Brasilien / Politik

Polizei in Brasilien vereitelt Mordanschlag an Politiker der Sozialistischen Partei

Marcelo Freixo sollte bei Diskussionsveranstaltung "exekutiert" werden. Verdächtige aus Milizen-Umfeld. Erste Festnahmen im Mordfall Marielle Franco

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Wurde wiederholt mit dem Tod bedroht: Der Abgeordnete Marcelo Freixo von der PSOL (4. von links), hier mit seiner Fraktion im Nationalkongress
Wurde wiederholt mit dem Tod bedroht: Der Abgeordnete Marcelo Freixo von der PSOL (4. von links), hier mit seiner Fraktion im Nationalkongress

Rio de Janeiro. Die Polizei hat einen Anschlag auf den Politiker Marcelo Freixo von der Sozialistischen Partei (PSOL) verhindert. Laut einem Bericht der Zivilpolizei von Rio de Janeiro planten ein Mitglied der Militärpolizei (Policia Militar, PM), und zwei Händler den zweitmeist gewählten Abgeordneten des Bundesstaates am heutigen Samstag "zu exekutieren". Die drei Männer werden dem organisierten Verbrechen, den sogenannten Milizen, zugerechnet. Gegen diese ermittelt die Polizei auch wegen der Morde an der Aktivistin und Parteigenossin von Freixo, Marielle Franco, und ihrem Fahrer Anderson Gomes.

Laut dem Polizeibericht wollten die Täter Freixo bei einer Diskussionsveranstaltung mit Lehrern und Aktivisten aus dem Bildungssektor in einem Gewerkschaftshaus in Campo Grande, im Westen von Rio de Janeiro ermorden. Einer der Beschuldigten arbeitete bereits für einen rechten Politiker, gegen den die Polizei wegen Führerschaft einer Miliz in der Region Campo Grande ermittelt, berichtet die Zeitung Globo. Auch die Untersuchungen zu den Morden an Franco und Anderson deuten auf Verbindungen zwischen Politikern und Paramilitärs in dieser Region hin.

Marcelo Freixo teilte mit, dass er nicht an der Veranstaltung mit den Lehrern teilnehmen wird: "Die Bedrohung ist sehr konkret. Ich bin gewählter Abgeordneter und werde nicht zum ersten Mal bedroht. Das ist keine persönliche Angelegenheit. Der ganze Westen von Rio wird vom organisierten Verbrechen regiert", begründete er per Twitter seine Absage.

Freixo steht seit Jahren im Visier von Paramilitärs und steht unter Polizeischutz. Im Jahr 2008 leitete er die parlamentarische Untersuchungskommission über Milizen. Der Abschlussbericht identifizierte Personen und forderte Anklagen gegen 225 Politiker, Polizisten, Gefängniswärter, Justizangestellte, Feuerwehrmänner und Zivilisten. 200 Anführer wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Der Bericht empfahl damals 58 konkrete Maßnahmen, um die Mafia zu bekämpfen. "Alle Behörden hatten den Bericht erhalten. Doch wir sind keinen Schritt weiter. Die Milizen sind weiterhin frei, bedrohen und morden", hat Feixo nun den fehlenden Willen der Ermittlungsbehörden kritisiert. Die Partei Freixos, PSOL, forderte vom Minister für Sicherheit, Raul Jungmann, und vom zukünftigen Justizminister Sérgio Moro verbesserten Polizeischutz für den Abgeordneten.

Der zukünftige Präsident Jair Bolsonaro hatte die Empfehlungen des Berichts vor zehn Jahren kritisiert und Freixo einen Feigling genannt. Das Bild der Sicherheitsorgane dürfe nicht "beschmutzt" werden, so Bolsonaro damals.

Teile des Staatsapparates in Rio de Janeiro sind durchdrungen vom organisierten Verbrechen. In vielen Gegenden von Rio herrschen die Milizen durch Schutzgelderpressung, Folter, Mord und Drogenhandel. Verbindungen von Milizen zu Abgeordneten auf lokaler und bundesstaatlicher Ebene sind nachgewiesen, schreibt die Zeitung O Diario. Der Handel von Unterstützung für Politiker gehört zum Geschäft. Auch Teile der Politikerfamilie Bolsonaro haben ihre Basis in Gebieten, die nachweislich von Milizen kontrolliert sind.

Auch die im März ermordete Politikerin Marielle Franco hatte als Mitarbeiterin Freixos an dem Bericht über Milizen mitgewirkt. Seit 2006 arbeitete sie mit ihm zusammen. Ihr politisches Engagement richtete sich immer wieder gegen Menschenrechtsverletzungen und gegen den Einfluss des organisierten Verbrechens in Favelas.

Die Ermittlungen um den Mord an ihr und ihrem Fahrer stehen nun möglicherweise vor einem Durchbruch. Am Donnerstag nahm die Polizei eine bisher unbekannte Anzahl von Verdächtigten fest. Laut dem Fernsehkanal Globo hatten die Richter Haftbefehle für Personen an 15 verschiedenen Adressen in mehreren Städten erlassen. Die Ermittlungen richten sich gegen Mitglieder der Milizen und einige Politiker und Abgeordnete einer rechten Splitterpartei im Rathaus von Rio de Janeiro.