Eskalation nach Festnahme von Drogenboss erwartet

Experten befürchten verschärfte Konflikte nach der Festnahme von Daniel Barrera. Venezuela weiter von kolumbianischen Drogenexporten betroffen

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Daniel "El Loco" Barrera nach seiner Festnahme in Venezuela
Daniel "El Loco" Barrera nach seiner Festnahme in Venezuela

Bogotá. Der kolumbianische Think-Tank Nuevo Arcoiris sieht nach der Festnahme des international gesuchten Kartellchefs Daniel Barrera kein Ende der organisierten Gewalt und des Drogenschmuggels in Venezuela und Kolumbien. Die Festnahme Barreras in der venezolanischen Grenzstadt San Cristóbal verdeutliche vielmehr, dass die Grenze zwischen Venezuela und dem Nachbarland Kolumbien umkämpft bleibe, sagte Ariel Fernando Ávila, Sprecher des Zusammenschlusses aus Wissenschaftlern, Journalisten und anderen Experten im Bereich der Drogenpolitik. "Es ist zudem klar geworden, dass dabei das Thema der Guerilla im Vergleich mit dem organisierten Verbrechen nur von minoritärer Bedeutung ist", erklärte Ávila.

Der kolumbianische Staatsbürger Daniel Barrera war am Dienstag vergangener Woche in der venezolanischen Grenzstadt San Cristóbal festgenommen worden. Mittlerweile haben sowohl die kolumbianische Regierung als auch Behörden in den USA Auslieferungsanträge an Venezuela gerichtet. Der als "El Loco" (der Verrückte), bekannte Daniel Barrera gilt als einer der meistgesuchten Kartellchefs Lateinamerikas. Im kolumbianisch-venezolanischen Tiefland hatte er seit den 1980er Jahren ein kriminelles Netzwerk aufgebaut, das eng mit paramilitärischen Milizen verbunden war, die mithilfe des Drogenhandels die Bekämpfung von Aufständischen finanzieren. 

Die erfolgreiche Festnahme des Kartellchefs Barrera führte Ávila auf die seit dem Amtsantritt von Präsident Juan Manuel Santos verbesserte Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden in Venezuela und Kolumbien zurück. Die seitdem in Venezuela erfolgten Festnahmen der ebenfalls international gesuchten Drogenbosse Diego Pérez Henao alias "Diego Rastrojo" und Maximiliano Bonilla Orozco alias "Valenciano" seien Zeichen dafür, dass sich die Kooperation beider Länder in der Drogenbekämpfung verbessere.

Der kolumbianische Präsident Santos bedankte sich nach der Festnahme umgehend bei seinem venezolanischen Amtskollegen für die "totale Zusammenarbeit" und bezeichnete Barrera als "den letzten großen Kartellchef". Der venezolanische Innenminister Tarek El Aissami bewertete die Festnahme Barreras als "die Wichtigste, seit es in diesem Land eine Antidrogenpolitik gibt".

Übereinstimmung mit den offziellen Positionen sieht der Drogenexperte Ariel Fernando Ávila darin, dass mit Barrera "eine Generation von Kartellbossen" zu ihrem Ende gekommen sei. Eine Abnahme von Drogenschmuggel und dem Kampf krimineller Gruppen um territoriale Kontrolle und Absatzmärkte sei jedoch keineswegs in Sicht. Die Festnahme Barreras bedeute weder "das Ende des Drogenschmuggels, noch des Kokainhandels". Vielmehr, so Ávila weiter, "sind wir am Beginn einer neuen Ära mit wesentlich zerstreuteren, dezentraleren kriminellen Strukturen ohne sichtbare Führungen."

Für die kommenden Monate rechnet Ávila mit zunehmenden Konflikten um Drogenrouten, die nun der Kontrolle Barreras entfallen. "Die mexikanischen Kartelle könnten Kommissionäre schicken, aber auch die Urabeños oder mittlere Führungsränge aus Barreras Kartell" könnten dabei zu den Konfliktakteuren zählen. Auch der Politikwissenschaftler Kyle Johnson von der University of Connecticut sieht die Urabeños auf dem Sprung, ihre Kontrolle auf das kolombianisch-venezolanische Tiefland der Llanos auszuweiten. Das Urabeños-Kartell zählt ebenso wie die von Barrera geführten "Antisubversive Volksarmee" (ERPAC) zu den neuen kriminellen Strukturen, die sich nach den Demobilisierungsprozessen der paramilitärischen "Selbstverteidigungskräfte Kolumbiens" (AUC) reorgansierten.