Kolumbien / Politik

Präsident Santos redet vom Frieden – und lässt bombardieren

Staatschef von Kolumbien diskutiert mit internationalen Experten. Einseitige Waffenruhe der FARC-Guerilla fragil. Anhaltende Angriffe der Armee

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Bild auf der Startseite der kolumbianischen Streitkräfte
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Cartagena, Kolumbien. Im Rahmen einer viertägigen Klausurtagung hat Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos mit staatlichen Friedensunterhändlern und internationalen Beratern eine Bilanz der bisherigen Friedensgespräche mit den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens (FARC) gezogen. Ziel war außerdem die Ausarbeitung eines Fahrplans für die Gespräche in diesem Jahr über die noch offenen Verhandlungspunkte sowie die "Konsolidierung“ der bisher erzielten Einigungen (Landfrage, politische Partizipation und illegale Drogen). Ergebnisse sollen nicht bekannt gegeben werden.

An dem Treffen, das seit dem vergangenen Freitag in Cartagena hinter verschlossenen Türen stattfand, nahmen als internationale Gäste teil: Joaquín Villalobos, Ex-Kommandant der Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) aus El Salvador und seit Mitte der 1990 Jahre politischer Berater rechtsgerichteter Regierungen in Lateinamerika; Harvard-Professor William Ury (USA), Experte für Verhandlungs- und Konfliktmanagement; Jonathan Powell, Ex-Stabschef (1995 bis 2007) des britischen Premierministers Tony Blair sowie der frühere israelische Außen- und Sicherheitsminister Schlomo Ben Ami. Der Salvadorianer Villalobos beriet bereits Kolumbiens Präsident Àlvaro Urtibe gegen die FARC und den mexikanischen Präsidenten Felipe Calderón gegen die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN). Der Brite Powell war an den Verhandlungen mit der irischen Unabhängigkeitsbewegung Sinn Fein beteiligt.

Mitglieder der parlamentarischen Friedenskommission begrüßten das Zusammentreffen. Die Erfahrungen und Lehren aus anderen Orten der Welt zu sammeln, sei eine Bereicherung für "unseren so schwierigen, aber für Kolumbien so notwendigen Prozess", sagte Ángela María Robledo. Für Senator Horacio Serpa sendet Santos damit "die klare Botschaft an die Kolumbianer, dass dieses Jahr 2015 das Jahr des Friedens" sein werde.

Aktivisten des Bündnisses "Breite Front für den Frieden und die Demokratie" und Mitglieder der FARC-Friedensdelegation haben dagegen unlängst vor einer Gefährdung der Waffenruhe durch Operationen der Streitkräfte und der Polizei in verschiedenen Regionen des Landes gewarnt. Seit Beginn des einseitigen Waffenstillstandes der Guerilla am 20. Dezember sei es wiederholt zu Truppenbewegungen und zur Absetzung von Soldaten aus Hubschraubern in den umkämpften Gebieten gekommen. Die Regierung suche offenbar die Konfrontation, um einen Bruch der Waffenruhe zu provozieren. Menschenrechtsorganisationen berichten, dass bei Bombardierungen vermeintlicher Guerilla-Stellungen durch die Luftwaffe in der Gemeinde Uribe der Hof einer Bauernfamilie mehrfach getroffen und zerstört wurde. Die Familie musste fliehen.

Die Breite Front, ein Zusammenschluss verschiedener sozialer und politischer Bewegungen sowie von Bauern-, Indigenen-, und Afrokolumbianischen Organisationen, kontrolliert auf Wunsch der FARC die Waffenruhe. Bislang habe die Guerilla sich daran gehalten. Dies käme dem "Leben und der Integrität der Gemeinden" zugute, heißt es in einer Stellungnahme. Das Bündnis sei mehrfach mit der Ombudsfrau sowie Vertretern der Union Südamerikanischer Nationen (Unasur) und der katholischen Kirche zusammengetroffen. Ein ständiger Dialog und gemeinsame Aktionen seien vereinbart worden, um "das Ende der Feindseligkeiten" zu fördern und die Intensität des bewaffneten Konfliktes zu reduzieren. Das Bündnis werde die Öffentlichkeit regelmäßig über die Entwicklung informieren. Von der Regierung Santos fordert es erneut einen bilateralen Waffenstillstand.

Unterdessen meldeten kolumbianische Medien unter Berufung auf eine Mitteilung der Streitkräfte die Verhaftung eines angeblichen Führungsmitglieds einer Einheit der FARC in der Region Huila. Carlos Andrés Bustos alias Richard wurde demnach "bei Gefechten" schwer verletzt und festgenommen. An der Operation seien sowohl die Armee als auch die lokale Polizei beteiligt gewesen. Die "sorgfältige Planung" habe es ermöglicht, eine Gruppe von zwölf Guerilleros zu stellen. Diese hätte sofort das Feuer eröffnet, um "Richard" zur Flucht zu verhelfen. Mit ihm sei auch einer seiner Sicherheitsleute verhaftet worden, heißt es in dem Kommuniqué.

Die Regierung Santos und die FARC verhandeln seit November 2012 in der kubanischen Hauptstadt Havanna, um ein Ende des seit 50 Jahren andauernden bewaffneten Konfliktes zu erreichen.