Peru / Menschenrechte

Peruanerinnen erheben ihre Stimme gegen Gewalt gegen Frauen

Seit 2011 wurden in Peru über 490 Frauen getötet. 2016 bereits 54 Frauenmorde und 118 Fälle von versuchtem Mord registriert. Weitgehende Straflosigkeit

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"Ni una menos"-Demonstration in Lima
"Ni una menos"-Demonstration in Lima

Lima. In Peru ist am Freitag ein Unternehmer wegen Mordes an seiner Ehefrau in Untersuchungshaft genommen worden. Es handle sich um vorsätzlichen Frauenmord, so der zuständige Richter. Familienangehörige des Opfers hatten sich während der Verhandlung vor dem Gerichtsgebäude versammelt und eine Bestrafung des Täters gefordert. Ihr Anwalt sagte gegenüber der Presse, er werde eine Gefängnisstrafe von mindestens 25 Jahren fordern. Laut peruanischem Recht könne Haft zwischen 15 und 35 Jahren verhängt werden.

Die Festnahme, über die breit in den Medien berichtet wurde, erfolgte knapp eine Woche nach Großdemonstrationen gegen Gewalt gegen Frauen und Straflosigkeit. Dabei hatten sich zehntausende Menschen, die Mehrheit von ihnen Frauen, im Zentrum von Lima versammelt, um unter dem Slogan "Ni una menos" – "Nicht eine weniger" zu demonstrieren. Der Marsch begann um 15.00 im Park Campo de Marte und endete vor dem Justizpalast. Auch in anderen Städten Perus fanden an diesem Tag Kundgebungen statt, unter anderem in Trujillo, Arequipa und Puno. Schätzungen der Veranstalter zufolge gingen am vergangenen Samstag landesweit rund eine halbe Million Menschen auf die Straße.

Unter den Teilnehmerinnen waren auch viele Prominente, so zum Beispiel die peruanische Schauspielerin Emilia Drago, die argentinische Journalistin Juliana Oxenford und die amtierende Vizepräsidentin Juliana Oxenford Mercedez Aráoz von der Regierungspartei Peruanos por el Kambio (PPK). Auch Präsident Pedro Pablo Kuczynski nahm zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter teil. "Wir wollen ein Klima des Friedens und der Toleranz schaffen", sagte er gegenüber der Presse. "Ohne gegenseitigen Respekt kann eine Gesellschaft nicht funktionieren. Wir lehnen jegliche Form von Ungleichheit und geschlechterbezogener Gewalt ab", so der Präsident.

Der Protestmarsch entwickelte sich aus einer Initiative in den sozialen Netzwerken heraus. In der Facebook-Gruppe "Ni una menos: Tocan a una tocan a todas" – "Nicht eine weniger: trifft es eine, trifft es alle" hatten sich zehntausende Frauen zusammengeschlossen, um im Netz Erfahrungen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen.

Der Slogan ist angelehnt an einen Vers eines Gedichts der mexikanischen Schriftstellerin und Menschenrechtsaktivistin Susana Chávez, in dem sie die Frauenmorde in ihrer Heimatstadt Ciudad Juárez anprangert: "Nicht eine Tote mehr". 2011 wurde sie selbst Opfer eines Mordes. Später griff eine Gruppe von Schriftstellern, Künstlern und Journalisten diese Zeile des Gedichts auf und wandelte sie in "Nicht eine weniger" ab – die Schlagworte, unter denen am 3. Juni 2015 in Argentinien, Chile und Uruguay zu öffentlichen Protesten gegen Gewalt gegen Frauen aufgerufen wurde. In diesem Jahr fanden in zahlreichen weiteren Ländern Lateinamerikas Protestmärsche unter diesem Motto statt.

Die Zahlen sprechen für sich: Seit 2011 sind in Peru über 490 Frauen ermordet worden, allein seit Jahresbeginn 54 Frauen, zudem wurden 118 Fälle von versuchtem Mord registriert. Laut Statistiken des peruanischen Frauenministeriums werden in Peru im Durchschnitt täglich 20 Personen vergewaltigt, 93 Prozent von ihnen sind weiblich, 70 Prozenz davon minderjährig.

Fälle wie die von Lady Guillén und Cindy Arlette Contreras, zwei Frauen, die von ihren Partnern schwer misshandelt wurden und bis heute auf eine strafrechtliche Ahndung der Verbrechen warten, haben die peruanische Öffentlichkeit bewegt und sind beispielhaft für das Versagen des peruanischen Rechtsstaates. "Schluss mit der Korruption, Schluss mit der Straffreiheit! Wir Frauen in Peru wollen Gerechtigkeit", so die Forderung der beiden Frauen, die die Demonstration in Lima anführten. "Unser oberstes Ziel ist es zu erreichen, dass die Behörden und Staatsorgane ihrer Pflicht nachkommen. Wir fordern, dass sich die Justiz sofort der zahllosen offenen Fällen annimmt".

Die Regierung Perus reagierte umgehend: Am Abend desselben Tages gab Justizmister Víctor Ticona bekannt: "Wir sind dabei, eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Zunächst haben wir 24 auf Familienrecht spezialisierte Rechtsprechungsorgane geschaffen, die sich um Fälle von Gewalt in der Familie kümmern." Zu den weiteren Maßnahmen zählen unter anderem ein nationales Programm zur Schulung von Richtern sowie die Einberufung einer auf geschlechtsbezogene Gewalt spezialisierten Justizkommission.

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