Berlin straft Ecuadors Regierung ab

Staatschef Correa will Souveränität bei Handels- und Wirtschaftsabkommen stärken. Berlin kündigt Beteiligung an Umweltprojekt auf

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Präsident Rafael Correa bei seiner Radiosendung "Enlace Ciudadano"
Präsident Rafael Correa bei seiner Radiosendung "Enlace Ciudadano" (18.09)

Quito/Berlin. Zwischen der deutschen Regierung und der Staatsführung Ecuadors verschärfen sich aufgrund der anti-neoliberalen Politik des südamerikanischen Landes die Spannungen. Ecuadors Regierung unter Präsident Rafael Correa gab unlängst bekannt, dass alle bilateralen Abkommen zum Investitionsschutz gekündigt werden, die Quito dazu zwingen, Streitigkeiten mit privatwirtschaftlichen Akteuren vor internationalen Schiedsstellen zu schlichten. Betroffen ist neben einer Vereinbarung mit Großbritannien aus dem Jahr 1994 auch ein Vertrag mit Deutschland aus dem Jahr 1996.

Besonders kritisch sieht die ecuadorianische Regierung die bei der Weltbank angesiedelte Schlichtungsstelle ICSID (span.: CIADI). Nach den umstrittenen Verträgen müssen Handelsstreitigkeiten bei dieser Institution geschlichtet werden. Besonders im Fall der CISID/CIADI lägen Ecuador Informationen vor, "nach denen von dieser Stelle überwiegend zugunsten der ausländischen Konzerne entschieden wird", sagte die Vizepräsidentin der außenpolitischen Kommission der Nationalversammlung, Linda Machuca.

Neben den beiden Abkommen mit Großbritannien und Deutschland will Ecuador elf weitere Vereinbarungen mit neoliberalem Charakter aufkündigen. Ein von Präsident Correa vorgetragenes Argument sind die Bestimmungen der 2008 reformierten Verfassung des südamerikanischen Landes. Demnach ist es Quito verboten, internationale Abkommen zu unterzeichnen, "mit denen der ecuadorianische Staat souveräne juristische Gewalt zugunsten internationaler Schlichtungsgremien abtritt".

Ecuadors Ministerin für die Koordination von Produktion, Nathalie Cely, geht nicht davon aus, dass die Vertragskündigungen und wahrscheinlichen Neuverhandlungen das Investitionsklima verschlechtern. Allein in den vergangenen zwei Monaten haben ausländische Unternehmen umgerechnet rund vier Milliarden US-Dollar in dem Land investiert, sagte die Ressortchefin gegenüber der britischen BBC. "Ecuador ist verantwortungsvollen ausländischen Investitionen gegenüber offen", fügte Cely an.

Die Stärkung der wirtschaftlichen Souveränität trifft in Berlin nicht auf Gegenliebe. Aus der deutschen Presse musste die ecuadorianische Regierung vor wenigen Tagen erfahren, dass Berlins Entwicklungsminister Dirk Niebel offenbar die Beteiligung an einem Treuhandfonds für das weltweit einmalige Ressourcen- und Umweltschutzprojekt Yasuní-ITT aufkündigen will. Das Projekt sieht vor, rund 850 Millionen Barrel Erdöl im Boden zu belassen, sofern Konsumentenstaaten die zu erwartenden Gewinnausfälle für das südamerikanische Land zum Teil mit Zahlungen in den Treuhandfonds kompensieren. Auf diese Weise würden 982.000 Hektar des Naturschutzgebietes Yasuní bewahrt.

Anfang kommender Woche wird die zuständige Ministerin María Fernanda Espinosa nach Berlin reisen, um mit den FDP-Politiker Niebel zu Konsultationen zu treffen. Die undiplomatische Absage Niebels sorgte bereits für Proteste in Deutschland.