Venezuela / Politik

Venezuela: Oppositioneller Präsidentschaftskandidat setzt auf Privatisierung

Falcón zeigt sich vor Medien als neoliberaler Musterschüler. Privatisierungen, Kredite unter IWF-Aufsicht und Einladung an Trump zu "humanitärer Hilfe"

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"Lasst uns Venezuela retten": Vorlage für ein Stencil der Wahlkampagne von Henri Falcón, einem der oppositionellen Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl in Venezuela
"Lasst uns Venezuela retten": Vorlage für ein Stencil der Wahlkampagne von Henri Falcón, einem der oppositionellen Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl in Venezuela

Caracas. Vor nationalen und internationalen Medien hat der Herausforderer bei den kommenden Präsidentschaftswahlen in Venezuela, Henri Falcón, detaillierter Auskunft über sein Regierungsprogramm im Falle eines Wahlsieges am 20. Mai gegeben. Im Zentrum stehen Privatisierungen staatlicher Dienstleitungen wie Elektrizität, Haushaltsgas und Telekommunikation, die "Dollarisierung" der venezolanischen Wirtschaft, das Werben um Kredite unter der Ägide von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank sowie "die Anerkennung einer humanitären Krise" im Land und die Anforderung von "Hilfe" bei den USA und der Europäischen Union.

Für das Vorhaben von Privatisierungen, die auch Landtitel umfassen sollen, welche im Zuge der Landreform an Kleinbauern vergeben worden sind, führt Falcón ins Feld, dass von "mehr als 600 Unternehmen, die von der Regierung enteignet wurden, jetzt 66 Prozent bankrott" seien, "weil der Staat nicht wusste, was er mit ihnen machen sollte". Während der Kandidat auf seinem Twitteraccount diese Zahlen nicht weiter belegte, ist die grundsätzliche Diagnose in Venezuela allerdings wenig umstritten. Viele nationalisierte und von Belegschaften übernommene Unternehmen finden bei den großen privaten und staatlichen Abnehmern im Land kaum Absatz, weil diese auf internationalen Märkten billiger einkaufen.

Der Erölkonzern PDVSA und die Unternehmen der Schwerindustrie im Bundesstaat Guyana,  sollen nach Aussagen des Präsidentschaftskandidaten Falcón in den Händen des Staates bleiben, aber für private Investitionen weiter geöffnet werden.

Mit der "Dollarisierung" der Löhne und Renten erweitert Falcón einen bereits bekannten Programmpunkt, mit dem er eine Beendigung der Inflation der Landeswährung Bolivar verspricht. Dies dürfte für viele Wähler attraktiv sein, da regelmäßige Erhöhungen von Löhnen und Renten durch die Geldentwertung sehr schnell wirkungslos sind. Falcón vertritt, dass die strukturelle Krise in Venezuela das Ergebnis eines großen Ungleichgewichts in der Wirtschaft sei, in der alle Waren und Produkte mit Ausnahme der Löhne dollarisiert seien. Die Finanzierung von Löhnen und Renten in Dollar und in den Ring geworfener Mindestlöhne von bis zu 236 Dollar konkretisierte er nicht.

Im Falle eines Wahlsieges stellte der Herausforderer des amtierenden Präsidenten in Aussicht, um Kredite unter Aufsicht des IWF und der Weltbank zu ersuchen. Zu den IWF-Kreditauflagen zählen regelmäßig harte Kürzungen bei den sozialen, bildungs- und gesundheitspolitischen Leistungen, auf die die einkommensschwachen Teile der Bevölkerung angewiesen sind.

Unter dem Motto "Meinungsfreiheit" beabsichtigt Falcón, die privaten Medienkonzerne, deren Vormachtstellung unter den chavistischen Regierungen abgebaut worden ist, wieder in den alten Stand zu versetzen. Die Einschränkungen internationaler Fernsehsender wie CNN in Spanisch und der kolumbianischen Sender Caracol und RCN, denen von der venezolanischen Regierung "Kriegspropaganda" vorgeworfen wurde, sollen aufgehoben werden.

Von einiger Brisanz ist die Erklärung Falcóns, eine "humanitäre Krise" im Land "ohne Komplexe" anzuerkennen. Die sozialistische Regierung unter Präsident Nicolás Maduro hat diese Zuordnung, die von der Opposition und sie unterstützenden internationalen Kräften seit geraumer Zeit verfochten wird, als Deckmantel einer geplanten ausländischen Intervention in dem Erdölland wiederholt scharf zurückgewiesen. Falcón lud nun internationale Hilfe mit großer Geste ein: "Herr Präsident Trump: Bereiten Sie die Lieferungen von Medikamenten und Lebensmitteln vor, weil wir die Häfen, Flughäfen und unsere Grenzen öffnen werden", so der Präsidentschaftskandidat bei dem Treffen mit Journalisten in Caracas.

Auf den Vorhalt anwesender Medienvertreter, dass sowohl die USA als auch die Europäische Union, Kanada und eine Reihe lateinamerikanischer Regierungen die Präsidentschaftwahlen am 20. Mai nicht anerkennen, zeigte der Kandidat sich sicher, dass diese die Wahl anerkennen würden, wenn er sie gewonnen habe.