Kolumbien / Politik

Interpol: Guerilla-Dokumente nicht verändert

Untersuchungsergebnisse vorgelegt: keine Manipulation entdeckt. Bogotá hat jedoch Prinzipien im Umgang mit elektronischen Beweisen missachtet

Bogotá. Interpol hat keine Fälschung der bei einem Überfall der kolumbianischen Armee auf ein Guerilla-Camp in Ecuador Anfang März sichergestellten Computerdaten feststellen können. Dies teilte der Generalsekretär von Interpol, Ronald K. Noble, in einer Pressekonferenz am Donnerstag in der kolumbianischen Hauptstadt mit. Venezuela und Ecuador hatten vorher die Echtheit der Dokumente angezweifelt und der kolumbianischen Regierung und ihrem Sicherheitsapparat Manipulation vorgeworfen.

Interpol-Generalsekretär Noble hob zwar hervor, dass man "keinen Beweis für eine Modifikation" der Daten gefunden habe, die die kolumbianische Regierung an die internationale Polizei-Organisation zur Untersuchung übergeben hatte. Andererseits seien die Daten allein in den ersten drei Tagen nach dem Angriff auf das Camp durch eine kolumbianische Anti-Terror-Einheit über 48000-mal aufgerufen worden. Dabei seien "internationale Prinzipien im Umgang mit elektronischen Beweisen" missachtet worden, so Noble. Diese Abfragen hätten aber keine Veränderung der Daten zur Folge gehabt.

Die Regierung in Bogotá sieht sich nun in ihren Vorwürfen gegen Venezuela bestätigt, auch wenn Interpol keine inhaltliche Stellungnahme abgab: Noble wies darauf hin, dass Interpol nicht den Auftrag gehabt habe den Wahrheitsgehalt der Daten zu prüfen, sondern nur festzustellen, ob sie in irgendeiner Weise verändert worden seien. So betonte auch die venezolanische Botschaft in Washington in einer ersten Reaktion, dass die Auslegung der Informationen das Entscheidende sei. Selbst wenn die Daten selber nicht verändert worden seien, so habe die kolumbianische und die US-Regierung die Interpretation derselben manipuliert.

Nach dem kolumbianischen Angriff auf das Guerilla-Camp hatte Bogotá eine handvoll Dokumente an die Öffentlichkeit und ausgewählte Medien gegeben, die eine umfangreiche Unterstützung der Guerilla-Organisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (FARC) durch die venezolanische Administration beweisen sollte. Die venezolanische Botschaft in Washington wandte sich nun besorgt an die internationale Gemeinschaft: Kolumbien und die USA hätten die waghalsigsten und unverantwortlichsten Vorwürfe gegen Venezuela erhoben, die durch den Interpol-Bericht nun von einigen Medien zu Tatsachen erklärt werden, obwohl sich Interpol zu den Inhalten nicht geäußert hat. Die venezolanische Regierung hatte die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen und den Beschuldigungen jeglichen Wahrheitsgehalt abgesprochen.

Erst kürzlich haben zudem 25 US-Wissenschaftler nach Auswertung der bisher veröffentlichten "Reyes-Dokumente" festgestellt, dass die Regierung in Bogotá deren Inhalt "wesentlich übertrieben hat". Zum selben Schluss kam der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), José Miguel Insulza, bereits am 10. April 2008: "Es gibt keine entsprechenden Beweise und bislang hat kein Mitgliedsstaat der OAS - auch nicht die USA - entsprechende Beweise vorgelegt".

Die nun stattgefundene Interpol-Untersuchung war äußerst aufwendig: über 600GB Daten wurden untersucht. Darunter fast 40000 Textdokumente, 500 Tabellen, 200000 Bilder, 22000 Webseiten, 8000 Email-Adressen, 10000 Multimedia-Files und 1000 verschlüsselte Dateien. Interpol setzte 10 vernetzte Computer zur Prüfung ein. Diese rechneten zwei Wochen ununterbrochen.


Die ausführliche Meldung des englischsprachigen Onlineportals Venezuelanalysis.com finden Sie hier.

Auch das Internetportal Heise-Online setzt sich kritisch mit der Interpol-Untersuchung auseinander: Interpol-Forensiker zwischen den Fronten