Mexiko / Politik / Wirtschaft

Tote und Eskalation bei Protesten gegen Benzinpreise in Mexiko

Plünderungen, Blockaden von Mautstellen und Straßen in mehreren Bundesstaaten nach Erhöhung der Kraftstoffpreise. Präsident weist jede Kritik zurück

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In Valle del Mezquital, Mexiko, wurden zwei Demonstranten erschossen
Bei der Räumung dieser Straßenblockade in Valle del Mezquital, Mexiko, wurden zwei Demonstranten von der Polizei erschossen

Mexiko-Stadt. Nach der Erhöhung der Preise für Benzin und Diesel zum 1. Januar eskaliert die Lage in Mexiko weiter. Auch am Wochenende kam es in vielen Bundesstaaten zu Protesten und Blockaden von wichtigen Straßen und Mautstationen. Vor allem Taxifahrer, Spediteure und Transporteure gingen gegen den sogenannten Gasolinazo auf die Straße. Bei den Demonstrationen wurden landesweit Tankstellen, Supermarktketten und Elektronikfachmärkte geplündert. Medienberichten zufolge sind mittlerweile sechs Todesopfer zu beklagen. Zwei Demonstranten in Hidalgo wurden von Sicherheitskräften erschossen, bei drei Toten in Veracruz habe es sich nach offiziellen Angaben um "Plünderer" gehandelt. In Mexiko-Stadt sei ein Polizist überfahren worden, als er die Plünderung einer Tankstelle zu verhindern versuchte. Mehr als 1.500 Festnahmen wurden gemeldet. Am Samstag kamen Zehntausende zur ersten zentralen Demonstration gegen die Preiserhöhungen in der Hauptstadt zusammen und forderten den Rücktritt von Präsident Enrique Peña Nieto. Die geplante Kundgebung vor seinem Amtssitz Los Pinos wurde von einem massiven Polizeiaufgebot verhindert.

Peña Nieto kritisierte die Proteste in einer Fernsehansprache am 4. Januar scharf und warnte die Demonstranten davor, die aktuelle Situation weiterhin "für Plünderungen und Gewalttaten zu nutzen". Gleichzeitig ließ er keine Kritik an dem beschlossenen Preisanstieg aufkommen. Man habe eine "schwierige Entscheidung" treffen müssen, um die wirtschaftliche Stabilität des Landes zu garantieren. Der Präsident macht vor allem seinen Vorgänger Felipe Calderón für den starken Anstieg verantwortlich. Dieser habe die Benzinpreise mit insgesamt 50 Millionen US-Dollar subventioniert, um den Verbrauch anzukurbeln. Dieses Geld sei nun verloren. "Man hat das Geld wortwörtlich verbrannt, anstatt es in öffentliche Verkehrsmittel, Schulen, Universitäten oder Krankenhäuser zu investieren."

Wie Spiegel Online berichtete, macht die Regierung mittlerweile auch "Fake-News" für die Proteste verantwortlich. Erst seit wenigen Tagen existierende Twitter-Konten hätten zu Plünderungen aufgerufen und gefälschte Bilder von Verletzten und Toten verbreitet, um Angst und Chaos zu schüren. Man habe bereits die Löschung vieler Accounts beantragt und wünsche sich ebenfalls Zugang zu den Nutzerdaten besagter Konten.

Der Druck auf die Regierung nimmt indes immer weiter zu. Die mexikanische Bischofskonferenz schrieb in einer Mitteilung, dass es "nicht korrekt" sei, Gesetze in Kraft zu setzen, "ohne die Realität und die Gefühle der Bevölkerung" zu berücksichtigen. Unterstützung erhält die katholische Kirche dabei von Gouverneuren, Bürgermeistern, Gewerkschaften und der Opposition.

Die Erhöhung der Benzin- und Dieselpreise um 16 bzw. um 20 Prozent ruft vor allem deshalb landesweit Empörung hervor, weil sie erst kurz vor Jahresende bekannt gemacht wurde und ungewöhnlich stark ausfällt. Vor Jahreswechsel tankten viele Mexikaner deshalb noch einmal kräftig zu alten Preisen. Gleichzeitig kam es zu Hamsterkäufen in weiten Teilen des Landes.

Viele Mexikaner sehen sich in Präsident Peña Nieto getäuscht, weil eines seiner Versprechen bei der Wahl 2013 die Senkung der Benzinpreise war. Die von ihm vorangetriebene Energiereform, die den Markt schon in diesem Jahr für ausländische Unternehmen öffnet, ist für viele ein eindeutiger Bruch dieses Versprechens und gilt als eine Ursache für den massiven Anstieg des Treibstoffpreises. Mit der Reform wird die Öffnung des Gas- und Ölsektors für private Investoren ermöglicht, die wohl auch die Monopolstellung des staatlichen Ölunternehmens Petróleos Mexicanos (Pemex) kosten wird.

Der Anstieg der Benzinpreise ist auch aufgrund der Erhöhung des Mindestlohns um sieben Pesos strittig. Diese wurde im Vorfeld vom Arbeitgeberverband als "historisch" bezeichnet, der Vorsitzende der Nationalen Allianz kleiner Einzelhändler (Anpec), Cuauhtémoc Rivera, sieht sie jedoch bereits als hinfällig: "Der Gasolinazo ist für die Erhöhung des Mindestlohns vernichtend." Rivera gehört als Vorsitzender der Anpec zu den größten Kritikern des Gasolinazos. Die Auswirkungen der Benzinknappheit auf den Einzelhandel waren in den ersten Tagen des Jahres der Tageszeitung La Jornada zufolge groß. Im Zentrum des Landes waren Grundprodukte knapp, in vielen Landesteilen fehlte es an Lebensmitteln. Rivera sprach in diesem Zusammenhang auch von einer spontanen Erhöhung der Preise durch Lieferanten von Großkonzernen wie Coca-Cola oder dem Lebensmittelkonzern Bimbo. "Die Unterversorgung fördert und legitimiert Spekulationen." Er forderte die Regierung deshalb auf, die Benzinversorgung zu sichern, um "Spekulationsgeschäfte zu verhindern."

Die soziale Bewegung El campo es de todos (Das Land gehört allen) kündigte aufgrund der hohen Benzinpreise die Übernahme und Öffnung der Mautstellen rund um Mexiko-Stadt für Montag, sowie einen großen Protestmarsch gegen den Anstieg der Benzinpreise für den 30. Januar an. Auch am Samstag fanden landesweit wieder große Protestaktionen statt.

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