Proteste gegen Folgen der Wirtschaftspolitik in Argentinien mehren sich

Lehrer streiken gegen Kürzungen im Bildungsbereich und für inflationsausgleichende Gehaltserhöhung. Regierung Macri kündigt weitere Sparmaßnahmen an

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Protestmarsch am 17. September in der argentinischen Hauptstadt gegen die drastischen Kürzungen im Bildungsbereich
Protestmarsch am 17. September in der argentinischen Hauptstadt gegen die drastischen Kürzungen im Bildungsbereich

Buenos Aires. In Argentinien nehmen die Proteste gegen die Wirtschaftsmaßnahmen der Regierung von Präsident Mauricio Macri und deren Folgen weiter zu. Fast täglich gibt es Protestmärsche, Straßenblockaden und Streiks von Betroffenen des rigiden Sparkurses. Im Gegenzug für den zugesagten Kredit des Internationalen Währungsfonds über 50 Milliarden US-Dollar hat sich die Regierung verpflichtet, die Staatsausgaben zu kürzen und das Haushaltsdefizit abzubauen.

Am 17. September fand ein 24-stündiger Streik der Lehrkräfte zusammen mit einem großen Protestmarsch gegen die drastischen Kürzungen in dieser Sparte und gegen die Entführung und Misshandlung einer Lehrerin in der Provinz Buenos Aires statt. Nachdem schon seit Wochen an den Universitäten nicht unterrichtet wird, hatten auch die Lehrer das Angebot für Gehaltserhöhungen zurückgewiesen. Die Gewerkschaftsverbände der Lehrenden fordern eine inflationsausgleichende Erhöhung um 25 bis 30 Prozent, die Regierung Macri beharrt weiter auf 15 bis 19 Prozent.

Zeitweilig mussten zudem fast 800 Schulen wegen fehlender Wartung der Elektro- und Gasinstallationen geschlossen bleiben, nachdem in Moreno (Provinz Buenos Aires) eine Gasexplosion die Schulleiterin und den Hausmeister tötete und in einer weiteren Schule ein Lehrer schwer von einem Stromschlag verletzt wurde.

Die Schließungen betreffen jedoch nicht nur den Unterricht sondern auch die Ernährung der Kinder, da gerade in den ärmeren Bezirken die Familien auf Grund der sich zuspitzenden Krise vermehrt auf die Schulspeisung angewiesen sind. Lehrer und Eltern einer dieser Schulen organisieren deshalb eine Suppenküche, um die Speisung aufrecht zu erhalten. Eine der Lehrerinnen wurde daraufhin von Unbekannten entführt, bedroht und misshandelt. Mit einem Stichel wurden ihr die Worte "(Suppen-)Töpfe Nein" (Ollas No) auf den Bauch geritzt.

In der Woche zuvor hatte es bereits einen 48-stündigen Streik der Lehrer und Universitätsdozenten sowie den 12. Streik der Staatsbediensteten seit dem Amtsantritt Macris im Dezember 2015 gegeben. Fast jeden Tag finden zudem Protestmärsche gegen die Entlassungen in Ministerien und anderen öffentlichen Einrichtungen statt: So wurden zum Beispiel im Hospital Posadas, einem der größten und modernsten Krankenhäuser der Provinz Buenos Aires, im Laufe des Jahres circa 300 Mitarbeiter entlassen, zuletzt auf einem Schlag 40 Ärzte, wodurch ganze Abteilungen wie die Kinderherzchirurgie geschlossen werden mussten.

Präsident Macri hatte Anfang September angesichts der schweren Währungskrise erstmals einen "nationalen Notstand" anerkannt und eingestanden, dass die Inflation und der Verfall des Peso, der allein im August 35 Prozent seines Werts gegenüber dem US-Dollar verloren hat, einen Anstieg der Armut zur Folge hat. Der Krise werde er mit weiteren Sparmaßnahmen begegnen, so Macri. Der Haushalt für 2019 sieht entsprechend weitere massive Einschnitte in Bereichen wie Bildung, Gesundheit sowie Wissenschaft und Technologie, einen starken Rückgang der Investitionsausgaben und weitere Stellenkürzungen im öffentlichen Dienst vor.

Die angekündigten Maßnahmen stießen bei soziale Organisationen und Gewerkschaften auf scharfe Kritik. Die Regierung wolle offenbar "ihr Modell der Strukturanpassung und der Plünderung" weiterführen und mit "miserablen Sozialhilfegeldern ausgleichen, die, sobald sie in den Geldbeuteln der Menschen ankommen, schon wieder verpufft sind." Auch entstehe der Eindruck, dass "die Probleme der Arbeit und der Gesundheit der Arbeiter lediglich als mögliche Sparposten im Verwaltungsbudget gesehen werden."

Der Gewerkschaftsdachverband CGT hat für den 25. September einen erneuten landesweiten Generalstreik angekündigt.