Starker Anstieg staatlicher Gewalt mit Todesfolge in Argentinien

Ein Toter pro Tag seit Amtsantritt von Staatspräsident Macri. Stärkste Welle staatlicher Repression seit Wiederkehr der Demokratie im Jahr 1983

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Ein Banner der Koordinationsstelle gegen polizeiliche und institutionelle Repression (Correpi) in Argentinien
Ein Banner der Koordinationsstelle gegen polizeiliche und institutionelle Repression (Correpi) in Argentinien

Buenos Aires. In Argentinien hat die Koordinationsstelle gegen polizeiliche und institutionelle Repression (Correpi) in einem jährlichen Bericht einen massiven Anstieg staatlicher Gewalt konstatiert. Die Untersuchung wurde kürzlich in einer Protestveranstaltung vor dem Präsidentenpalast in Buenos Aires präsentiert. Wichtigste Erkenntnis aus den gesammelten Daten ist der starke Anstieg von Fällen institutioneller Gewalt mit Todesfolge seit Beginn der Amtszeit von Präsident Mauricio Macri und seines Regierungsbündnisses Cambiemos.

Insgesamt wurden für die Zeit von Dezember 2015 bis November dieses Jahres 725 Todesfälle in der Datenbank von Correpi registriert, die auf das Wirken staatlicher Sicherheitskräfte zurückzuführen sind. Das entspricht einem Fall pro Tag, wobei damit zu rechnen sei, dass in den nächsten Monaten zusätzliche Fälle bekannt und in die Datenbank aufgenommen werden, so die Organisation. Die überwiegende Mehrheit der Todesfälle betrifft Personen, die im Zuge von Polizeieinsätzen erschossen worden oder in Haft ums Leben gekommen sind. Letztere wären zudem in den meisten Fällen Opfer willkürlicher Verhaftungen aufgrund einfacher Vergehen oder zwecks Vorstrafenermittlung geworden. Die Hälfte aller Todesopfer staatlicher Gewalt ist 25 Jahre oder jünger.

María del Carmen Verdú, Leiterin von Correpi, sagte gegenüber der Tageszeitung Página 12: "Wir erleben gerade den gewalttätigsten Höhepunkt staatlicher Repression seit 1983. Zwar gab es andere schwierige Momente, wie etwa in den Jahren 1989, 2000/2001 oder 2008. Aber eine derartige Eskalation ist noch nie dagewesen."

Als mitursächlich für die zunehmend tödliche Gewalt des Staates sieht der Bericht auch die steigenden Ausgaben für die Repressionsorgane. Unter Staatspräsident Macri ist – bei gleichzeitig sinkenden Sozialausgaben – das Budget des Verteidigungsministeriums um 29,9 Prozent und das des Sicherheitsministeriums um 14,9 Prozent erhöht worden. In der ebenfalls von Cambiemos regierten Provinz Buenos Aires stiegen die Ausgaben für den Polizeiapparat im selben Zeitraum gar um 74 Prozent. In Buenos Aires Stadt wiederum gibt es seit Einführung der Hauptstadtpolizei im Januar 2017 860 Polizisten pro 100.000 Einwohner. Das ist eine der höchsten Zahlen weltweit und rund doppelt so hoch wie etwa in Berlin oder Wien.

Correpi veröffentlicht seit 1996 jährliche Berichte zur Situation der staatlichen Repression in Argentinien. Insgesamt konnten seither fast 5.500 Fälle institutioneller Gewalt mit Todesfolge für die Zeit seit 1983 bis in die Gegenwart registriert werden, wobei von einer noch höheren Dunkelziffer auszugehen ist. Mangels offizieller staatlicher Informationen greift die Organisation bei der Zusammenstellung der Daten auf unterschiedlichste Quellen zurück.

Neben Informationen, die entweder direkt über die Angehörigen von Opfern oder von Opferschutzorganisationen übermittelt werden, fließen auch Daten einzelner staatlicher Organisationen mit ein. Daneben werden Tageszeitungen regelmäßig auf relevante Meldungen hin gesichtet.