Offener Brief an Brasiliens Regierung zur Biodiversitätskonvention

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Vertreter verschiedener sozialer und umweltpolitischer Gruppen kamen zusammen, um den Forderungskatalog zu formulieren
Vertreter verschiedener sozialer und umweltpolitischer Gruppen kamen zusammen, um den Forderungskatalog zu formulieren

Brasília. Vertreter von über 60 gesellschaftlichen Organisationen haben der Regierung von Brasilien bei einer Sitzung zur Vorbereitung der bevorstehenden Tagung zur Biodiversitätskonvention der Vereinten Nationen (CBD) einen offenen Brief mit einem umfassenden Forderungskatalog überreicht.

Vom 4. bis 17. Dezember 2016 tagt die 13. CBD-Vertragsstaatenkonferenz im mexikanischen Cancún. Im Vorfeld hatte die brasilianische Regierung zu einer Besprechung ins Außenministerium geladen.

Der offene Brief prangert zunächst an, dass die demokratisch gewählte Präsidentin Dilma Roussef Ende August vom Parlament aus dem Amt geputscht worden sei und stellt in Frage, dass die Übergangsregierung unter Michel Temer die nötige Legitimität besitze, um Brasiliens Interessen in der internationalen Gemeinschaft zu repräsentieren. Auch hätten sich die Artikulationsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft durch die zunehmende Kriminalisierung sozialer Bewegungen stark verschlechtert.

Die Organisationen kritisieren weiter die Rückschritte beim Erhalt der biologischen Vielfalt in Brasilien, die durch Haushaltskürzungen und Schwächung staatlicher Politik wie im Bereich der Umweltverträglichkeitsprüfung verursacht würden.

Der Brief missbilligt Versäumnisse der Regierung, die unvereinbar mit den eingegangenen internationalen Verpflichtungen seien, und zeigt dringenden Korrekturbedarf in mehreren Bereichen auf. So öffne die Verabschiedung des Gesetzes 13.123 über Biodiversität und gerechten Vorteilsausgleich die Tür für kommerzielle Biopiraterie und die Patentierung traditionellen Wissens. Das Gesetz ignoriere die Rechte indigener Völker und lege keinerlei Verfahren für transparente Konsultationen und freie, vorherige und informierte Zustimmung bei der Nutzung der Biodiversität ihrer Territorien fest.

Kritisiert wird zudem, dass der Oberste Rechnungshof plane, das nationale Agrarreformprogramm unter dem Vorwand von Kostengründen abzuschaffen. Ohne sicheren Landzugang für Kleinbauernfamilien und Indigene gebe es keinen Schutz der Biodiversität.

Falsch sei auch die Verabschiedung des neuen Waldgesetzes, in dem die früher obligatorische Schutzzone durch Marktmechanismen handelbar werde. Internationale Ansätze wie die "Zahlung für Umweltdienstleistungen", darunter der REDD+-Ansatz zum Kohlenstoffhandel könnten dazu führen, dass lokale Gemeinden traditionelle Nutzungsrechte an ihren biologischen Ressourcen verlieren.

Als skandalös bezeichnet das Bündnis das Fehlen vorgeschriebener Risikoanalysen für die Zulassung von Pestiziden und die kommerzielle Freisetzung genveränderter Organismen (GVO) in Brasilien. Die nationale Biosicherheitsbehörde verstoße bei der Liberalisierung des kommerziellen Anbaus von inzwischen 58 GVOs und den damit im Verbund eingesetzten Pestizidpaketen gegen das Vorsorgeprinzip.

Brasilien halte den "Weltrekord" im Konsum von Pestiziden – aktuell über fünf Liter pro Jahr und Person. 29 der 50 meist gebrauchten Pestizide seien in anderen Ländern verboten, so die Verfasser. Aus dem exzessiven Einsatz resultierten Vergiftungen, erhöhtes Vorkommen von Krebs, Fehlgeburten und Fehlbildungen, Depressionen und Suizide, Kontaminierung und Verlust der biologischen Vielfalt und des natürlichen Gleichgewichts von Ökosystemen.

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