Unter Schattenberichten werden Berichte verstanden, die parallel zu offiziellen Regierungsberichten, von Nichtregierungsorganisationen an die Vereinten Nationen übermittelt werden. 

Die Veröffentlichung fand anlässlich der Überprüfung Chiles vor dem Ausschuss der Vereinten Nationen für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte (UNCESCR) im September statt. Herausgegeben wurde der Bericht von der Ethikkommission gegen Folter, der Bewegung für Wasser und Territorien (MAT), der Lateinamerikanischen Beobachtungsstelle für Umweltkonflikte (OLCA), dem Centro Ecocéanos und der Plattform Chile besser ohne Freihandelsabkommen.

Wichtigste Punkte der Kritik betreffen rückschrittliche Gesetze, die alarmierende Situation in kontaminierten ökologischen "Opferzonen" wie Quintero-Puchuncaví und Calama. Das sind Gebiete, die von einer Konzentration umweltverschmutzender Industrien wie Energiekraftwerken und Raffinerien betroffen sind, deren häufige Emissionen die Anwohner:innen vergiften. Zudem geht es um die Wasserprivatisierung zugunsten der Industrie sowie die Förderung von Bergbau- und Energieprojekten, die indigene Rechte verletzen und empfindliche Ökosysteme gefährden.

Kritisiert wird ferner, dass der Staat nach dem gewaltsamen Verschwinden der 72-jährigen indigenen Mapuche-Anführerin Julia Chuñil Catricura aus ihrer Gemeinde Máfil im November 2024 noch keine wirksamen Antworten gegeben habe (amerika21 berichtete). Die von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission CIDH angeordneten Vorsichtsmaßnahmen und der Druck von Menschenrechtsorganisationen hätten nicht ausgereicht, um eine echte Suche in Gang zu setzen und Gerechtigkeit zu schaffen. Der Fall von Julia Chuñil zeige laut MAT die strukturelle Schutzlosigkeit, insbesondere indigener Umweltaktivist:innen sowie die Kontinuität repressiver Praktiken.

Im Schattenbericht wird auch die Nationale Lithiumstrategie kritisiert, die unter dem Vorwand einer "Energiewende" den Rohstoffabbau perpetuiere und drohe, die Ökosysteme im Norden zu neuen "Opferzonen" zu machen. Chiles Regierung habe über 70 Prozent der andinen Salzwüsten für "abbaubar" erklärt, ohne die nötige Zustimmung der indigenen Gemeinschaften oder eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit echter Beteiligung zu gewährleisten.

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Laut Juana Aguilera, Präsidentin der Ethikkommission gegen Folter, unterlasse es der Staat, gegen verantwortungslose in- und ausländische Unternehmen einzuschreiten, die gravierende Umweltschäden hinterlassen. Dies koste viele Menschen das Leben, die in prekären Bedingungen leben und arbeiten müssen. Die Forstindustrie expandiere auf Land des indigenen Pewenche-Volks, das von Landraub und Pestizid-intensiven Monokulturen schwer betroffen sei. Auch die Lachszuchtindustrie in Chiles Süden verursache schwerwiegende soziale und ökologische Folgen. Seit 2013 sind mindestens 81 Arbeiter:innen gestorben, zusätzlich zum massiven Einsatz von Antibiotika und der Kontamination der Meeresökosysteme. Die staatlich subventionierte Lachszucht bedrohe massiv die Artenvielfalt an Patagoniens Küsten.

Juan Carlos Cárdenas, Direktor des Centro Ecocéanos, äußerte Sorge über eine neue Angriffsphase auf Territorien, Naturressourcen und lokale Gemeinden in einem politischen Kontext, der jeglichen sozialen Widerstand unterdrücke – wie das Naín-Retamal-Gesetz und das Antiterrorismusgesetz, die exzessive Polizeigewalt und Straflosigkeit zuließen. Ein Gesetzesentwurf durch die Parlamentsfraktion, die selbst die Lachsindustrie kontrolliere, ziele darauf ab, Menschenrechtsverteidiger:innen und indigene Gemeinschaften zu kriminalisieren und zum Schweigen zu bringen. Ein weiterer Gesetzentwurf stelle Journalist:innen unter Strafe, die über Informationen berichten, die für den Staat oder die Großunternehmen unangenehm sind.

Neben diesem Bericht hat auch Amnesty International einen Schattenbericht beim UNCESCR eingereicht.

Die Zivilgesellschaft fordert den chilenischen Staat auf, dringende Maßnahmen zur Wiedergutmachung und zum wirksamen Schutz der betroffenen Gemeinden und Gebiete zu ergreifen sowie internationalen Menschenrechts- und Umweltstandards wie das lateinamerikanische Escazú-Abkommen einzuhalten. Die Gesellschaft müsse wachsam sein und sich organisieren.

Amerika21 hat den Bericht übersetzt und dokumentiert ihn hier.