Lima. Bei Protesten am Mittwoch ist in der peruanischen Hauptstadt Lima ein Mensch durch mutmaßliche Polizeigewalt ums Leben gekommen. Mindestens 15 weitere Menschen wurden durch den Einsatz von Gummigeschossen seitens der Polizei verletzt. Darunter sollen sich mindestens vier Journalist:innen befinden. Zudem wurden mindestens zehn Personen festgenommen. Laut Angaben der peruanischen Ombudsstelle sei einigen Personen dabei das Recht auf Verteidigung verweigert worden.
Nach lokalen Berichten handelt es sich bei dem getöteten Demonstranten um den 32-jährigen Mauricio Ruiz Sanz, der unter dem Pseudonym Trvko als Hip-Hop-Künstler bekannt war. Offenbar wurde Ruiz von einem in Zivil gekleideten Polizisten durch einen Schuss in den Thorax getötet.
Menschenrechtsorganisationen wie die Coordinadora Nacional de Derechos Humanos (CNDDHH) fordern eine "sofortige, gründliche und unabhängige Untersuchung, die die Ereignisse aufklärt und Verantwortlichkeiten benennt". Nach Angaben der Ombudsstelle ereigneten sich die tödlichen Schüsse gegen 23:30 Uhr Ortszeit in der Nähe der Plaza Francia im Zentrum. Dort verlief die Proteststrecke, bis sie von Polizeikräften mit Tränengas attackiert wurde.
Der Protest richtete sich gegen die Regierung und das Parlament Perus. Die Teilnehmenden kritisierten insbesondere die Korruption, die zunehmende Kriminalität und den Einfluss des organisierten Verbrechens. Außerdem richteten sich die Demonstrationen gegen die Amtsübernahme von José Jerí, der vergangenen Woche zum Präsidenten ernannt wurde, nachdem Dina Boluarte per Abstimmung im Parlament ihres Amtes enthoben wurde (amerika21 berichtete).
Die jüngsten Ereignisse rufen Erinnerungen an die massiven Menschenrechtsverletzungen und Dutzenden Todesopfer wach, die die Polizeigewalt bei Protesten gegen die vorherige Präsidentin Dina Boluarte in den Jahren 2022 und 2023 zur Folge hatte.
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Unterdessen werden von Abgeordneten Unterschriften gesammelt, um einen Misstrauensantrag gegen Jerí einzubringen. Gegen ihn liefen in der Vergangenheit bereits Verfahren wegen sexueller Gewalt und Korruption. Zu den bestehenden Vorwürfen kommen Zweifel am Profil des Abgeordneten sowie Kritik an seinen Äußerungen in digitalen Medien und sozialen Netzwerken hinzu. Nutzer:innen von X entdeckten nur wenige Stunden nach seiner Vereidigung zum Präsidenten sexistische Kommentare auf seinem Profil, die Empörung auslösten.
Interimspräsident Jerí erklärte indes, er werde nicht von seinem Amt zurücktreten. Zudem kündigte er an, das Parlament um Sondervollmachten zu bitten, um per Dekret in Fragen der öffentlichen Sicherheit gesetzgeberisch tätig zu werden. Beobachter:innen warnen davor, dass dies den Sicherheitskräften weitreichende Befugnisse einräumen würde.
In Peru halten seit Wochen landesweite Proteste an. Besonders in Lima, Arequipa und Cusco versammeln sich Tausende Demonstrierende, angeführt vor allem von jungen Aktivist:innen der Generation Z, die ein Ende der politischen Instabilität fordern. Demonstrierende werfen den Sicherheitskräften übermäßige Gewaltanwendung vor, während die Regierung von "koordinierten Störaktionen" spricht.
Auslöser der aktuellen Krise war die Absetzung von Präsidentin Dina Boluarte durch den Kongress am 10. Oktober. Ihr wurde "permanente moralische Unfähigkeit" vorgeworfen – ein vager, in Peru oft politisch genutzter Begriff, der schwere Korruptions- oder Amtsmissbrauchsvorwürfe umfasst. Der Kongress stimmte mit deutlicher Mehrheit für ihre Absetzung, nachdem Medienberichte über mutmaßliche Zahlungen eines Sicherheitsunternehmens an Personen aus Boluartes Umfeld publik geworden waren. Unmittelbar nach der Abstimmung wurde der damalige Kongresspräsident José Jerí als Übergangspräsident vereidigt. Seine Regierung steht nun unter Druck, Neuwahlen anzusetzen und den Dialog mit der Bevölkerung wiederherzustellen.
Die Pläne rufen Vergleiche mit Nayib Bukeles Politik in El Salvador hervor, wo laut Kritiker:innen die Bekämpfung krimineller Banden zu einem Instrument permanenter Machtdemonstration und Repression geworden ist. In Peru, das von Gewalt und institutioneller Fragilität geprägt ist, findet Bukeles Kurs bei vielen Anklang.

