Venezuela / Politik

Souveräner Sieg des Chavismus

Venezuelas Sozialisten haben die Regionalwahlen souverän gewonnen. Doch die Widersprüche innerhalb des Chavismus bleiben bestehen

Das Parteienbündnis des venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez hat bei den Regionalwahlen am 16. Dezember einen deutlichen Sieg eingefahren: In 20 der 23 Bundesstaaten siegten die Kandidaten der Vereinten Sozialistischen Partei (PSUV) und weiterer Parteien1 und schafften es, fünf von der Opposition bzw. von "abtrünnigen" Gouverneuren2 regierte Staaten zurückzugewinnen. Insbesondere die Siege3 in Táchira und Zulia stellen einen wichtigen Schritt für die weitere Konsolidierung des Chavismus4 an der Macht dar. Die beiden Staaten an der Grenze zu Kolumbien waren lange Zeit fest in der Hand der Opposition. Auch die Tatsache, dass das bevölkerungsreiche Carabobo nach der Niederlage 2008 wieder zurückgewonnen wurde5, stellt einen Erfolg für den Chavismus dar. Mit Ergebnissen von bis zu über 80 Prozent der gültigen Stimmen in manchen Staaten (Trujillo, Delta Amacuro) haben sich darüber hinaus - wie zu erwarten war - die Kandidaten der PSUV in den ländlicher geprägten Staaten durchgesetzt. Landesweit kam die PSUV auf gut 53 Prozent der Stimmen, alternative Kandidaten der Linken in einigen Staaten auf 1,6 Prozent und jene des Oppositionsbündnisses "Tisch der Demokratischen Einheit" (MUD) auf 40,9 Prozent.

Die Wahlbeteiligung lag unterdessen mit etwa 54 Prozent im unteren üblichen Bereich der Regionalwahlen, jedoch deutlich niedriger als bei den Präsidentschaftswahlen am 7. Oktober. Als es um die Wiederwahl von Präsident Chávez ging, mobilisierten alle politischen Lager massiv, was zu einer Rekordbeteiligung von über 80 Prozent führte. Regional variierte die Beteiligung zwischen 41 und knapp 68 Prozent und war überdurchschnittlich in den Staaten, in denen die Opposition gewann (Amazonas: 68 Prozent, Miranda: 58 Prozent, Lara: 56 Prozent) und in den umkämpfen Staaten Nueva Esparta (63 Prozent), Zulia (62 Prozent) und Táchira (57 Prozent). In allen Staaten mit unterdurchschnittlicher Wahlbeteiligung gewann die PSUV klar – mit einer Ausnahme: Bolívar (41 Prozent).

Bei den Regionalparlamenten (Consejos Legislativos) war die PSUV sogar noch erfolgreicher als bei den Gouverneursposten: Sie erreichte Mehrheiten in allen Bundesstaaten bis auf das bevölkerungsarme und für die Bundespolitik eher unbedeutende Amazonas. Die Differenz ergibt sich daraus, dass die Parlamente teilweise über Länderlisten der Parteien und teilweise über Direktkandidaten in den Wahlkreisen bestimmt werden. Zwar haben die Regionalparlamente im venezolanischen Präsidialsystem relativ wenig Gewicht, sie müssen aber zumindest den Haushalt der Regionalregierung verabschieden. Darüber hinaus zeigt das Ergebnis, dass die Wählerbasis der PSUV auch in den von der Opposition regierten Staaten groß ist. Der Chavismus kann sich dadurch auch nach vier Präsidentschaftswahlen, drei Parlamentswahlen, vier Regionalwahlen, drei Kommunalwahlen und drei gewonnenen Referenden6 in der Regierung behaupten.

