Argentinien / Politik

Kundgebungen zum Jahrestag des Militärputsches in Argentinien

Neben dem Gedenken standen Proteste gegen den Geschichtsnegationismus der Regierung Macri und ihre aktuelle Wirtschafts- und Sozialpolitik im Mittelpunkt

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Protest gegen den Geschichtsrevisionismus in Argentinien: "30.000 Wahrheiten, um die Straßen zu füllen"
Protest gegen den Geschichtsrevisionismus in Argentinien: "30.000 Wahrheiten, um die Straßen zu füllen"

Buenos Aires. Hunderttausende Menschen haben sich am 24. März in Buenos Aires und in den verschiedenen Provinzen Argentiniens versammelt, um des 41. Jahrestages des Militärputsches zu gedenken. An allen Protestorten stand das Motto "Es waren 30.000" im Mittelpunkt. Damit bezogen die Teilnehmenden sich kritisch auf zuletzt von Staatspräsident Mauricio Macri und anderen Regierungsfunktionären getätigte Äußerungen, welche die geschätzte Zahl der während der Diktatur 1976 bis 1983 Verschwundenen anzweifelten.

In der Bundeshauptstadt wurde wie jedes Jahr ein gemeinsames Dokument der Menschenrechtsorganisationen auf der Plaza de Mayo verlesen. Neben dem Geschichtsnegationismus der Regierung stand auch deren aktuelle Politik im Mittelpunkt. Das Dokument hob die seit Wiederbeginn der Strafprozesse gegen die Militärs vor rund zehn Jahren erreichte Zahl von 750 Verurteilungen hervor, wies jedoch zugleich auf die finanzielle und personelle Ausdünnung der zuständigen Justizbehörden durch die aktuelle Regierung hin, die den weiteren Verlauf der Prozesse in Gefahr brächte.

In Bezug auf die Wirtschaftspolitik Macris sprachen die Organisationen von einer "geplanten Misere" und betonten, sie hätten "vor 41 Jahren bereits genau denselben ökonomischen Plan" angeprangert. Dieser ordne die Interessen der Arbeiter jenen der Unternehmer radikal unter. In diesem Zusammenhang erklärten die Organisationen ihre Solidarität mit der Arbeiterschaft der selbstverwalteten Betriebe im Streit gegen die vom Staat unterstützen früheren Eigentümer. Sie brachten zudem ihre Unterstützung für die Streiks des Lehrpersonals und ihre Forderung nach landesweiten Tarifverhandlungen zum Ausdruck.

Das Dokument nahm auch Bezug auf die zunehmende staatliche Unterdrückung des sozialen und politischen Protests. Es verwies dabei etwa auf die in der Provinz Jujuy illegal in Haft befindliche soziale Aktivistin Milagro Sala sowie auf die gewalttätige Niederschlagung von indigenen Protesten in der Provinz Chubut. Im Zentrum der staatlichen Repression stünden, so die Menschenrechtsorganisationen, vermehrt auch Jugendliche aus ärmeren Schichten. Die von der Regierung propagierte Änderung des Jugendstrafrechts und die geplante Herabsetzung der Strafmündigkeit mache deutlich, dass es der ihr wichtiger sei, "unsere Kinder in Gefängnisse zu stecken, als die ihnen zukommenden Rechte zu gewähren."

Auch in diesem Jahr waren die Kundgebungen in der Bundeshauptstadt wieder zweigeteilt. Die in dem Verband „Encuentro Memoria, Verdad y Justicia“ zusammengefassten Menschenrechtsgruppen riefen gemeinsam mit linken Organisationen zu einem alternativen Marsch vom Kongress zum Plaza de Mayo auf und verlasen dort ihr eigenes Abschlussdokument. Der Grund für die bereits traditionelle Zweiteilung der Proteste liegt in der von der Linken kritisierten Nähe mancher Menschenrechtsorganisationen zur Partei „Frente para la Victoria“ von Néstor und Cristina Kirchner. Während sich beide Kundgebungen in der Kritik an der Regierung einig waren, verteilte Encuentro Memoria, Verdad y Justicia auch Seitenhiebe gegen den Kirchnerismus. So prangerte das verlesene Dokument die Unterstützung des wegen Menschenrechtsverletzungen während der Diktatur angeklagten Ex-Armeechefs César Milani durch die ehemalige Präsidentin Kirchner an. Ebenso verwies es auf die Proteste der Lehrerinnen und Lehrer in der Provinz Santa Cruz gegen die dortige Gouverneurin des Frente para la Victoria, Alicia Kirchner.

Die Mitglieder der Regierung nahmen an keiner Veranstaltung aus Anlass des Jahrestags bei. Als höchstrangiger Regierungsvertreter äußerte sich der Staatssekretär für Menschenrechte, Claudio Avruj, öffentlich. Er sprach von einer "Fanatisierung“ und rief zur "Versöhnung" zwischen den Opfern und Tätern der Diktatur auf. Abgeordnete des Regierungsbündnisses Cambiemos wiederum ließen sich vor mehreren Plakaten fotografieren und schickten die Fotos durch die sozialen Netzwerke. Auf einem steht zu lesen: "Nie mehr wieder eine Unterbrechung der demokratischen Ordnung". Ein anderes verlautet: "Nie mehr wieder Geschäfte mit den Menschenrechten."

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