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Vorwurf: Brasiliens Militär manipuliert Wahlkampf zugunsten Bolsonaros

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Bei einem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat Acre am 1. September verspricht der Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro die "linke PT-Mischpoke aus Acre hinauszuschießen".
Bei einem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat Acre am 1. September verspricht der Präsidentschaftskandidat Jair Bolsonaro die "linke PT-Mischpoke aus Acre hinauszuschießen".

Brasília. Laut Informationen aus brasilianischen Militärkreisen arbeiten ranghohe Militärs seit Jahren an einem Plan, ihren Einfluss auf die Regierung zu sichern. Bereits im Jahr 2014 beschlossen Offiziere, einen eigenen Kandidaten ins Rennen um das Staatsoberhaupt zu schicken. Der Sieg eines rechts-nationalistischen Kandidaten ist Teil des Vorhabens und der Präsidentschaftsanwärter Jair Bolsonaro dabei ihr Vehikel.

Wie die argentinische Zeitung Ámbito Financiero Anfang Oktober berichtete, planen Offiziere des brasilianischen Militärs seit Längerem, wieder die Rolle eines Protagonisten in der brasilianischen Gesellschaft einzunehmen. Die Zeitung beruft sich dabei auf einen ranghohen Offizier der Streitkräfte, der seit Jahren aktiv an einem "minutiösen Prozess des politischen Aufbaus" beteiligt sei. Dieser Prozess habe mit dem Sieg Bolsonaros im ersten Wahlgang seinen vorläufigen Höhepunkt gefunden, so der Armeeangehörige, der anonym bleiben wollte.

Zu Beginn bestanden erhebliche Zweifel am Charakter des früheren Fallschirmspringers. Dennoch, "die Art, wie er für die Streitkräfte eintrat, ließ unsere Wertschätzung ihm gegenüber wachsen", wird der Offizier Ámbito Financiero zitiert. In der Folge führten die Militärs mit dem bis dahin bedeutungslosen Abgeordneten einige Gespräche. "Was man im Wahlkampf sah, war bereits Ergebnis des Dialogs mit der Armee".

Den Sieg scheinen die Militärs indes nicht dem demokratischen Entscheidungsprozess der Bevölkerung zu überlassen. Allem Anschein nach haben sie manipulierend in den Wahlkampf eingegriffen. Die im jüngsten WhatsApp-Skandal verwendeten Datensätze zur Diffamierung des linksgerichteten Konkurrenten, Fernando Haddad, waren illegal vom Militär bereitgestellt worden, wie Amerika21 erfahren hat. Nachforschungen der Zeitung Folha de São Paulo hatten ergeben, dass private Firmen Messengerdienste wie WhatsApp damit beauftragten, Botschaften mit Fake News über den linksgerichteten Kandidaten zu verbreiten. In Zuge dessen nahm die Bundesstaatsanwaltschaft Ermittlungen auf und das Oberste Wahlgericht ordnete die Löschung von 146.000 Posts an, die eine Reichweite von über 20 Millionen Lesern gehabt haben sollen. Die Praxis war illegal, weil Wahlkampfunterstützung durch die Privatwirtschaft mittlerweile verboten ist und Fake News zur Verzerrung des Meinungsbildungsprozesses beitrugen. Fast die Hälfte der Brasilianer soll sich hauptsächlich über WhatsApp "informieren".

Offen war bisher, woher die Nummern der Zielpersonen stammten. Gegenüber Amerika21 berichtete ein brasilianischer Politikwissenschaftler, der aus Sicherheitsgründen anonym bleiben will, dass die Datensätze vom Militär bereitgestellt wurden. Diese Insider-Information stamme von drei unterschiedlichen Quellen im Militär, die mit der Parteinahme der Generalität für Bolsonaro unzufrieden seien.

In dem Beitrag "Rechtsextremer Bolsonaro – Zögling des Militärs in Brasilien" in der Rubrik Hintergrund & Analyse bietet Amerika21 eine tiefergehende Analyse der Vorwürfe gegen das brasilianische Militär sowie des Aufstiegs eines unbedeutenden Abgeordneten zum aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten. Dies gelang nur mithilfe interner Kreise des Militärs. 33 Jahre nach Ende der Militärdiktatur scheinen die Militärs in Brasilien wieder das erste und letzte Wort zu haben.