Das "perfekte" Mexiko

Das mexikanische Wahltribunal (TEPJF) hat bereits einen Tag vor Ablauf der Frist bekannt gegeben, dass das Wahlergebnis der Präsidentschaftswahlen vom 1. Juli anerkannt wird

In der letzten Woche vor der Entscheidung des Wahltribunals waren die Hoffnungen auf eine Annulierung der Wahlen bereits nahezu verschwunden. Die sozialdemokratische Movimiento Progresista (Koalition aus PRD, PT und Movimiento Cuidadano) mit dem Kandidaten Andrés M. López Obrador (AMLO) wollte die Wahlen, aus denen Enrique Peña Nieto (PRI) mit ca. 7 Prozent Vorsprung als Sieger hervorging, auf verschiedenen Wegen annulieren lassen. Unter anderem sollte das Tribunal aufgrund einer Vielzahl von Beweisen zu der Entscheidung kommen, dass die Wahlen nicht mit der mexikanischen Verfassung konform waren.

Bekannt geworden waren diverse Wahlvergehen von Seiten der PRI, unter anderem der Tausch von Wertkarten, vor allem der Einkaufskette Soriana, sowie Geld gegen Wahlberechtigungen bzw. Fotografien des abgegebenen Stimmzettels, Drohungen, Diebstahl und Beschädigung von Wahlurnen, Manipulation der Ergebnisse in Wahlbezirken. Ein weiteres Vergehen der PRI sind die umfassende Überschreitung des erlaubten Wahlkampfbudgets. Darin enthalten ist die langfristige finanzielle Investition zum Kauf von Sendezeit und opportuner Berichterstattung bei einflussreichen mexikanischen Medien wie Televisa und TV Azteca. Beide Fernsehsender veröffentlichten konstant geschönte Umfragen zu Gunsten des Kandidaten der PRI, Enrique Peña Nieto.

Berichtet wurde in Bezug auf Wahlfälschungen zunächst vornehmlich über den Regierungsbezirk Peña Nietos, den Estado de México. Dort war es in den Tagen nach der Wahl aufgrund der befürchteten Annulierung der Wahlen zu Massenandrang von "Wählern" bei Soriana gekommen. So entstand schnell der Eindruck, das es sich um ein lokales Phänomen handelte. Vor allem die Movimiento Progresista informierte über Wahlbetrug in anderen Wahlbezirken, auf dem Land wie in Städten. In erster Linie wurde über den Kauf von Stimmen diskutiert, so dass rechtliche Grauzonen, sowie die Rolle der staatlichen Institutionen in den Hintergrund traten.

Trotz Einschränkungen im Artikel 99 des Wahlrechts seit 2007 existiert in Mexiko die Möglichkeit der Annulierung, wenn Wahlen "nicht gleichberechtigt, nicht unparteiisch oder nicht frei" durchgeführt wurden. Allerdings ist dies nur gegeben, wenn Fälschungen nachweislich auf den Großteil der abgegebenen Stimmen zutreffen. Ein Richter des Tribunals, Pedro Esteban Penagos, begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass 50 Millionen Stimmen nachweislich gefälscht sein müssten. Stichhaltige Beweise für den Tausch von Wahlstimmen gegen eine Gegenleistung seien jedoch schwer zu erbringen. Auch sei es nahezu unmöglich, die Präsidentschafts- und Senatorenwahlen zu trennen, die zeitgleich durchgeführt wurden.

Der noch amtierende Präsident Felipe Calderón (PAN) hatte gleich im Anschluss an die Wahlen vom 1. Juli erklärt, dass diese "im größten Teil des Landes in einem friedlichen und ruhigen Klima" durchgeführt worden seien. Auch andere Stimmen aus der nationalen und internationalen Politik sprachen sich schnell dafür aus, den Sieg der PRI anzuerkennen.

Auf der Seite der Kritiker stehen AMLOs Movimiento Progresista, ein Zusammenschluss aus Parteien und zivilrechtlichen Organisationen, wie z.B. MORENA, die Movimiento de Regeneración Nacional, für die viele Studenten als Wahlbeobachter arbeiteten. Unterstützt wird die Bewegung durch Intellektuelle wie Elena Poniatowska und Paco Ignacio Taibo. Erklärtes Ziel der Bewegung ist, neben der Unterstützung des Kandidaten AMLO vor allem die Unterbindung von Wahlvergehen und Korruption in Mexiko.

Letzteres verfolgt auch die studentische Bewegung Yosoy#132. Diese Protestbewegung, die sich unabhängig von der PRD und der Movimiento Progresista gründete, hat Beweise für den Wahlbetrug gesammelt und öffentlich gegen das Regime Position bezogen. Auslöser für ihre Gründung war ein Besuch Peña Nietos bei der Universidad Iberoamericana in Mexiko-Stadt, bei dem dieser keine politische Verantwortung für gewaltsames Vorgehen der Polizei gegen Demonstranten in seinem Wahlbezirk (Atenco) übernahm.

Mexiko blickt auf eine lange Serie von Wahlvergehen zurück, den ersten angenommenen Wahlbetrug gab es bereits 1929. Wahlfälschung und Korruption betreffen das gesamte Land und alle grossen Parteien. Dieser Umstand macht eine politische Aufarbeitung der Wahlen von 2012 umso nötiger, vor allem auch in Hinblick auf die Vertrauenskrise der staatlichen Institutionen. Jedoch hat Mexiko dringende soziale Probleme. Die angenommene Korrumpierbarkeit des mexikanischen Wählers, die in ihren Augen zur Wahlniederlage der PRD führte, erklären Mitglieder der Movimiento Progresista mit der steigenden Armut der Bevölkerung. Dieses Argument greift jedoch sehr kurz. In Begründungen für den Wahlsieg der PRI geben Publizisten die hohe Arbeitslosigkeit und ihren friedlichen Umgang mit den Drogenkartellen an.

Es bleibt die Frage: Erhält eine Mehrheit in Mexiko die Regierung, die sie verdient?