Zu dem für die PSUV positiven Ergebnis dürfte nicht zuletzt auch die Krankheit des Präsidenten beigetragen haben. Mitten im Wahlkampf verschwand Chávez plötzlich aus der Öffentlichkeit, um schließlich zu verkünden, erneut wegen seiner Krebserkrankung operiert werden zu müssen. Die Tatsache, dass er zum ersten Mal offen über die Möglichkeit sprach, sein Mandat nicht ausführen zu können und seinen Wunschkandidaten für diesen Fall benannte, führte zu einer äußerst emotionalen Reaktion in Medien und Bevölkerung. Während oppositionelle Medienkonzerne (wieder einmal) den Tod des bei ihnen verhassten Präsidenten herbeizuschreiben versuchten, ist davon auszugehen, dass das Thema für den Chavismus eher mobilisierend gewirkt hat, ist doch die Bindung weiter Teile der venezolanischen Bevölkerung nicht allein politisch, sondern auch emotional begründet. Die jüngsten Äußerungen von Regierungsvertretern am Wahltag zeichneten zwar ein wesentlich positiveres Bild von der Genesung Chávez', als es die ersten düsteren Erklärungen gemacht hatten. Ob er an die Macht zurückkehrt und unter welchen Umständen ist zu diesem Zeitpunkt jedoch völlig unklar. Sicher ist der Gesundheitszustand des Präsidenten nicht der einzige Grund, für den deutlichen Sieg. Er hat aber vermutlich seinen Teil dazu beigetragen.

Die Opposition musste dementsprechend herbe Verluste einstecken: Nicht nur gelang es ihr nicht, auch nur einen Bundesstaat zu gewinnen, der bislang von der PSUV regiert wurde; sie verlor sogar fünf Staaten (Carabobo, Nueva Esparta, Monagas, Táchira, Zulia). Das positivste und vermutlich wichtigste Ergebnis aus Sicht der Opposition stellt dabei der Sieg des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Henrique Capriles Radonski in Miranda dar. 2008 hatte er es geschafft, den an der Basis7 äußerst unbeliebten Gouverneur Diosdado Cabello zu bezwingen und nun gegen den früheren Vizepräsidenten Elías Jaua gewonnen (51,8 zu 47,8 Prozent). Jaua war von Chávez ins Rennen geschickt worden, um den bevölkerungsreichen Bundesstaat zurückzuerobern. Er beinhaltet nicht nur fast den kompletten wohlhabenden Teil der Hauptstadt Caracas, sondern im Stadtteil Petare auch eines der größten Armenviertel Lateinamerikas. Doch während Chávez selbst den amtierenden Gouverneur in seinem Heimatstaat bei den Präsidentschaftswahlen knapp besiegte, konnte ihm Jaua nicht nachziehen. Wermutstropfen für Capriles dürfte aber dennoch die Niederlage im Regionalparlament sein.

Somit bleiben zusammen mit Lara immerhin zwei wichtige Staaten in der Hand der Opposition. Dort konnte sich mit Henry Falcón ein ehemaliger Chavist auf dem Ticket des MUD durchsetzen. Falcón war 2010 im Streit aus der PSUV ausgetreten und galt seitdem als einer der "Abtrünnigen" Gouverneure. Anders als in Monagas schaffte er es jedoch trotz des Bruchs mit dem Chavismus wiedergewählt zu werden. Dazu dürfte auch seine relativ lange politische Präsenz in Lara beigetragen haben: Er war zwei Mal hintereinander (2000-2008) Bürgermeister der Landeshauptstadt Barquisimeto (Municipio Iribarren) und schließlich seit 2008 Gouverneur. Ähnliches gilt zwar auch für seinen chavistischen Kontrahenten Luis Reyes Reyes8, der den Bundesstaat von 2000 bis 2008 regierte. Auch dieser ist an der chavistischen Basis aber eher unbeliebt und wurde dennoch als Kandidat eingesetzt.

Für Henrique Capriles Radonski stellt die Verteidigung des Gouverneurspostens in Miranda vor allem einen wichtigen symbolischen Erfolg innerhalb der Opposition dar. Capriles war gerade in diesem Jahr aufgebaut worden und schaffte es, sich in internen Vorwahlen gegen andere Persönlichkeiten der Opposition durchzusetzen. Auch wenn er Chávez bei den Präsidentschaftswahlen schließlich deutlich unterlag, konnte er sich als Führungspersönlichkeit und Gesicht der Opposition etablieren. Sollte Chávez aufgrund seiner Krebserkrankung nun nicht die nächste Amtszeit antreten können – eine wahrscheinliche, aber keineswegs sichere Option –, würden Anfang des Jahres Neuwahlen anstehen. Eine Niederlage Capriles' gegen einen Chavisten aus der "zweiten Reihe" hätte für seine Position als potentieller Präsidentschaftskandidat keine gute Ausgangssituation bedeutet.

