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Chile: Pinochet-Vermögen geht an den Fiskus

Seit Jahren beschäftigen geheime Konten des Ex-Diktators das Land. 13 Millionen US-Dollar seines Vermögens sollen nun zurück in die Staatskasse fließen

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Zwei von mehreren falschen Pässen, die Chiles Ex-Diktator Pinochet zur Eröffnung von Bankkonten bei der Riggs Bank einsetzte (Bildausschnitt)
Zwei von mehreren falschen Pässen, die Chiles Ex-Diktator Pinochet zur Eröffnung von Bankkonten bei der Riggs Bank einsetzte (Bildausschnitt)

Santiago. Nach jahrelangen Rechtsstreits hat der Oberste Gerichtshof in Chile ein Urteil im sogenannten Fall Riggs gesprochen, in dem es um Veruntreuung von Staatsgeldern durch Ex-Diktator Augusto Pinochet geht. 14 Jahre nach Beginn der Ermittlungen entschieden die Richter, dass das beschlagnahmte Vermögen an den Fiskus übertragen wird. Im vergangenen Jahr hatte das Berufungsgericht zunächst angeordnet, die Immobilien und Gelder in Millionenhöhe der Witwe und den Kindern Pinochets zurückzugeben. Diesen Rechtsspruch kippte nun der Oberste Gerichtshof mit vier Stimmen gegen eine. Gegen das neue Urteil ist keine Berufung möglich.

Die chilenische Zeitung La Tercera war die erste, die die Nachricht verbreitete. Noch vor der Urteilsverkündung war die Information an die Presse gelangt, dass das im Fall Riggs beschlagnahmte Vermögen im Wert von etwa 13 Millionen US-Dollar an den Staat gehen werde.

"Wir wissen, dass das, was Pinochet dem Staat, dem Finanzministerium und den Bürgern genommen hat, viel mehr ist", betonte Eduardo Contreras, der selbst als Anwalt gegen Pinochets Menschrechtsverletzungen geklagt hatte. Dennoch sei für ihn die Entscheidung ein Grund zu feiern. Auch die Vorsitzende der Menschenrechtskommission im Abgeordnetenhaus, Carmen Hertz von der kommunistischen Partei, begrüßte das Urteil und forderte, das Geld müsse nun für die Unterstützung ehemaliger politischer Häftlinge verwendet werden. Diese sei bislang "miserabel", so Hertz.

Der Fall Riggs begann in den USA. Ermittler des US-Senats beobachteten Auffälligkeiten in den Geldbewegungen der Washingtoner Bank Riggs. Das Ziel war die Suche nach Spuren der Terrorfinanzierung. Im Jahr 2004 machen die Ermittler jedoch eine unerwartete Entdeckung. Sie stoßen auf mehrere Bankkonten, die auf verschiedene Namen liefen, jedoch alle zu derselben Person führen: Augusto José Ramón Pinochet Ugarte. Im Juli 2004 veröffentlichte die Washington Post den Senatsbericht und bringt so den Fall Riggs ins Rollen.

Pinochet hatte durch verschiedene Kombinationen seiner drei Vor- und zwei Nachnamen sowie mit falschen Identitäten zwischen 1981 und 2004 insgesamt 125 Konten eröffnet und ein Vermögen von über 21 Millionen US-Dollar aus Chile in die USA gebracht. Die Riggs Bank, die sich zu der Zeit als "wichtigste Bank in der wichtigsten Stadt der Welt" versteht, hatte ihn mit einer eigenen Delegation in Chile als Kunden angeworben und dem Diktator waren sehr gute Beziehungen zu Riggs-Geschäftsführer Joe L. Allbritton nachgesagt worden. Nach der Festnahme Pinochets in London 1998 versteckte die Bank die geheimen Konten. Erst im Bericht der Ermittler 2004 tauchten sie wieder auf.

Als Reaktion auf die Enthüllungen stellte die Staatsanwaltschaft in Chile am 21. Juli 2004 Strafantrag gegen den Ex-Diktator mit dem Vorwurf, dass es sich bei den Geldern um veruntreute Mittel des Staatshaushaltes handele. Ein Jahr später bekannte sich die Riggs Bank schuldig, nicht genügend Maßnahmen gegen Geldwäsche getroffen zu haben.

Pinochet wurde die Immunität, die er als Senator genoss, entzogen und er wurde unter anderem für die Verwendung gefälschter Pässe und Steuerhinterziehung angeklagt. Am 3. Dezember 2006 erlitt er einen Herzinfarkt und starb eine Woche später. Mit seinem Tod wurden die Verfahren gegen ihn eingestellt. Das Berufungsgericht in Santiago entschied zudem, auch die Anklagen gegen fast alle der ehemaligen Mitarbeiter, Freunde und Familienmitglieder fallen zu lassen. Erst im Oktober 2007 nahm Richter Carlos Cerda den Fall wieder auf und ließ Pinochets Witwe Lucía Hiriart Rodríguez, weitere Familienmitglieder sowie 17 Personen aus dem Kreis der Bekannten und Mitarbeiter, darunter seine Sekretärin Monica Ananías und seinen Anwalt Gustavo Collao, zeitweise festnehmen. Ihnen wurde vorgeworfen, während der Militärdiktatur unter Pinochet 27 Millionen US-Dollar außer Landes geschafft haben.

Jahre der Ermittlungen vergehen, die Konten bleiben beschlagnahmt, zu einer Verurteilung kommt es jedoch nicht.

Schließlich wurden im Jahr 2015 sechs ranghohe Offiziere und Vertraute Pinochets wegen Veruntreuung von 6,4 Millionen US-Dollar verurteilt. Das chilenische Forschungsinstitut CIPER schrieb jedoch, von den 21,3 Millionen US-Dollar auf den Konten der Riggs Bank seien 17,9 Millionen "illegal erworben worden". Da nur Angestellte des Staates sich aktiv der Veruntreuung schuldig machen können, werden keine Familienmitglieder verurteilt. Am 19. Juni 2017 hob das Berufungsgericht von Santiago das Urteil jedoch wieder auf und ordnete in einem einstimmigen Beschluss die Rückzahlung der Gelder und der beschlagnahmten Immobilien an die Familie Pinochet an. Aus Sicht der Richter könne es sich nicht um eine fortlaufende Straftat aller Verurteilten handeln, sondern um Einzeltaten, die letztendlich nur Augusto Pinochet als fortlaufende Gesamthandlung überblicken konnte.

Dass das Vermögen dennoch veruntreut wurde und damit dem Staat und seinen Bürgern gehört, wurde vergangene Woche vom Obersten Gerichtshof unwiderruflich entschieden.