Venezuela / Politik

OAS diskutiert politische Lage in Venezuela

Vierstündige Sondersitzung ohne Ergebnis. Venezuela kritisiert Einmischung in innere Angelegenheiten. Solidarität aus Kuba, Großdemonstration in Caracas

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Zehntausende demonstrierten am Dienstag in Caracas gegen die "Einmischung der OAS"
Zehntausende demonstrierten am Dienstag in Caracas gegen die "Einmischung der OAS"

Washington. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hat am Dienstag bei einer außerordentlichen Sitzung die politische Lage in Venezuela diskutiert. Dem Antrag auf Behandlung der Situation in dem südamerikanischen Land hatten 20 der 34 Mitgliedsstaaten zugestimmt1. Anlass war ein Bericht von OAS-Generalsekretär Luis Almagro, der die Abhaltung von Wahlen innerhalb 30 Tagen in Venezuela forderte. Ansonsten wolle er einen Prozess zur Suspendierung der OAS-Mitgliedschaft einleiten.

Zahlreiche Staatenvertreter riefen Venezuelas Regierung dazu auf, die politische und wirtschaftliche Krise im Land auf dem Weg des Dialogs mit der Opposition zu lösen. Dies ungeachtet der Haltung des größten venezolanischen Oppositionsbündnisses Tisch der demokratischen Einheit (MUD), das in den vergangenen Monaten mehrmals Dialogangebote der sozialistischen Regierung von Präsident Nicolás Maduro ausgeschlagen hat.

Die venezolanische Delegation lehnte denn auch die OAS-Debatte über die Verhältnisse im Land ab und beantragte die Aussetzung der Sondersitzung. Vizeaußenminister Samuel Moncada, der Venezuela in der Sitzung vertrat, bezichtigte den Staatenbund der Einmischung in innere Angelegenheiten. "Es gibt keine Bestimmung in der Charta der OAS, die sie ermächtigt, sich in  Angelegenheiten einzumischen, die in der Hoheit der Mitgliedsstaaten liegen", sagte Moncada. Den Auftritt von OAS-Generalsekretär Luis Almagro, der seit längerer Zeit öffentlich sehr aggressiv gegen Venezuela auftritt, bezeichnete Moncada als "groteske Parodie".

Dessen ungeachtet stimmte eine Mehrzahl der Teilnehmer für ein Eintreten in die Debatte. Die Regierungen von Argentinien, Chile, Costa Rica, Kolumbien und Uruguay riefen abermals zum Dialog zwischen den politischen Kräften in Venezuela auf. Perus Botschafter zeigte sich besorgt, dass es in Venezuela "eine Akkumulierung sozialer Spannungen" geben könnte. Brasiliens Vertreter zeichnete ein düsteres Bild der Lage: Es gebe politische Gefangene, das Parlament werde nicht respektiert, die Bevölkerung leide unter Lebensmittelknappheit und die politische Situation sei blockiert. Mexiko und Kanada forderten die "Verteidigung der Demokratie" gegen Venezuelas Regierung, wobei der mexikanische Botschafter gar den Ausschluss Venezuelas aus der OAS als ultima ratio androhte.

Venezuelas Vertreter Moncada übte harsche Kritik an den Ländern, die die Sonderdebatte über Venezuela verlangt hatten, wobei er sich insbesondere an Brasilien und Kolumbien richtete. Der Diplomat verwies darauf, dass Brasiliens aktuelle Regierung aus einem Putsch gegen Präsidentin Dilma Rousseff hervorgegangen ist. "Wenn es wieder eine Regierung gibt, die vom brasilianischen Volk gewählt ist, können wir sagen, dass wir Ihre Meinung respektieren werden", sagte er an die brasilianische Delegation gerichtet. Mit Blick auf den über 50 Jahre andauernden Bürgerkrieg in Kolumbien betonte Moncada, Venezuela habe diesen Fall niemals in denunziatorischer Absicht vor die OAS gebracht, sondern sich immer für den Friedensprozess eingesetzt.

Unterstützung erhielt die venezolanische Position insbesondere von Bolivien, Nicaragua und Ecuador sowie von mehreren kleinen Karibikstaaten. Boliviens Vertreter kritisierte die Arbeitsweise der OAS: "In dieser Organisation gibt es keine Demokratie, da sie nicht einmal in der Lage ist, zuzuhören." Die Botschafter Nicaraguas und Ecuadors verbaten sich die Einmischung in venezolanische Angelegenheiten und verwiesen ebenfalls auf die OAS-Charta, welche die Souveränität der Mitgliedsstaaten anerkennt.

Ein Beschluss wurde bei dem Treffen nicht gefasst.

Zeitgleich zu der außerordentlichen Sitzung in Washington zogen zehntausende Venezolaner durch die Hauptstadt Caracas, um "gegen die Einmischung der OAS" zu demonstrieren. Unter den Teilnehmern waren auch führende Mitglieder der regierenden sozialistischen Partei sowie die Ministerinnen und Minister des Kabinetts. In zahlreichen Städten fanden zudem Protestkundgebungen an den zentralen Bolívar-Plätzen statt.

Kubas Regierung veröffentlichte nach der Sondersitzung eine Stellungnahme, in der sie sich mit Venezuela solidarisiert. Zudem kritisiert sie den OAS-Generalsekretär sowie das Verhalten der Regionalorganisation in der Vergangenheit, als diese unter anderem zu blutigen Diktaturen "komplizenhaft schwieg". Die "aktuelle Agitation der OAS" gleiche jener im Jahr 1962, als Kuba ausgeschlossen wurde: "Erneut wurden seitens der USA intensiver Druck und Erpressung auf eine Gruppe von Ländern ausgeübt, darunter die kleinsten und schwächsten. Und wieder gab es die unterwürfige Haltung derer, die lieber auf die Knie fallen, als sich dem Giganten entgegen zu stellen." Das ergebnislose Treffen habe jedoch gezeigt, dass Venezuela nicht allein sei.

Der Ausschluss Kubas aus der OAS war im Jahr 2009 auf Druck der lateinamerikanischen Staaten aufgehoben worden. Kubas Regierung erklärte jedoch, man habe kein Interesse an einer Mitgliedschaft in einer Organisation "mit einer derart düsteren Geschichte".

  • 1. Argentinien, Bahamas, Barbados, Belice, Brasilien, Chile, Costa Rica, Guatemala, Guyana, Honduras, Jamaica, Kanada, Kolombien, Mexico, Panama, Paraguay, Peru, Santa Lucía, Uruguay und die USA
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