Gewaltsame Vertreibung indigener Gemeinden in Guatemala

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Vertreibung von 80 Familien aus Chab'il Ch'och' in Guatemala. Links vorne der Anführer des Personals der Finca La Isabel, Elias Joel Diaz Guerra. Er führte die Brandschatzung der Häuser an
Vertreibung von 80 Familien aus Chab'il Ch'och' in Guatemala. Links vorne der Anführer des Personals der Finca La Isabel, Elias Joel Diaz Guerra. Er führte die Brandschatzung der Häuser an

Izabal/Alta Verapaz, Guatemala. Zwei indigene Gemeinden sind in den Verwaltungsgebieten Alta Verpaz und Izabal in Guatemala von Großgrundbesitzern vertrieben worden. Hintergrund sind Jahrzehnte andauernde Landstreitigkeiten.

Am 30. Oktober wurden in Livingston im Departement Izabal rund 80 Familien aus ihrer Gemeinde Chaab’il Ch’och’ vom Eigentümer der Finca Santa Isabel vertrieben. Zwei Tage später wurden 25 Familien der Gemeinde La Cumbre Chamché de Tactic im Departement Alta Verapaz Opfer von Vertreibungen. Die Familien mussten das Land unter Aufsicht von hunderten Polizisten, begleitet von Personal der Ombudsstelle und der Regierungskommission für Menschenrechte, innerhalb von wenigen Stunden verlassen. Sie konnten nur wenig von ihren Habseligkeiten mitnehmen und leben nun in Zelten unter prekären Bedingungen, ohne Plan für eine Wiederansiedlung. Die Maya Q’eqchi’ Familien lebten und arbeiteten seit Jahrzehnten auf dem Land. Bei der Vertreibung waren auch die Fincabesitzer anwesend, deren Personal dann die Häuser anzündete. Die betroffenen Familien beklagen, dass ihre Häuser und Felder zerstört und die Frauen sexuell bedroht wurden.

Vier Tage nach der Vertreibung besuchte eine Delegation des Hochkommissariats der Vereinten Nationen für Menschenrechte die Familien. Sie stellte fest, dass es keinen Umsiedlungsplan gebe und es den Familien an allem fehle.

Wie die Interamerikanische Menschenrechtskommission diesen Sommer in einem Bericht festhielt, müssten den Vertriebenen Gebiete für ihre Umsiedlung zu Verfügung gestellt werden, was in allen Fällen nicht geschah. Das Observationszentrum für intern Vertriebene schätzt, dass es 2016 in Guatemala 257.000 Vertriebene gab. Der Ombudsmann Jordán Rodas verurteilte die jüngsten Vertreibungen aufs Schärfste: Sie seien "ein schwerer Schlag gegen die Menschenrechte".

Vertreibungen durchziehen die Geschichte der indigenen Völker in Guatemala, vor allem in den vom Bürgerkrieg von 1960 bis 1996 stark betroffenen Departements wie Alta Verapaz. So wurde die Gemeinde Panzós 1978 massakriert, 1982 wurden in Sepur Zarco Männer, die um ihr Gemeindeland kämpften, vom Militär umgebracht und deren Frauen sexuell versklavt.

Eine Lösung der eskalierenden Gewalt von Großgrundbesitzern gegenüber indigenen Gemeinden ist nach Einschätzung von Beobachtern nicht absehbar: Zu stark seien die Verbindungen mit der aktuellen politischen, militärischen und ökonomischen Elite. Der Großgrundbesitz Finca Santa Isabel sei während dessen Regierungszeit vom ehemaligen Präsidenten Otto Pérez Molina und dem Großgrundbesitzer Rodrigo Lainfiesta Rímola aufgekauft und großflächig erweitert worden. Jorge Santos, Leiter des Internationalen Untersuchungszentrums für Menschenrechte, schreibt in seiner Kolumne in der guatemaltekischen Tageszeitung La Hora, dass Vertreibung und Enteignung von indigenem Land offensichtlich als historischer Mechanismus aus der Kolonialzeit und dem Bürgerkrieg noch intakt sei und die aktuelle Regierung dies zumindest begünstige.