Venezuela / Medien

Reporter ohne Grenzen gegen Venezuela

Die Organisation Reporter ohne Grenzen droht Venezuela mit einer Kampagne. Anlass sind Verfahren gegen den privaten Fernsehsender Globovisión

Caracas. Am vergangenen Freitag veröffentlichte die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) eine Pressemitteilung, in der gegen den privaten venezolanischen Fernsehsender Globovisión eingeleitete Verfahren als "juristisch vollständig unzulässig" bezeichnet werden. Ein Verfahren war am Vortag von der Comisión Nacional de Telecomunicaciones (CONATEL) gegen den privaten Sender eröffnet worden. Anlass: Der Kanal hatte in der Nacht der Regionalwahlen einen Aufruf des rechten Kandidaten im Bundesstaat Carabobo veröffentlicht, in dem sich dieser vorzeitig zum Sieger erklärte. Der Oppositionelle rief zugleich zur Besetzung des Nationalen Wahlrats (CNE) auf, um "das Wahlergebnis zu verteidigen".

Nach Ansicht der venezolanischen Regulierungsbehörde, dem Directorio de Responsabilidad Social, verstieß der private Kanal damit möglicherweise sowohl gegen die Wahl- als auch gegen die Mediengesetzgebung. Nach dem Wahlgesetz dürfen venezolanische Medien keine Wahlergebnisse vor der ersten Bekanntmachung durch den CNE veröffentlichen. Weiterhin habe der Kandidat zur Gewalt gegen öffentliche Institutionen aufgerufen, als er die Bevölkerung von Carabobo aufforderte, das regionale Büro des Wahlrates zu besetzen, erklärt Marcos Hernández, Direktor der Regulierungsbehörde.

Zu diesem Zeitpunkt prüfte CONATEL bereits die Eröffnung eines Verfahrens gegen Globovisión. Am 13. Oktober hatte der Verleger und Herausgeber der Tageszeitung El Nuevo País, Rafael Poleo, in der Live-Sendung Aló Ciudadano bei Globovisión gesagt: "Pass auf, Hugo. Nicht dass du endest wie dein Amtskollege Benito Mussolini, aufgehängt und mit dem Kopf nach unten, weil du wie Mussolini wirkst. (...) Chávez ist ein umnachteter Faschist." Ein Hintergrund der Diskussion war die Verhaftung mehrerer ehemaliger Militärs. Ihnen wird vorgeworfen, einen Staatsstreich gegen die aktuelle Regierung vorbereitet zu haben. Die Beschuldigten haben laut Staatsanwaltschaft geplant, den Präsidentpalast Miraflores zu bombardieren und den Staatschef zu ermorden.

Reporter ohne Grenzen stellt nun die Rechtskompetenz der venezolanischen Regulierungsbehörde in Frage: "Alles weist darauf hin, dass dies ein Manöver ist, um dem Kanal, der für seine kritische Haltung gegenüber der Regierung von Hugo Chávez bekannt ist, die Lizenz zu entziehen." Diese These bezeichnet Marcos Hernández als absurd. Nach dem Gesetz seien die weitgehendsten Sanktionsmöglichkeiten eine Geldstrafe und die zeitweise Abschaltung des Senders für maximal 72 Stunden. Die Lizenz für die terrestrische Ausstrahlung von Globovisión wurde vor 14 Jahren erteilt und läuft noch bis zum Jahr 2014.

Trotzdem drohen die Reporter ohne Grenzen der venezolanischen Regierung nun mit einer politischen Kampagne: "Der Präsident sollte sich an den Präzedenzfall RCTV erinnern" heißt es in ihrer Presserklärung. Die venezolanische Regierung hatte die Lizenz für die terrestrische Ausstrahlung des Senders RCTV im Mai 2007 nach 20 Jahren Laufzeit nicht verlängert, sondern sie an den neuen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Tves vergeben. Daraufhin mobilisierten Privatmedien und Opposition in Venezuela wochenlang mit gewalttätigen Straßenprotesten gegen die angebliche "Schließung" des Senders. Bei diesen Mobilisierungen hatte die Organisation Reporter ohne Grenzen bereits eine prominente Rolle gespielt. Ihr Gründer, Robert Ménard, hatte sich gemeinsam mit dem Eigentümer von RCTV, Marcel Granier, einige Tage vor dem Auslaufen der Frequenz in den Produktionsräumen des Senders einquartiert und einen Bericht verfasst, der den Vorwurf der "Schließung des letzten privaten Senders durch ein autoritäres Regime" international verbreiten sollte. Bis heute sind sowohl RCTV als auch 350 weitere Kanäle privater Anbieter überall in Venezuela zu empfangen - mit der Einschränkung, dass RCTV nur noch über Kabelanbieter und Satellit ausgestrahlt wird.

Auch in Venezuela bereiten sich private Medien und Opposition wieder auf eine Kampagne vor, in deren Mittelpunkt die angebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit in Venezuela stehen wird. Alberto Federico Ravell, Direktor von Globovisión, erklärte am Samstag vor der Presse, sein Sender würde sich darauf einstellen, den 14. Geburtstag mit einer Unterbrechung der Ausstrahlung zu begehen: "Das Geschenk der Regierung zu unserem Jahrestag könnte die Stilllegung von Globovisión sein. Die Regierung hat die Lektion aus der Schließung von RCTV anscheinend nicht gelernt", sagte er gegenüber der konservativen Tageszeitung El Nacional. Auch die venezolanischen Bischöfe schaltete sich in dieser Woche in die Diskussion ein. Sie griffen einem Urteil des Regulierungsgremiums vor und behaupteten "einen Angriff auf das Recht, über ein freies, offenes und kostenloses Signal Informationssendungen auszustrahlen."