Andererseits könnte die starke Position Capriles' innerhalb der Opposition aber auch deren labile Einheit auf die Probe stellen. Durch die Niederlage von Pablo Pérez in Zulia, wurde ein interner Widersacher aus dem Rennen geworfen und kein anderer Anwärter auf den Posten als Präsidentschaftskandidat der Opposition stand überhaupt zur Wahl. Auch wenn es die Opposition bei den jüngsten Wahlgängen geschafft hat, Einigkeit zu bewahren und gemeinsame Kandidaten zu bestimmen, ist der Zusammenhalt alles andere als fest. Der MUD ist deutlich von internen Machtkämpfen gekennzeichnet, die zwar zuletzt hinten angestellt wurden, um überhaupt den Ansatz einer Chance gegen Chávez bzw. den Chavismus zu haben. Sie können aber jederzeit wieder ausbrechen.

Dazu trägt auch bei, dass die verschiedenen im MUD vertretenen Parteien vor allem regionale Verankerung haben. Die traditionellen Parteien der "Vierten Republik" (1958-1998), die sozialdemokratische Acción Democrática (AD) und die christdemokratische COPEI, haben ihre hegemoniale Stellung lange verloren, versuchen aber dennoch wo möglich Posten zu ergattern und Einfluss geltend zu machen. Während sie über bundesweite Strukturen verfügten, sind die heute in der Opposition vorherrschenden Parteien wesentlich regionaler Geprägt. So konnte sich die Partei von Capriles (Primero Justicia, PJ) mit einem zweitstelligen Ergebnis in sieben Bundesstaaten (Aragua, Miranda, Anzoátegui, Mérida, Cojedes, Bolívar, Nueva Esparta) als Oppositionspartei mit der größten Reichweite profilieren.9 Darauf folgt AD mit vier Staaten (Nueva Esparta, Anzoátegui, Cojedes, Mérida). Alle anderen Parteien der Opposition erreichen maximal in einem Bundesstaat ein zweistelliges Ergebnis: Die UNT von Pablo Pérez in Zulia, COPEI mit César Pérez Vivas in Táchira, La Causa R (LCR) mit Andrés Velásquez in Bolívar, Avanzada Progresista mit Henry Falcón in Lara, Gente Emergente mit José Gregorio Briceño in Monagas, Proyecto Venezuela mit Henrique Salas Feo in Carabobo, Convergencia mit Biagio Plieri in Yaracuy und MPV mit Liborio Guarulla in Amazonas.

Der Aufstieg Capriles' bedeutet also auch eine Unterordnung der anderen Parteien und ihrer Persönlichkeiten unter dessen Führungsanspruch. Sollte dieser es nicht schaffen, die teilweise sehr verschiedenen Partikularinteressen der diversen Parteien unter einem Dach zu vereinen, könnte das Bündnis auch schnell auseinanderbrechen. Möglicherweise wird auch Henry Falcón aus Lara eine wichtigere Rolle einnehmen. Er kommt aus dem Chavismus und hat nun für die Opposition gewonnen, was darauf schließen lässt, dass er durchaus in der Lage ist, auch Chávez-Wähler auf seine Seite zu ziehen.

Für die organisierte Basis der "Bolivarischen Revolution" inner- und außerhalb der PSUV ist die Situation nach dem Wahlsieg aber vor allem aus einer anderen Sicht widersprüchlich: Auch wenn die Deutlichkeit des Ergebnisses der Wahlen dies nicht vermuten lässt, ist die Unzufriedenheit an der chavistischen Basis in den vergangenen Jahren gewachsen. Dazu, diese zu lindern, dürfte die weitgehend undemokratische Auswahl der Kandidaten für die Regionalwahl nicht gerade beigetragen haben. Entgegen den Regionalwahlen 2008, bei denen die Kandidaten in internen Vorwahlen bestimmt wurden10, wurden dieses Mal die Anwärter für die Gouverneursposten von oben bestimmt. Chávez und die Parteiführung schickten dabei eine ganze Reihe von politischen Schwergewichten ins Rennen, die schon länger in der Bundespolitik aktiv und dementsprechend bekannt waren. So befanden sich unter den 23 Kandidaten 14 ehemalige Minister und sieben amtierende Gouverneure. In Zulia, Táchira und Carabobo traten ebenfalls bundesweit bekannte Persönlichkeiten an.11

Dieses Verfahren hatte im Vorfeld der Wahlen zu kontroversen Diskussionen im chavistischen Lager geführt12 und hatte auch teilweise Konsequenzen: In Trujillo wurde der amtierende Gouverneur Hugo Cabezas13 durch Verteidigungsminister Henry Rangel Silva ersetzt.14 In anderen Staaten, in denen die kleineren Alliierten Parteien wie die Kommunistische Partei (PCV) und im Großen Patriotischen Pol (GPP) zusammengeschlossene Basisorganisationen einen Wechsel forderten, blieben die Kandidaten jedoch bestehen.

