Kolumbien: Empörung wegen Vergewaltigung eines indigenen Mädchens durch Soldaten

Weitere Fälle von sexuellem Missbrauch durch die Armee kommen ans Licht. Indigene fordern Demilitarisierung und Änderung der Militärdoktrin

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"Mein Embera-Körper wird nicht angefasst, wird nicht geschlagen, wird nicht vergewaltigt, wird nicht getötet"
"Mein Embera-Körper wird nicht angefasst, wird nicht geschlagen, wird nicht vergewaltigt, wird nicht getötet"

Bogotá. Sieben Soldaten des Armeebataillons San Mateo im westlichen Departamento Risaralda haben vor Gericht gestanden, ein 11-jähriges Embera-Mädchen sexuell missbraucht zu haben. Die sieben Armeeangehörigen hatten das Kind für etwa 15 Stunden entführt und nacheinander vergewaltigt. Die Staatsanwaltschaft hat die Täter festgenommen, nachdem die Familie des Kindes gegen die Uniformierten Anzeige erstattet hatte. Der Anwalt des Kindes, Miguel Ángel del Río, twitterte indes, dass weitere Militärs mit einem höheren Rang in die Vergewaltigung verwickelt seien.

Sehr umstritten ist, dass die Staatsanwaltschaft die Soldaten wegen sexuellem Missbrauch durch Beischlaf mit Kindern unter 14 Jahren angeklagt hat. Del Río und viele andere Juristen kritisieren, dass dieses Delikt eine Einwilligung des Opfers impliziert. Richtig sei, die Täter wegen gewaltsamem Beischlafs anzuklagen, was ganz eindeutig Vergewaltigung bedeute. Auch wenn die Täter nicht unbedingt zu weniger Jahren Freiheitsentzug verurteilt werden könnten, sei es falsch anzudeuten, dass das Kind in die sexuellen Handlungen eingewilligt habe.

Die Vergewaltigung des Embera-Mädchens hat in der Öffentlichkeit schnell für große Empörung gesorgt. Dies sei aber kein Einzelfall, versicherte der Sprecher der Embera-Indigenen, Gerardo Jumí. Der sexuelle Missbrauch von indigenen Frauen und Mädchen durch Männer der Sicherheitskräfte sei keine Seltenheit. Es sei nur nicht immer einfach, solche Taten anzuprangern, vor allem in isolierten ländlichen Gebieten.

Unlängst gelangte auch der Fall eines 15-jährigen Nukak-Makú-Mädchens in die Medien. Eine Gruppe von Armeeoffizieren des Bataillons Joaquín París soll das Kind im September im südlichen Departamento Guaviare in ein Armee-Camp entführt und fünf Tage lang wiederholt vergewaltigt haben. Das Gleiche sei laut Menschenrechtsberichten ebendort vier weiteren Mädchen passiert. Das Nukak-Makú-Mädchen konnte fliehen, doch die Ermittlungen sind nicht weit gekommen. Die Beschuldigten blieben bislang straflos.

Ein besonders brutaler Fall aus dem Jahr 2010 blieb in Erinnerung, als Leutnant Raúl Muñoz von der 5. Mobilbrigade der Armee in Arauca innerhalb von wenigen Tagen zwei 14-jährige Mädchen vergewaltigte. Eines von ihnen und dessen neun- und sechsjährigen Brüder tötete Muñoz mit einer Machete. Dann begrub er sie. Es gab Hinweise darauf, dass mehr Militärs in den Mord an den drei Kindern verwickelt waren. Die Armee soll seinerzeit versucht haben, den Prozess durch Verzögerungsmanöver und die Einschüchterung möglicher Zeugen zu sabotieren. Nur Muñoz wurde angeklagt und zwei Jahre später zu 60 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

In der Vergangenheit haben Beschuldigungen wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen auch US-Soldaten in Kolumbien betroffen. Im Jahr 2004 sollen US-Militäroffiziere 53 Pornovideos produziert haben. Darin seien Frauen aber auch minderjährige Mädchen aus den Gemeinden Melgar und Girardot zu sehen. Ein US-Militäroffizier und ein Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma hätten 2007 in Melgar ein 12-jähriges Mädchen sexuell missbraucht.

Die Liste von aktiven oder geduldeten Gräueltaten des Militärs in Kolumbien sei schließlich sehr lang, klagte die Indigene Organisation Kolumbiens (Onic). Die Streitkräfte stellten für die indigenen Gemeinden viel mehr ein Risiko als eine Sicherheitsgarantie dar. Die indigene Embera-Gemeinde von Risaralda, zu der das Opfer der sieben Soldaten gehört, sowie die indigene Organisation von Antioquia (OIA) fordern deshalb die Demilitarisierung der indigenen Territorien. Schandtaten des Militärs wie der Fall in Risaralda zeigten ein strukturelles Problem, versicherte die indigene Aktivistin Aida Quilcue. Man müsse die Militärdoktrin, die rassistisch und xenophob sei, ändern. Auch der Onic-Vertreter Luis Fernando Arias sagte: "Solange die Militärdoktrin nicht geändert wird, werden die Sicherheitskräfte weiterhin Menschenrechtsverletzungen begehen."

Als Folge der Vergewaltigung des Embera-Mädchens gab es in mehreren Städten wie Pereira, Cali und Bogotá indes Proteste der Frauenbewegung. In der Hauptstadt hat die Sondereinheit der Polizei zur Aufstandsbekämpfung (Esmad) die Demonstrantinnen und Demonstranten drangsaliert. Diese sind auch zum Protest wegen des starken Anstiegs der Feminizide während der Corona-Krise auf die Straße gegangen.