Mercosur-Datenbank zur Operation Cóndor

Informationen von 71 Institutionen aus Argentinien, Brasilien, Chile, Uruguay und Paraguay erfasst

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Argentinien: Bilder von Verschwundenen
Argentinien: Bilder von Verschwundenen

Buenos Aires. Die Mitgliedstaaten des südamerikanischen Regionalbündnisses Mercosur haben die erste gemeinsame Datenbank über die geheimdienstliche Kooperation der südamerikanischen Diktaturen in den 1970er und 80er Jahren geschaffen. Diese Zusammenarbeit der Repressionsorgane bei der Verfolgung und Ermordung von linken Oppositionellen und Widerstandskämpfern wurde unter dem Codenamen Operación Cóndor bekannt. Die Operation Cóndor war eine auch durch den US-amerikanischen Geheimdienst CIA koordinierte Geheimoperation der Diktaturen in Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Paraguay und Uruguay, um politische Gegner auszuschalten und deren Familien und Freunde einzuschüchtern.

Die nun angelegte Datenbank wurde durch die gemeinsame Arbeit von Spezialisten der Mitgliedsländer des Staatenbündnisses ermöglicht. Die publizierten Akten sollen dabei helfen, die Befehlsstrukturen in den Geheimdiensten der Diktaturen aufzudecken. Die Datenbank wurde vom Institut öffentlicher Menschenrechtspolitiken des Mercosur (Ippdh) in Buenos Aires aufgebaut. Bislang sind darin Informationen und Zugänge zu 115 Datenbanken von 71 Institutionen aus Argentinien, Brasilien, Chile, Uruguay und Paraguay erfasst.

Auch ausländische Diplomaten, Politiker und andere Prominente wurden Opfer dieses dunklen Kapitels in der Geschichte der Länder dieser Region. Die argentinische Journalistin Stella Calloni, die sich über Jahre intensiv mit der Rolle der CIA in den Diktaturen Südamerikas auseinandergesetzt hat, wies kürzlich in einem Interview mit der spanischen digitalen Zeitung público.es darauf hin, dass die CIA "führend und protegierend" an mehreren Morden beteiligt war. So an der Ermordung des chilenischen Generals Carlos Prats – dies geschah in Zusammenarbeit mit den berüchtigten Paramilitärs der "Antikommunistischen Allianz Argentinien" –, der Folterung und Ermordung zweier kubanischer Diplomaten 1976, der Ermordung des chilenischen Ex-Botschafters Orlando Letelier in Washington sowie des bolivianischen Ex-Präsidenten Juan José Torres im selben Jahr im argentinischen Exil. Viele der Attentäter lebten weiterhin straffrei unter dem Schutz der US-amerikanischen Geheimdienste.

Die nun erfolgte Veröffentlichung der Archive im Internet dient nach Angaben des Leiters des Ippdh, Víctor Abramovich, der Unterstützung der "Technischen Gruppe zum Erhalt von Daten, Informationen und Archiven für den Nachweis der Koordination der Repression im Cono Sur, insbesondere der Operation Cóndor". Diese Organisation arbeite im Rahmen der Ständigen Kommission für Gedächtnis, Wahrheit und Gerechtigkeit des Rats der Hohen Behörden für Menschenrechte und der Außenministerien des Mercosur und der beisitzenden Staaten.

Abramovich hebt insbesondere die Unterstützung der argentinischen Regierungen von Néstor Kirchner und Cristina Fernández im vergangenen Jahrzehnt bei der Erinnerungs- und Wahrheitsarbeit hervor. Es mache einen großen Unterschied, ob man bei der Aufarbeitung der Geschichte und der Erinnerungsarbeit gegen den Staat oder mit einem Staat als Alliiertem arbeite. Eine Systematisierung dieser Informationen wäre kaum vorstellbar gewesen ohne Institutionen, die bereit waren, innerhalb des Staates nach entsprechenden Beweisen zu suchen. Zweifellos hätten die in der Datenbank erfassten Länder großen Anteil daran, diese Daten zugänglich zu machen, obwohl es noch einige Schwierigkeiten beim Zugriff auf die bereitgestellten Informationen gebe, so der Direktor des Ippdh.

Seit dem 5. März dieses Jahres findet in der argentinischen Hauptstadt ein Strafverfahren statt, welches die Zusammenarbeit der lateinamerikanischen Diktaturen und ihre gemeinsame Verantwortung für Menschenrechtsverbrechen behandelt. Wegen ihrer aktiven Beteiligung an der Operation Cóndor sitzen 25 argentinische Exmilitärs auf der Anklagebank, wobei insgesamt 108 Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu vier Fällen zusammengefasst werden. Die Zeugenbefragungen begannen am 17. Mai, insgesamt ist die Anhörung von etwa 500 Zeugen geplant. Daher wird eine Prozessdauer von mindestens zwei Jahren erwartet.

Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen sind während der Diktatur alleine in Argentinien von 1976 bis 1983 etwa 30.000 Menschen "verschwunden" und ermordet worden.