Keine Verbesserung der Menschenrechtslage

Deutsche NGOs befürchten Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht durch Kolumbien-Pläne von Minister Niebel

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Minister Niebel mit Bundeswehrkäppi in Peru
Minister Niebel mit Bundeswehrkäppi in Peru

Bogotá. Sechs deutsche NGOs lehnen die Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Entwicklung (BMZ) für die Entwicklungsarbeit in Kolumbien ab. Am Rande des Besuchs von Minister Dirk Niebel in Bogotá präsentierte eine Kommission am heutigen Freitag die Ergebnisse einer eigenen Untersuchung über die Entwicklungspolitik in der Region La Macarena, im Osten des Landes. Gegenstand der Untersuchung ist der "Integrale Konsolidierungsplan La Macarena" (PCIM), den die kolumbianische Regierung in der lange Jahre von der Guerillaorganisation FARC kontrollierten Region etablierte.

Genau dieses Projekt der kolumbianischen Regierung möchten das BMZ und die deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) mit einer halben Million Euro unterstützen. "Kolumbien ist eine der stabilsten Demokratien in Lateinamerika und bedarf der Unterstützung der freien Welt", erklärte der FDP-Minister auf seiner vorherigen Reiseetappe in Peru. In der Region La Macarena liegen nicht nur große Palmölplantagen und zahlreiche Bodenschätze: Im vergangenen Jahr wurde hier einer der größten anonymen Friedhöfe für Opfer der kolumbianischen Sicherheitskräfte entdeckt.

"Zum aktuellen Zeitpunkt empfehlen wir, von einer Intervention der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen des PCIM abzusehen", heißt es in dem Abschlussbericht, der amerika21.de vorliegt. Als Gründe nennen die Organisationen, zu denen unter anderem Caritas international, kolko e.V. und Misereor gehören, vor allem, dass der zivile Charakter dieses Entwicklungsplans nicht erkennbar ist. So stellten die NGOs fest, dass "Hilfsmaßnahmen des PCIM zur Anwerbung von Informant/innen in der Zivilbevölkerung" missbraucht werden. 

Die Entwicklungsarbeit der kolumbianischen Regierung stehe unter dem Vorzeichen der Aufstandsbekämpfung. "Das PCIM beruht auf einem sicherheitspolitischen Primat zur Wiederherstellung der staatlichen Kontrolle", heißt es in dem 18 seitigen Abschlussbericht. Die Auswahl der "Konsolidierungszonen" erfolge allein anhand sicherheitspolitischer Maßstäbe. "Es gibt Anzeichen dafür, dass z.B. Infrastrukturmaßnahmen militärischen Zwecken untergeordnet sind."

"Ein Beitrag des PCIM zur Verbesserung der Menschenrechtslage ist nicht erkennbar." Im Gegenteil liege der Verdacht nahe, dass die Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung von den Sicherheitskräften geduldet und gefördert wurden. In mehren Landkreisen der Region steige die Mordrate seit Inkrafttreten des Entwicklungsplans sogar an. Aktivisten für Menschenrechte und soziale Führungskräfte genießen keinen ausreichenden Schutz vor Übergriffen und Bedrohungen, kritisieren die deutschen NGOs. "Mit dieser Problematik sind auch unsere lokalen Partner konfrontiert."

Als problematisch sehen die NGOs, die teilweise seit Jahren in der Region aktiv sind, auch die innerhalb des Programms geplante Bodenreform. Ein solches Vorhaben müsse der "Legalisierung von Landenteignung" aktiv entgegenwirken. Der Hintergrund für diese Befürchtung ist, dass Militärs und Paramilitärs in vielen Regionen Kolumbiens die bäuerliche Bevölkerung von ihrem Land vertrieben haben, und es anschließend selber wirtschaftlich nutzen, um dort extensive Landwirtschaft, etwa den Anbau der Ölpalme, zu betreiben.

Caritas international, kolko e.V. und Misereor befürchten, dass eine Unterstützung für die Aufstandsbekämpfung in Kolumbien einen Verstoß gegen das Humanitäre Völkerrecht darstellen könnte: "In Anbetracht der Gefährdung der Zivilbevölkerung durch das Militär sollte geprüft werden, ob die Unterstützung eines Programms, dessen Bestandteil die militärische Koordinierung ist, mit dem Respekt des Humanitären Völkerrechtes konform ist."