Dass dennoch in den meisten Regionen die Mehrheit der Wähler für die Kandidaten der PSUV stimmten, dürfte in vielen Fällen die Wahl des kleineren Übels oder eine Abstimmung für den Transformationsprozess insgesamt gewesen sein, nicht aber eine bewusste Entscheidung für die konkreten Vertreter des Chavismus. Hierfür sind einige der bisherigen Gouverneure und andere Funktionäre zu sehr für Verschwendung, Ineffizienz, undemokratische Strukturen und das Brechen von Wahlversprechen bekannt. Dies drückte sich am deutlichsten in eigenen Kandidaturen von Parteien aus, die zwar das politische Projekt der "Bolivarischen Revolution" unterstützen, jedoch mit der Auswahl der Kandidaturen nicht d'accord gingen. Aus diesem Grund entschieden sich Teile des Chavismus, in Bolívar, Amazonas, Portuguesa, Apure und Mérida eigene Kandidaten aufzustellen.

In Amazonas im Südwesten Venezuelas hatte die Regierungspartei die ehemalige Ministerin für indigende Angelegenheiten, Nicia Maldonado, nominiert. Sie hatte schon als Ministerin viel Kritik erfahren, insbesondere auch aus vielen indigenen Gemeinden, die sich nicht durch sie vertreten sahen. Warum sie sich in den Machtzirkeln des Chavismus schließlich durchsetzen konnte, ist schwer zu sagen. Relativ klar war jedoch, dass sie angesichts ihrer Position an der Basis gegen den seit 2001 den Bundesstaat regierenden Liborio Guarulla kaum eine Chance haben würde. Guarulla hatte zunächst als Mitglied der damals Chávez unterstützenden Partei Patria Para Todos (PPT) den Posten als Gouverneur übernommen, war dann zur Opposition gegangen und ḱonnte sich dennoch wieder behaupten. Gegen ihn und die PSUV-Kandidatin Maldonado schickten die PCV, die indigene Partei PUAMA und die weitgehend unbedeutende Arbeitspartei (PRT) Gregoria Mirabal ins Rennen und konnten mit knapp fünf Prozent zumindest einen Achtungserfolg erringen.

Wesentlich bedeutender war die konkurrierende Kandidatur hingegen im industriell geprägten Bolívar. Der im Südosten des Landes gelegene Bundesstaat beherbergt einen Großteil der Schwerindustrie des Landes und ist traditionell für gewerkschaftliche Organisierung bekannt. Seit der Amtsübernahme durch Hugo Chávez im Jahr 1999 war die Industrie außerdem ein Experimentierfeld für Modelle der Mit- und Selbstverwaltung der Arbeiter. In diesem Prozess hat der nun knapp wiedergewählte Gouverneur Francisco Rangel Gómez wiederholt eine äußerst unrühmliche Rolle gespielt, die ihm viel Kritik von der chavistischen Basis und insbesondere den Gewerkschaften einbrachte. So musste Chávez höchstpersönlich den "Plan Guayana Socialista 2019" gegen Rangel Gómez durchsetzen, der allem Anschein nach an einer wirklichen Mitbestimmung der Arbeiter nur dem Diskurs nach interessiert war.

Sein Kontrahent der rechten Opposition kommt im übrigen auch aus der Arbeiterbewegung des Bundesstaates: Mit seiner Partei La Causa R ("Die radikale Sache", LCR) war Andrés Velásquez bei den Präsidentschaftswahlen 1993 Kandidat eines linken Bündnisses und kam dem Sieger der Wahlen, Rafael Caldera, gefährlich nah. Vieles deutete auf einen Wahlbetrug hin, der dem Gewerkschafter das Amt des Präsidenten versagte. Velásquez akzeptierte jedoch relativ schnell das Ergebnis und verlor dadurch viele Sympathien in der Linken. Später entwickelte er sich deutlich nach rechts und ist heute mit LCR teil des Oppositionsbündnisses MUD.

