Demonstranten in Haiti wollen bis zum Sturz der Regierung weitermachen

Proteste begannen gegen Benzinknappheit und Korruption und weiteten sich massiv aus. Warum es jetzt eng wird für Staatschef Jovenel Moïse

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Bis zum Sturz der Regierung: Demonstrant in Haiti
Bis zum Sturz der Regierung: Demonstrant in Haiti

Port-au-Prince. Inmitten einer erneuten innenpolitischen Krise haben Oppositionsparteien und Gewerkschaften in Haiti zu einem Generalstreik aufgerufen, um den Rücktritt von Präsident Jovenel Moïse zu erzwingen. Der Ausstand begann am Montag und dauerte am Dienstag an. Die Demonstranten werfen der Regierung Korruption und Versagen bei der Lösung der schweren wirtschaftlichen Krise des Landes vor.

Der Generalstreik bildet den vorläufigen Höhepunkt einer fast dreiwöchigen Protestwelle. Auslöser war der schwere Treibstoffmangel, der die Menschen im ganzen Land seit geraumer Zeit belastet. Bislang hat die Regierung Moïse kein Konzept vorgelegt, um dieses Problem zu beheben.

Die von oppositionellen Gruppen und Parteien ausgerufenen Demonstrationen verliefen vor allem in der Hauptstadt Port-au-Prince gewalttätig. Dort kam es zu Plünderungen von Ladenlokalen, der Blockade von Straßen und Barrikaden aus brennenden Reifen.

In dem berüchtigten Armenstadtteil Cité Soleil, einer Gemeinde am nördlichen Rand von Port-au-Prince, griffen wütende Demonstranten einen Stützpunkt der Bereitschaftspolizei an und entwendeten Waffen, Munition, kugelsichere Westen und Bürogeräte.

Im Stadtteil Jeremie im Süden der Hauptstadt zündeten militante Regierungsgegner Fahrzeuge von Ministerien an und in Petit-Goâve, etwa 70 Kilometer südlich der Hauptstadt, setzten sie ein Gerichtsgebäude in Brand.

Während Präsident Moïse sich wiederholt weigerte, das Amt aufzugeben, haben sich mehrere Bürgermeister und religiöse Vereinigungen dem Rücktrittsgesuch angeschlossen.

Der Senator für den Verwaltungsbezirk Artibonit und ehemalige Regierungssympathisant Youri Latourtue rief die Bevölkerung auf, "die Barrikaden zu verteidigen", sich zu organisieren und die Proteste fortzuführen, bis die Regierung fällt. Der Sieg sei nahe, so Latourtue, der 30. September werde als Anfang vom Ende der Regierung Moïse in die Geschichte eingehen.

Die unlängst gegründete "Übergangskommission", ein Bündnis oppositioneller Gruppen und Parteien, kündigte indes eine Verschärfung des Kampfes gegen Jovenel Moïse an. Eine Gewerkschaftsallianz rief Mitarbeiter des öffentlichen Nahverkehrs auf, ihre Arbeit am Montag und Dienstag einzustellen.

Haitis Außenminister Bocchit Edmond hatte in der vergangenen Woche vor der UN-Vollversammlung in New York vor den Folgen der politischen und wirtschaftlichen Krise des Landes gewarnt. Die Regierung sei sich ihrer großen Verantwortung bewusst, so Edmond. Der Chefdiplomat erklärte, Präsident Moïse habe sich an die Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Gruppen gewandt, um das demokratische System zu verteidigen und eine Atmosphäre des Friedens und der Stabilität wiederherzustellen.

Die Landarbeiterallianz 4G Kontre zeigte sich dessen ungeachtet entschlossen, die Regierung zu stürzen. "Wir stellen fest, dass es seit Beginn des Aufrufs zur Einheit im Februar große Annäherungen innerhalb der Opposition gegeben hat, dass viele Fortschritte erzielt wurden, dass aber für den Fall des Rücktritts von Jovenel Moïse noch keine Einigung über das weitere Vorgehen erzielt wurde", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Man lade Vertreter verschiedener gesellschaftlicher Gruppen zu Gesprächen über ein umfassendes nationales Abkommen der Opposition ein.

In der aktuellen Situation des Landes dürfe kein politischer Akteur "angesichts des Leidens der Volksmassen auf dem Land und in den Städten danach streben, den Prozess des politischen Übergangs alleine zu kontrollieren". Die Einheit der Opposition sei angesichts der humanitären Katastrophe von immenser Bedeutung. "Wir beharren daher auf unserer Forderung nach einem nationalen Abkommen zur Bildung einer Übergangsregierung nach dem Rücktritt von Jovenel Moïse", heißt es in der Erklärung der 4G Kontre.