Brasília. Am heutigen Mittwoch stimmt der brasilianische Senat als letzte Instanz über die Initiierung des Amtsenthebungsverfahrens gegen die Staatspräsidentin Dilma Rousseff von der Arbeiterpartei (PT) ab. Die Oppositionsparteien beschuldigen Rousseff, den Haushalt beschönigt zu haben. Die Präsidentin hat jedoch wiederholt darauf hingewiesen, dass es sich um einen politischen Prozess handele, weil es keine Beweise für die Anschuldigungen gebe. Ihre Gegner wollten "die Macht auf indirektem Wege usurpieren".
Sollte der Senat für die Aufnahme des Verfahrens stimmen, übernähme Vizepräsident Michel Temer für bis zu 180 Tage die Amtsgeschäfte. Er gehört der Partei der Brasilianischen Demokratischen Bewegung (PMDB) an, die bis März mit Rousseffs PT koaliert hatte, seitdem aber die Politik gegen sie unterstützt. Zum Abschluss des Amtsenthebungsprozesses müssten zwei Drittel der Senatoren für die Absetzung der Präsidentin votieren. Andernfalls kann Rousseff wieder ins Amt zurückkehren.
Der Beschlussfassung des Senats sind turbulente Tage vorausgegangen. Der Übergangspräsident der Abgeordnetenkammer, Waldir Maranhão, verkündete am Montag, den Beschluss für ein Amtsenthebungsverfahren gegen die Präsidentin vom 17. April aufzuheben, die Unterhaussitzungen vom 15., 16. und 17. April zu annullieren und das Verfahren in fünf Sitzungen erneut von der Kammer diskutieren zu lassen.
Die Oppositionsparteien im Parlament riefen danach den Ethikrat des Abgeordnetenhauses an, mutmaßlich um die Nominierung Maranhãos zum Präsidenten der Kammer untersuchen zu lassen. Außerdem drohte die Partei- und Fraktionsführung der Partido Progresista (PP) ihrem Mitglied Maranhão, ihn aus der Partei auszuschließen und ihm sein Mandat zu entziehen. Senatspräsident Renan Calheiros, ein Parteifreund von Temer, erklärte, die Entscheidung seines Amtskollegen im Unterhaus zu ignorieren und das Amtsenthebungsverfahren gegen Rousseff im Senat fortzusetzen.
Maranhão gab daraufhin am Dienstagmorgen in einem kurzen offiziellen Schreiben bekannt, dass er seine Entscheidung vom Vortag zurückziehe. Seinen plötzlichen Gesinnungswandel begründete er nicht und verweigerte gegenüber der Presse jede Stellungnahme. Trotz seines Rückziehers diskutierte die PP über einen Ausschlussantrag gegen Maranhão.
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Unterdessen blockierten soziale Bewegungen, die Landlosen-Organisation MST, die Bewegung der obdachlosen Arbeiter (MTST), Studenten, Bauernverbände und andere Zufahrts- und Hauptstraßen in zahlreichen Städten im gesamten Land, darunter Rio de Janeiro, São Paulo und Brasília. Auch die Gewerkschaftsverbände beteiligten sich während des gesamten Tages an den Blockaden. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen folgten damit einem Aufruf zum "Nationalen Kampftag zur Verteidigung der Demokratie und gegen den Staatsstreich" der Brasilianischen Volksfront und der Volksfront ohne Angst.
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