Angesichts dieser Situation und der erneuten Nominierung Rangel Gómez' entschied sich die PCV, einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Sie trat mit Manuel Arciniega an und konnte immerhin gut acht Prozent der Stimmen auf sich verbuchen. Nur durch diese Gegenkandidatur der Linken wurde der Wahlausgang in Bolívar erst so knapp, dass Velásquez ihn sogar anzufechten versuchte: Rangel Gómez kam auf 46,51 Prozent und Velásquez auf 43,82 Prozent.

Weniger große Auswirkungen aber dennoch symbolischen Wert hatten die parallelen Kandidaturen in den beiden ländlichen Staaten Apure und Portuguesa. Dort kann der Chavismus auf eine solide Mehrheit zwischen 70 und 80 Prozent zählen. Den linken Gegenkandidaten Leopoldo Estrada (Apure) und Oswaldo Zerpa gelang es, den von oben eingesetzten Vertretern der PSUV 14,27 bzw. 24,88 Prozent abzunehmen. Dieses Ergebnis deutet auf eine deutliche Unzufriedenheit hin, die in Zukunft wohl kaum ignoriert werden kann.

Auch im Andenstaat Mérida war die Unzufriedenheit über Alexis Ramírez deutlich: 10,6 Prozent votierten hier für den Favoriten der PCV und zweier kleinerer Parteien, Florencio Porras. Sie hatten sich schon im Vorfeld der Wahlen offen gegen Ramírez ausgesprochen. Präsident Chávez stellte sich jedoch dennoch demonstrativ hinter "seinen" Kandidaten, der sich schließlich mit 50,2 zu 38,8 Prozent durchsetzte.

Diese Entwicklungen zeigen sehr deutlich, dass die politische Landkarte Venezuelas aufgrund von zahllosen internen Konflikten wesentlich weniger tiefrot ist, als als nach den Regionalwahlen den Anschein hat. Zwar konnte eine enorme Zahl von Gouverneursposten gewonnen werden, dies sagt jedoch relativ wenig über die inhaltliche Ausrichtung der gewählten Vertreter des Chavismus aus. Wie anhand der Gegenkandidaten zu erkennen ist, ist die Unzufriedenheit mit der Amtsführung vieler chavistischer Gouverneure und der staatlichen Verwaltung auch innerhalb des chavistischen Lagers groß. Bisher ist es vor allem Hugo Chávez selbst immer wieder gelungen, diese starken Differenzen zusammenzuhalten und den Fliehkräften Einhalt zu gebieten. Wenn sich an den strukturellen Problemen des bolivarischen Venezuela nichts ändert, wird früher oder später auch die historisch einmalige Kette von linken Wahlsiegen erste Risse erhalten. Ein mögliches Ausscheiden Hugo Chávez' aus dem politischen Leben würde diesen Prozess vermutlich noch beschleunigen.

Durch das jüngste Wahlergebnis kann sich der Chavismus aber vorerst auf solide Mehrheiten stützen. Im Parlament verfehlte die PSUV 2010 zwar die angestrebte Zweidrittelmehrheit, sie verfügt aber mindestens bis 2016 über eine absolute Mehrheit. Im Zusammenhang mit dem Erfolg bei den Regionalwahlen dürfte einer Umsetzung des Regierungsprogramms zumindest formell nicht viel im Wege stehen. Die große Unbekannte bleibt aber die Zukunft des Präsidenten. Derzeit erholt er sich von seiner vierten Krebsoperation binnen weniger als zwei Jahren und hat mit Folgeinfektionen zu kämpfen. Welche Entwicklung der bolivarische Prozess im Falle eines definitiven Ausscheidens des gerade wiedergewählten Präsidenten nehmen wird, ist sehr schwer zu sagen. In jedem Fall würde es aber einem politischen Erdbeben gleichkommen.

