Kolumbien / EU / Politik

Anhörung im Europaparlament zum Frieden in Kolumbien

Vertreter der Konfliktparteien reden per Direktübertragung vor Ausschuss in Straßburg. Erwartungen hinsichtlich Engagement der EU im Friedensprozess

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Iván Márquez war live aus Havanna zugeschaltet
Iván Márquez war live aus Havanna zugeschaltet

Straßburg. Der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten im Europäischen Parlament hat eine Anhörung zum Stand der Friedensverhandlungen in Kolumbien ausgerichtet. Die vom Vorsitzenden Elmar Brok (CDU) geleitete Sitzung informierte sich dabei durch Liveschaltungen nach Bogotá und Havanna. Der Hochkommissar der kolumbianischen Regierung für den Frieden, Sergio Jaramillo, und der Leiter der Delegation der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) für die Friedensgespräche, Iván Márquez, standen nach kurzen Ansprachen den Parlamentariern für Fragen zur Verfügung. Ebenfalls anwesend war der EU-Sonderbeauftragte für die Friedensverhandlungen in Kolumbien, Eamon Gilmore.

Beide Vertreter der Konfliktparteien betonten die Bedeutung eines Engagements der Europäischen Union (EU) für den Friedensprozess in Kolumbien. Der Hochkommissar der Regierung erinnerte die Abgeordneten an die erst wenige Tage zurück liegende, einstimmige Selbstverpflichtung des UN-Sicherheitsrats, die Verantwortung für die Überwachung der Umsetzung des noch dieses Jahr erwarteten Friedensvertrags zu übernehmen. Jaramillo zeichnete die bisher erreichten Einigungen bei der Agenda der Friedensgespräche nach, die seit November 2012 in der kubanischen Hauptstadt geführt werden.

Insbesondere für die ländliche Entwicklung, die bei den Gesprächen eine zentrale Rolle spielt, drückte Jaramillo die Erwartung aus, dass die EU über einen Treuhandfonds Fördermittel bereitstellt. Nur wenn auf dem Land alternative Anbaumöglichkeiten entstünden, seien die Bauern vom Koka-Anbau abzubringen. Weiter bescheinigte er den Farc die Fähigkeit, die Friedensvereinbarungen auf allen Ebenen ihrer Organisation durchzusetzen. Der Hochkommissar bedanke sich an erster Stelle bei Kuba für das Engagement im kolumbianischen Friedensprozess. Dieses Land mit knappen Mitteln habe für die Verhandlungen in Havanna alle Ressourcen bereit gestellt.

Iván Márquez äußerte in seiner Ansprache große Zufriedenheit über die erzielte Übereinkunft für eine Übergangsjustiz, die den internen Konflikt aufarbeiten soll. Erstmals würden dabei auch Verantwortliche einbezogen, die "keine Uniform getragen haben". In Erinnerung an das Problem der Straflosigkeit für die Gewalt gegen Gewerkschafter, Linkspolitiker, bäuerliche, indigene und Menschenrechtsaktivisten, bezog Márquez als Verantwortliche für Verbrechen ausdrücklich "Politiker, Unternehmer und Großgrundbesitzer" ein. Die "Doktrin der Inneren Sicherheit" des kolumbianischen Staates müsse durch eine "menschliche Sicherheit" ersetzt werden, die "Frieden für alle Kolumbianerinnen und Kolumbianer" bedeute.

Wie der Regerungsvertreter begrüßte auch Márquez, dass die EU einen Förderfonds für die ländliche Entwicklung aufsetzen wolle. Der Delegationsleiter der Farc forderte jedoch zusätzlich die europäischen Institutionen auf, die Guerillaorganisation umgehend aus ihrer Terrorliste zu entfernen. Die EU solle dies "mit der gleichen Beherztheit" tun, wie sie die Farc einst auf die Liste gesetzt hätte. Dies würde ein Zeichen für die Normalisierung des politischen Lebens in Kolumbien und für die Eingliederung der Rebellen setzen.

Verschiedene Nachfragen durch Parlamentarier im EU-Ausschuss nahmen Bezug auf die Verlässlichkeit bei der Umsetzung einer abschließenden Friedensvereinbarung.

Insbesondere wurde der Vertreter der Regierung auf die Situation des Paramilitarismus angesprochen und ihm Zahlen vorgehalten, wonach das Jahr 2015 einen Höhepunkt an Opfern unter Gewerkschaftern und Menschenrechtsaktivisten verzeichnet habe. Jaramillo versuchte zu beschwichtigen, indem er die heutige Lage mit Zeiten verglich, als die Linke Tausende Mitglieder durch staatliche Todeschwadronen und Paramilitärs verlor. Der Paramiliarismus habe heute keinen Anti-Aufstandscharakter mehr sondern bilde lediglich kriminelle Banden, so Jaramillo.

Die Übertragung der Anhörung im Europaparlament auf dessen offizieller Webseite war während der Rede von Márquez von "technischen Ausfällen" begleitet. Die Simultanübersetzung ins Deutsche fiel zeitweise mit der Begründung einer schlechten Tonqualität aus Kuba aus. Eine private Aufzeichnung der Veranstaltung zeigt jedoch eine durchgehend funktionierende Zuschaltung des Gastes aus Havanna.