Drohungen gegen Medien in Brasilien: Für Berlin und Brüssel kein Grund zur Sorge

Bundesregierung und EU nach Angriffen von Brasiliens Präsident Bolsonaro zurückhaltend. Menschenrechtler mit deutlicher Kritik

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Bolsonaros Schimpftirade gegen Rede Globo in Brasilien: Für Bundesregierung und EU kein Grund zur Sorge
Bolsonaros Schimpftirade gegen Rede Globo in Brasilien: Für Bundesregierung und EU kein Grund zur Sorge

Berlin/Brasília. Menschenrechts- und Journalistenorganisationen haben die jüngsten Angriffe des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro gegen kritische Medien heftig kritisiert und damit auch Position gegen die zurückhaltende Reaktion von Bundesregierung und Europäischer Union bezogen. Amnesty International und Reporter ohne Grenzen zeigten sich auf Nachfrage von amerika21 besorgt über die Drohung des ultrarechten Politikers, dem TV-Netzwerk Rede Globo eine Verlängerung der staatlichen Sendelizenz zu verweigern. Bolsonaro reagierte damit auf investigative Berichte, die ihn mit der Ermordung der linksgerichteten Stadträdtin Mirelle Franco und ihres Fahrers Anderson Gomes Mitte März 2018 in Verbindung bringen.

In einer Wutrede hatte Bolsonaro Ende Oktober offene Drohungen gegen das Globo-Netzwerk ausgesprochen: "Wir reden 2022 noch mal, ihr solltet hoffen, dass ich dann tot bin. Denn dann läuft eure Sendelizenz ab. Und es gibt dann keinerlei Ausnahmen mehr, weder für euch noch für andere."

"Mit seiner jüngsten Tirade aus Beleidigungen und Anschuldigungen gegen TV Globo hat Präsident Bolsonaro erneut das Klima des Hasses und des Misstrauens gegenüber Medien in Brasilien befeuert", sagte Juliane Matthey von Reporter ohne Grenzen gegenüber amerika21. Seine Androhung, TV Globo 2022 die Sendelizenz zu entziehen, komme einer direkten Zensur gleich. Schon vor Bolsonaros Amtsantritt sei Brasilien kein sicheres Land für Journalistinnen und Journalisten gewesen. "Doch die pauschalen Fake News-Vorwürfe gegen kritische Medien und die Hetzkampagnen gegen einzelne Medienschaffende durch Bolsonaro und seine Anhänger spitzen die Lage gefährlich zu", so die Aktivistin.

Die Bundesregierung hatte zuvor eine Verurteilung vermieden. Ihr seien die Äußerungen von Staatspräsident Bolsonaro bekannt, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. "Die Bundesregierung setzt sich weltweit für Pressefreiheit ein, dies gilt selbstverständlich auch für Brasilien", schrieb das Außenamt amerika21.

Menschenrechtsorganisationen wurden da deutlicher. "Bolsonaro hat geschworen, die Verfassung einzuhalten, die die Meinungs- und Pressefreiheit schützt, dennoch hat er oft eine feindliche Haltung gegenüber Journalisten und Medienvertretern eingenommen", kritisierte Vanessa Franquilino, Pressesprecherin von Amnesty International in Brasilien. Dabei sei Brasilien laut einem UN-Bericht schon jetzt eines der gefährlichsten Länder der Welt für Journalisten. "Solche Reden wie die von Präsident Bolsonaro können Angriffe auf Medienschaffende fördern", so Franquilino weiter.

Ungeachtet dieses Urteils hielt sich die Europäische Union – wie die Bundesregierung – mit Kritik zurück. Man kommentiere keine Kommentare, hieß es auf amerika21-Anfrage aus Brüssel. Die Pressefreiheit sei im Übrigen eines der Themen, "die in unseren regelmäßigen Menschenrechtsdialogen mit Brasilien behandelt werden", sagte einer Sprecherin der EU-Kommission. "Die Europäische Union vertraue darauf, dass die brasilianischen Institutionen die Pressefreiheit unter allen Umständen wahren.

Damit zeigte sich die EU-Kommission deutlich zurückhaltender als im Fall von Venezuela, wo 2007 eine Lizenz für den Privatsender RCTV nicht verlängert wurde. RCTV hatte fünf Jahre zuvor einen Putschversuch gegen den damaligen Präsidenten Hugo Chávez propagandistisch begleitet. "Die Europäische Union habe diese Entscheidung der Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela "mit Besorgnis zur Kenntnis genommen", hieß es damals.