Genf/Puerto Nariño. Die Vereinten Nationen in Person der Hohen Kommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, und der Untersekretärin für politische und Friedensangelegenheiten, Rosemary DiCarlo, haben sich äußerst besorgt wegen der anhaltenden Gewalt in Kolumbien gezeigt. Zu den vielen Massakern und Morden an sozialen Anführern war in der vergangenen Woche die massive Gewalt durch staatliche Einsatzkräfte gegenüber Demonstrierenden gekommen (amerika21 berichtete).
Bachelet kündigte bei einer Sitzung des UN-Menschenrechtsrats an, ihr Büro werde die Fälle während der Proteste in der Hauptstadt Bogotá und Soacha genau überprüfen. Sie sprach von 13 getöteten Menschen und mehr als 300 Verletzten, darunter 77 mit Schussverletzungen, "durch exzessive Gewaltanwendung". Man habe "technische Hilfe angeboten, um die Proteste mit einem Menschenrechts- und Demokratieansatz zu behandeln".
DiCarlo äußerte sich am Mittwoch am Rande einer Videokonferenz, die von der Regierung unter Präsident Iván Duque initiiert wurde, zum Stand der Umsetzung des Friedensabkommens: "Wir sind nach wie vor tief besorgt über die Unsicherheit, die das Leben so vieler Kolumbianer in den vom Konflikt betroffenen Gebieten des Landes beeinträchtigt, trotz des allgemeinen Rückgangs der Gewalt, der durch den Friedensprozess ausgelöst wurde". Sie rief "die bewaffneten Gruppen auf, die Gewalt zu beenden, um den am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen Hilfe zu bringen und die Bemühungen gegen die Covid-19-Pandemie zu erleichtern". Die Morde und Drohungen gegen soziale Anführer, Ex-Guerilleros sowie Frauen und Jugendliche seien eine Bedrohung für den Frieden, fügte DiCarlo hinzu.
In einem dringenden Appell an die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte forderten zudem die indigenen Gemeinschaften des Schutzgebietes "Resguardo Ticoya" sofortige Schutzmaßnahmen für die Gemeinden von Puerto Nariño im kolumbianischen Bundesstaat Amazonas. Sowohl die Kommission für Gerechtigkeit und Frieden als auch das Zentrum für Alternative Entwicklung und die italienische Menschenrechtsorganisation Fundación Luca Coscioni unterstützen diese Forderung.
Die kolumbianische Regierung habe beim Schutz der indigenen Bevölkerung versagt, so Camila Forero, Mitglied der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden. Die historisch mangelhafte Repräsentation der indigenen Interessen auf staatlicher Ebene werde durch die Corona-Pandemie gleichzeitig offenbart und verschärft. In diesem Kontext bedeute die Pandemie nicht nur eine Gefahr für das menschliche Leben, sondern auch den Verlust von indigenem Wissen. Forderungen nach staatlichen Investitionen in die lokale Gesundheitsversorgung blieben bereits vor der Pandemie unbeantwortet. Bei der Umsetzung einiger weniger staatlicher Maßnahmen sei zudem ein differenzierter Ansatz, der die Werte und Bedürfnisse der regionalen Bevölkerung widerspiegelt, außer Acht gelassen worden, erklärte Forero weiter.