  • 1. In fast allen Staaten hatten neben der PSUV auch die Kommunistische Partei (PCV) und zahlreiche kleine Parteien die Kandidaten des Chavismus unterstützt.
  • 2. In Monagas hatte sich im Frühjahr 2012 der chavistische Gouverneur José Gregorio Briceño mit der Bundespartei zerstritten und wurde ausgeschlossen. Er wandte sich daraufhin der Opposition zu. (Siehe amerika21.de vom 15.03.2012: "Venezuelas Sozialisten suspendieren Gouverneur", http://amerika21.de/meldung/2012/03/49604/psuv-ausschluss) In Lara hatte bereits 2010 der Gouverneur Henry Falcón mit dem Chavismus gebrochen.
  • 3. In Táchira setzte sich Jose Vielma Mora mit 54 zu 45,49 Prozent gegen den amtierenden Gouverneur César Pérez Vivas von der christdemokratischen COPEI durch. In Zulia gewann Francisco Arias Cárdenas gegen den bisherigen Amtsinhaber Pablo Pérez von der sozialdemokratischen Partei UNT (52,22 zu 47,68).
  • 4. Unter "Chavismus" soll hier das sehr diverse politische Lager verstanden werden, dass den "Bolivarischen Prozess" in Venezuela unterstützt. Es reicht von linksozialdemokratischen Kreisen bis hin zu Kommunisten und radikalen Basisorganisationen, beinhaltet sowohl Parteien als auch andere Organisationsformen.
  • 5. Durch Francisco Ameliach mit 55,73 Prozent gegen Henrique Salas Feo (Proyecto Venezuela) mit 43,61 Prozent.
  • 6. Über die neue Verfassung (1999), die Abwahl Chávez' (2004) und eine Verfassungsänderung (2010).
  • 7. Als "Basis" sollen hier Organisationen verstanden werden, die inner- und außerhalb der PSUV den "Bolivarischen Prozess" unterstützen, jedoch auf horizontalere und basisdemokratischere Entscheidungsstrukturen sowie eine Vertiefung des Transformationsprozesses drängen. Hierzu gehören zum Beispiel die Bauernorganisation FNCEZ, Organisationen von Basismedien wie ANMCLA, die Siedlerbewegung "Movimiento de Pobladores", in denen sich Urbane Landkomitees (CTU), Wassertische (MTA), Mieter- und Hausmeisterorganisationen und die so genannten "Campamentos de Pioneros" zusammengeschlossen haben. Auch Gewerkschaften können teilweise zu dieser "Basis" gezählt werden. Viele dieser Organisationen haben sich Anfang des Jahres dem "Großen Patriotischen Pol" (GPP) angeschlossen, um die Wiederwahl Hugo Chávez' zu unterstützen. Sie stehen in gewisser Weise gegen den "Apparat" des Chavismus.
  • 8. Reyes Reyes ist einer der Militärs, die gemeinsam mit Chávez 1992 versuchten, den damaligen Präsidenten Carlos Andrés Pérez zu stürzen. Er gilt deshalb als enger Vertrauter des aktuellen Amtsinhabers.
  • 9. Die Parteien der Opposition hatten zwar gemeinsame Kandidaten aufgestellt, bei der Wahl konnte man diese aber auf einem "Ticket" der verschiedenen Parteien wählen. Dadurch lässt sich nachvollziehen, welche Partei wie abgeschnitten hat.
  • 10. Der Parteivorstand behielt sich allerdings vor, den Kandidaten zu bestimmen, wenn das Ergebnis der Vorwahlen nicht eindeutig war. Für den Fall, dass kein Kandidat mehr als 15 Prozentpunkte vor seinem nächsten Konkurrenten lag, sahen die Regelungen vor, dass der Vorstand entscheiden konnte. Dies trat in einigen Fällen ein und führte zu Unmut in den betroffenen Staaten.
  • 11. In Zulia war Francisco Arias Cárdenas Kandidat der PSUV. Er hatte als Militär an der Rebellion von 1992 teilgenommen. Nach dem Wahlsieg hatte er sich von Chávez losgesagt war 2000 Kandidat der Opposition bei den Präsidentschaftswahlen. 2005 erkannte er an "Fehler" begangen zu haben und versöhnte sich mit dem Chavismus. In Táchira war Jose Gregorio Vielma Mora Kandidat der PSUV. Mora, der ebenfalls aus dem Militär kommt, war lange Zeit Präsident der Steuerbehörde SENIAT und dadurch relativ bekannt. In Carabobo schicke die PSUV Francisco Ameliach ins Rennen. Auch er beteiligte sich als Militär an der 1992-Rebellion und war 2010/2011 Präsidialamtsminister.
  • 12. Siehe amerika21.de vom 04.11.2012: "Chavismus streitet weiter über Kandidaturen", http://amerika21.de/nachrichten/2012/11/66930/chavismus-kandidaturen
  • 13. Hugo Cabezas war schon 2008 eingesetzt worden, obwohl er in den Vorwahlen unterlegen war.
  • 14. Rangel Silva erzielte mit 82,3 Prozent das beste Ergebnis für das chavistische Lager.