Kolumbien / Politik / Militär

Sorge um Friedensprozess in Kolumbien

Präsident Santos suspendiert Friedensgespräche. Forderungen nach Waffenruhe werden lauter. Regierung und Armee lehnten dies wiederholt ab

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Präsident Santos mit Ministern und Militärs
Präsident Santos mit Ministern und Militärs

Bogotá/Havanna. Nach der Aussetzung der Gespräche mit der FARC-Guerilla durch Präsident Juan Manuel Santos fordern Politiker, Sprecher sozialer Bewegungen und Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Bereiche die Fortführung des Friedensprozesses und einen sofortigen Waffenstillstand. In den sozialen Netzwerken startete unter "#TreguaYA" (Waffenruhe jetzt) eine Kampagne, die großen Zuspruch erhält.

Santos hatte am Montag die Abreise der Verhandlungsdelegation zum Dialog nach Havanna suspendiert, nachdem General Rubén Darío Alzate mit zwei Begleitern am Tag zuvor von Bewaffneten festgesetzt worden war. Die Regierung macht die FARC für das Verschwinden des ranghohen Militärs verantwortlich.

Die Rebellen haben für den heutigen Dienstag eine Stellungnahme zu dem Zwischenfall und der Entscheidung der Regierung angekündigt.

Die Beauftragte für die Rechte der Opfer, für Frieden und Versöhnung, Ana Teresa Bernal, forderte ein Ende der Auseinandersetzungen zwischen Streitkräften und FARC, um die Kontinuität der Friedensgespräche zu sichern. Zwei Jahre nach deren Beginn sei es nicht zu rechtfertigen, dass der Krieg weitergeführt werde, so Bernal gegenüber der kubanischen Nachrichtenagentur Prensa Latina.

Clara Lopez, Vorsitzende der Partei Demokratischer Pol, forderte die Fortsetzung der Verhandlungen, nachdem bereits in drei Tagesordnungspunkten Vereinbarungen erzielt worden seien. Der Friedensbeauftragte der Regierung Andrés Pastrana (1998 bis 2002), Victor Ricardo,  betonte, dass "Nachrichten dieser Art" zu erwarten seien, solange die Feindseligkeiten zwischen den beiden Seiten nicht beendet sind. Die Menschenrechtsaktivistin Piedad Cordoba sprach sich ebenfalls für einen sofortigen Waffenstillstand aus. Von seinem Facebook-Profil rief der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Kolumbiens, Jaime Caycedo, am Montag dazu auf, Kräfte zu bündeln, um das Ende des Krieges zu errreichen. Er äußerte sich besorgt über die bewaffneten Zusammenstöße inmitten des Dialoges. Man sollte mit der Waffenruhe nicht bis zur Unterzeichnung der Vereinbarungen warten, denn mit jedem Tag erhöhe sich die Zahl der Opfer, so Caycedo. Zugleich warnte er vor den Plänen und Propagandakampagnen rechter Sektoren, um die Friedensgespräche zu sabotieren.

General Rubén Darío Alzate und seine zwei Begleiter waren von bewaffneten Männern festgesetzt worden, als sie am Sonntagnachmittag mit einem Schnellboot auf einem Fluss im Osten Kolumbiens unterwegs waren. Einem weiteren beteiligten Soldaten gelang die Flucht. Er informierte die Armee und gab an, dass es sich bei den Bewaffneten um Mitglieder der 34. Front der FARC gehandelt habe.

Präsident Santos bezeichnete die Tat als "absolut inakzeptabel". Die Gespräche in Havanna würden erst fortgeführt, wenn Alzate und seine beiden Begleiter – der Obergefreite Jorge Rodríguez Contreras und Rechtsanwältin Gloria Urrego, Koordinatorin von Spezialprojekten der Streitkräfte – freigelassen würden. "Wir machen die FARC für das Leben und die Sicherheit dieser drei Personen verantwortlich und wir fordern sie zur schnellstmöglichen Freilassung auf", so Santos, der zuvor mit der Armeespitze zusammengekommen war.

Vom Verteidigungsministerium und dem Oberbefehlshaber der Streitkräfte forderte der Präsident Aufklärung darüber, warum Brigadegeneral Alzate "sämtliche Sicherheitsvorschriften gebrochen hat" und in Zivil in einer umkämpften Zone gewesen sei.

Inzwischen ist in der ostkolumbianischen Stadt Quibdó eine Militäroperation angelaufen, um Maßnahmen zur Befreiung der Festgenommen zu ergreifen.

In den vergangenen Tagen hatten die FARC nach schweren Gefechten im Nordosten des Landes bereits zwei Soldaten gefangengenommen. Die Aufständischen sehen diese Militärs als Kriegsgefangene in einem laufenden militärischen Konflikt an. Die Regierung hat diesen Status jedoch stets abgelehnt und spricht von "gekidnappten Personen". Die Anerkennung der Militärs in den Händen der Guerilla als Kriegsgefangene würde bedeuten, dass die Regierung die FARC nach geltenden völkerrechtlichen Bestimmungen als kriegführende Partei offiziell anerkennt.

Die FARC hatten der Regierung seit Beginn der Friedensverhandlungen wiederholt einen Waffenstillstand angeboten. Die Regierung und die Armee hatten dies jedoch stets abgelehnt. Noch am Freitag hatte das Verteidigungsministerium den "Tod von drei Terroristen", also Mitgliedern der FARC, verkündet.