Opferfamilien protestieren vor Colonia Dignidad in Chile

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Proteste vor der Colonia Dignidad in Chile
Proteste vor der Colonia Dignidad in Chile

Parral, Chile. Unmittelbar vor den landesweiten Gedenkveranstaltungen für die Opfer des chilenischen Militärputsches vom 11.09.1973 haben am Wochenende Angehörige von Verschwundenen – bereits zum dritten Mal in diesem Jahr – an den Toren der Deutschensiedlung Colonia Dignidad protestiert. Das berichtet das in Berlin ansässige Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika. Dabei griffen sie erstmals zu einer radikaleren Aktionsform: Acht Frauen, die Bilder ihrer ermordeten Angehörigen auf der Brust trugen, ketteten sich an das Eingangstor der Colonia Dignidad und versperrten somit die Zufahrt zur Siedlung, die sich heute u.a. auch durch einen Tourismusbetrieb finanziert. Sie forderten ein sofortiges Gespräch mit der Gouverneurin von Linares, Claudia Aravena. Als diese vor Ort eintraf, kam es zu einem verbalen Schlagabtausch. Die Protestierenden äußerten ihren Unmut darüber, dass an dem Ort, an dem ihre Angehörigen gefoltert und ermordet wurden, heute ein Restaurant und ein Hotel betrieben werden. Die Vergangenheit als Folter- und Vernichtungsstätte würde von den Betreibern der Siedlung, die heute "Villa Baviera" heißt, komplett verschwiegen.

"Wir wollen endlich wissen, was an diesem Ort des Grauens mit unseren Angehörigen passiert ist", sagte Maria Cristina Escanilla, deren damals 15-jähriger Bruder Claudio im Jahr 1973 vermutlich in der Colonia Dignidad ermordet wurde. Als Bedingung für die Beendigung der Blockade des einzigen Zufahrtsweges zur Siedlung forderten die Frauen die sofortige Einberufung eines Runden Tisches seitens der Regionalregierung. Nach einem Telefonat der Gouverneurin mit dem Intendenten der Provinz Maule, Hugo Veloso, wurde eine erste Zusammenkunft des Runden Tisches für den morgigen Mittwoch vereinbart. Nach dieser Zusicherung wurde die Protestaktion beendet und die etwa 70 Demonstranten zogen zum nahegelegenen Perquilauquenfluss, um dort Blumen abzulegen.

Deutsche Siedler hatten bereits vor mehreren Jahren gegenüber dem Ermittlungsrichter gestanden, dass die Asche Dutzender verbrannter Leichen von Personen, die in der Colonia Dignidad erschossen wurden, Ende der siebziger Jahre in diesen Fluss geschüttet wurde.

Bis heute wurde allerdings kein Mitglied der Colonia Dignidad wegen dieser Verbrechen zu einer rechtskräftigen Haftstrafe verurteilt.