Chile streitet über Haftbedingungen von Menschenrechtsverbrechern

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Sondergefängnis Punta Peuco für verurteilte Diktaturverbrecher in Chile
Sondergefängnis Punta Peuco für verurteilte Diktaturverbrecher in Chile

Santiago. Eine Gesetzesreform zur Veränderung der Haftsituation älterer und kranker Gefangener hat in Chile zu einer Kontroverse geführt, da sie auch Erleichterungen für inhaftierte Verbrecher der Militärdiktatur beinhaltet.

Umstritten ist, für wen das neue Gesetz gelten soll. Kritiker werfen dem Senat vor, gezielt die Täter der Diktatur begünstigen zu wollen. Unter den derzeit 102 über 75-jährigen Häftlingen befinden sich auch die seit den späten 1990er Jahren wegen Menschenrechtsverbrechen während der Diktatur unter Augusto Pinochet (1973-1990) Verurteilten.

Der chilenische Justizminister, Jaime Campos, heizte die Debatte durch eine Aussage in einem Interview weiter an: Er befürworte die Reform, denn es stehe außer Frage, dass die Menschenrechte für alle Personen gleichermaßen gelten. Während sich der Minister damit auf die Seite der Initiatoren der Reform schlägt, kritisieren die Gegner, dass dies einen Vorwand darstelle, den Verantwortlichen für Menschenrechtsverbrechen eine vorzeitige Straffreiheit zu ermöglichen.

Die Initiative für die Gesetzesänderung ging Mitte des Jahres 2016 von 19 Senatoren aus dem Regierungslager und dem konservativen politischen Spektrum aus. Der Reformvorschlag beinhaltet, dass Inhaftierte mit schweren Krankheiten ihre restlichen Haftjahre in angemessenen Gesundheitseinrichtungen oder zu Hause verbüßen dürfen. Darüber sollen die Haftbedingungen für besonders alte oder tödlich erkrankte Inhaftierte gelockert werden. Dahinter steht vor allem die Einforderung des Anspruchs auf einen würdigen Tod im Sinne des internationalen Rechts.

Organisationen, die den Opfern der Militärdiktatur nahe stehen, sehen den Staat in der Pflicht, Gerechtigkeit walten zu lassen. Besonders unglaubwürdig erscheinen den Kritikern in diesem Kontext die plötzlichen öffentlichen Entschuldigungen der Verurteilten für Straftaten, die sie bis jetzt bestritten hatten. Alicia Lira, Präsidentin der Gruppe der "Familien politischer Hingerichteter" (AFEP) spricht von einer "Medienshow" in der sich die Schuldigen bewusst als Opfer darstellen würden.

Die Regierungssprecherin Paula Narváez bekräftigt, dass die Menschenrechte im Sondergefängnis Punta Peuco für verurteilte Diktaturverbrecher garantiert seien und deshalb eventuelle Straferleichterungen eine politische Entscheidung seien. Dass derart viele Verbrechen so spät angeklagt und die Inhaftierten daher erst in hohem Alter verurteilt werden konnten, sei einem im Militär verbreiteten Pakt des Schweigens geschuldet.

Opferangehörige beklagen immer wieder, dass dieser Pakt zur mangelnden Aufklärung von Verbrechen an der Menschheit in der Militärdiktatur beitrage. In den 26 Jahren seit dem Ende der Diktatur blieb die Aufklärungsrate der Verbrechen dieser Zeit gering.

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